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Kolumne "Ich habe verstanden": Achtung vor der Frühlings-Euphorie!

Alle freuen sich auf den Frühling, aber möglicherweise tut der uns nicht so gut, wie wir vielleicht denken, meint Matthias Kalle. Gründe gibt es genug, von der drohenden Faulheit bis zu Nudistenprozessionen.

Herrje, kaum wird es etwas wärmer und die Kälte verschwindet, scheint das Einigen auch wieder nicht gut zu bekommen: ein niederländischer Fußballspieler erklärt seine Liebe zu der Frau, die angeblich monatelang seine Gattin getröstet habe; ein kanadischer Mädchenschwarm überlässt sein Äffchen einem Münchner Tierheim; ein nordkoreanischer Diktator droht prophylaktisch jedem,

von dem er schon mal gehört hat; ein Hamburger Nachrichtenmagazin macht aus dem Rausschmiss zweier Chefredakteur ein unrühmliches Possenspiel; ein Fußballverein aus Bochum verpflichtet Peter Neururer; ein Österreicher, der vor kurzem aus der Stratosphäre auf die Erde gesprungen ist, trifft Gene Simmons von Kiss und freut sich darüber, Ozzy Osbourne getroffen zu haben. Und es soll ja noch wärmer werden.

Ich will niemandem den Frühling verderben, wirklich nicht, aber vielleicht hat es gute Gründe, dass man von einem „kühlen Kopf“ einerseits und von einem „hitzigen Gemüt“ andererseits spricht. Anders ausgedrückt: Möglicherweise tut uns der Frühling, tut uns der Sommer gar nicht mal so gut. Vielleicht sollten wir das Kommen der Wärme, der Hitze nicht so herbeisehnen, wie wir das gerade tun.

Denn: Es war ja nicht alles schlecht in den vergangenen Monaten, vieles funktionierte reibungslos, sogar größere Desaster bei der Deutschen Bahn blieben aus – der vergangene Sommer war da mit seinen nicht funktionierenden Klimaanlagen weitaus schlimmer. Stichwort schlimmer: Bekanntlich ist das Fernsehprogramm in den Sommermonaten weitaus schlechter als im Herbst oder im Winter – Wiederholungen, Moderatoren im Urlaub, „Wetten, dass...? aus Mallorca  – wenn es kalt ist, ist das