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Oder auf der Budapester Straße.

© ddp

Update

Fußballparty nach dem Sieg: Fans schwitzen und feiern

Bei über 30 Grad haben hunderttausende Fans vier Tore für Deutschland gegen Argentinien gefeiert. Nach dem Jubel auf der Fanmeile stieg die Straßenparty in Berlin.

Schon während der Schlussminuten des Spiels hatten sich erste Deutschland-Fans hupend und in ersten Autokorsos formiert auf den Weg in Richtung Ku'damm gemacht. Auch auf der Schönhauser Allee stieg wieder die obligatorische Straßenparty. Beide Strecken hatte die Polizei zuvor für den Autoverkehr gesperrt. Gefeiert wurde wieder weitgehend zu Fuß. Nur von Westen her, vom Adenauerplatz bis zur Uhlandstraße durften die Fans auf dem Ku'damm auch fahrend feiern. Die Lietzenburger Straße war ein einziger Autokorso. Auf der Kantstraße lief der Verkehr flüssiger. Als es dann gegen 19 Uhr auf dem Ku'damm zu voll wurde, begann die Polizei, die nachströmenden Autos schon am Olivaer Platz abzuleiten. Nach 20 Uhr dünnte sich der Korso bereits wieder aus, das feiernde Fußvolk aber war fröhlich weiter am Start. Erst gegen 22.30 Uhr begann auch diese Straßenparty sich zu verlaufen. Die Polizei sprach am Sonntagmorgen von einer "entspannten Atmosphäre". Es erstaunlich, dass es bei so vielen feiernden Fans "überwiegend friedlich" geblieben sei. Es habe keine nennenswerten Zwischenfälle gegeben.

Das Ganze wird ja inzwischen schon zur Partyroutine. Und auch dieses Mal waren wieder viele Jugendliche aus Einwandererfamilien bei der Feierei ganz vorn dabei. Auf dem Breitscheidplatz ging es etwas traditioneller zu: Dort mischten sich die Fans unter das Publikum des "Berliner Drehorgelfests". Und die Vuvuzela übertönte den Leierkasten.

Am Ku'damm Ecke Leibnizstraße stand ein zerbeulter Suzuki Swift. Schwarz-Rot-Gold lackiert, mit Cindy, Linus, Felix und sechs anderen Namen verziert sowie dem Spruch "Don't Cry For Me Argentina". Neun Leute, alle um die 20 Jahre alt, haben zusammengelegt und sich die Rostlaube für 50 Euro extra für die WM gekauft - um auf der Partymeile auf der Motorhaube und dem Dach herum zu springen und zu tanzen. Mit einer Beatbox in einem Einkaufswagen beschallten derweil einige Fans die Ecke Ku'damm/Uhlandstraße.

Vor dem argentinischen Spezialitätenrestaurant "Cayenne" am Kurfürstendamm saßen Fans im Deutschlandtrikot, während der Wirt sich drinnen mit einem Angestellten stritt. Bei der Konkurrenz im "Block House" genossen deutsche Fans derweil argentinische Steaks.

Party und Keilerei in Prenzlauer Berg

Glänzende Stimmung gab es gleich nach dem Abpfiff auch am neuen Fantreff in Prenzlauer Berg. Am U-Bahnhof Eberswalder Straße an der Schönhauser Allee feierten Fans den Sieg. Alle Straßenbahnlinien in Richtung Pankow waren deshalb unterbrochen, auf den Displays der Haltstellen leuchtete die Nachricht auf: ,,Feiernde Fans am U-Bahnhof Eberswalder Straße." Rund 300 Fans nahmen die Straße in Besitz - mit Gummibällen, Megaphonen, Trommeln und Böllern. Nur wenige Vuvuzelas waren hier zu hören und zu sehen.

Eine kleine Keilerei unter einem halben Dutzend alkoholisierter Deutschland-Fans - keine Argentinier weit und breit - löste die Polizei kurzerhand auf. "Wir wollen Deutschland feiern, keine Prügelei", sang daraufhin die Masse der anderen Fans, zur Melodie von "Brown Girl In The Ring".

Eine Art Anti-Autokorso gab es auf der Karl-Marx-Allee Richtung Alexanderplatz: Feiernde Fans holten sich die Straße zurück und liefen auf der Fahrbahn, so dass keine Autos mehr durchkamen. Geärgert hat sich offenbar kein Autofahrer. Alles blieb friedlich.

So viele Tore zu feiern

So sah die Szenerie zuvor auf der Fanmeile aus: Unter einer sengenden Sonne eine glühende Insel lärmender Fans, umgeben von der fast ausgestorbenen Stadtwüste. In kühleren Temperaturen in Kapstadt legt die deutsche Elf gleich los wie entfesselt und beschert den Fans eine unter der sengenden Sonne durchaus anstrengende, aber wohltuende Jubelarie. Denn Thomas Müller erzielt das 1:0 gegen die Elf von Diego Maradona. Dann ein kollektives Aufstöhnen, als Miroslav Klose aus guter Position das 2:0 verpasst und über das Tor schießt.

Dann kommt Argentinien immer besser ins Spiel. 300.000 Fans müssen zittern trotz brüllender Hitze. Dann der ganz große Frust...!? Tor für Argentinien, Aufschrei, Entsetzen - abseits, nur die Ruhe! Und immer wieder befreien sich die Deutschen vom Druck. Doch nach der Halbzeitpause beginnt eine neue Drangphase des alten WM-Rivalen. Doch dann, gleich mit der ersten Chance der Deutschen in der zweiten Halbzeit macht Klose das 2:0. Das lange Bangen entlädt sich in unbeschreiblichem Jubel. Überall in der Stadt sind Böller zu hören. Und dann das Unglaubliche: Arne Friedrich, Fußballgott, offiziell bei diesem Turnier noch Herthaner, erzielt im 77. Spiel sein erstes Länderspieltor. Berlin quittiert das mit - noch mehr Jubel, noch mehr Böllern. Miroslav Klose hat darin mehr Routine: Sein 4:0 ist sein 14. WM-Tor - genauso viele wie Gerd Müller, der Bomber.

Fanmeile füllte sich langsam

Die Piste zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule hatte sich zunächst nur langsam gefüllt. Viele Fans suchten zunächst mal Schutz und Schatten unter den Bäumen des Tiergartens. Auch kurz nach dem Anpfiff kommen noch weitere Fans. Viele verpassen sogar das erste Tor. Schlangen gab es an den Eingängen nicht. Wegen Überfüllung geschlossen wurde die Fanmeile trotz der großen Bedeutung des Spiels diesmal nicht - die Hitze, die Hitze.

Die Sanitäter mussten einige bewusstlose Fans behandeln, denen die Mischung aus Hitze, Spannung und Alkohol zum Verhängnis wurde. Ein Dutzend Fanmeilenbesucher musste bei deutlich über 30 Grad ins Krankenhaus gebracht werden. 180 Mal mussten die Helfer insgesamt wegen der Hitze tätig werden, in den allermeisten Fällen verlief somit alles glimpflich. Insgesamt überschaubare Zahlen. Abkühlung gab es übrigens durch extra aufgestellte Duschen - und später am Abend durch einen geöffneten Hydranten, um dessen Fontäne die Fans herumtanzten.

Jenseits der Fanmeile

Auch anderswo in der Stadt bestimmte der Fußball das Treiben auf den Straßen und Plätzen. Überall waren während dem Spiel und vor allem danach Hupen und Böller zu hören. Am Boxhagener Platz beantworteten die Fans die deutschen Tore mit einem begeisterten Böllerkonzert. Viele Anwohner hatten zusätzliche Stühle aus den Häusern getragen, um vorden Kneipen mit zu schauen. Als die Argentinier ihr erstes Tor, das dann doch keines war, schossen, riss ein Fußballenthusiast vor Aufregung einen Tisch um. Als sich die Lage geklärt hatte, sammelten alle gemeinsam die Scherben auf.

Das Quartier von „11 Freunde“, Zitty und Tagesspiegel im Astra-Kulturhaus in der Revaler Straße musste bereits um 15.30 Uhr die Tore schließen, davor wartete noch eine 50 Meter langen Schlange. Drinnen gab es immerhin Duschen, vom Veranstalter vorsorglich installiert.

In einem Friedrichshainer Biergarten vergnügten sich derweil die beiden Schwestern Sabine und Irmgard Kraus aus Reinickendorf, beide nur mit Deutschlandfahnen bekleidet. Festgesteckt waren sie mit Sicherheitsnadeln. „Damit alles hält, wenn wir zum Jubeln die Arme hochreißen“, erklärte Sabine.

Mitunter gab es kuriose Szenen zu beobachten, so im Kreuzberger Viktoriapark. Auf einer Bank lag schlafend ein 24-Jähriger aus Werder, den auf dem Wegzur Fanmeile erst der Alkohol, dann die Müdigkeit übermannt hatte. „Markus hat sich so auf das Spiel gefreut“, bedauerten ihn seine Freunde, die nun in einem nahen Lokal das Spiel ansahen. Von dort konnten sie ihn nebenbei im Auge behalten. (Mitarbeit: mch, sny)

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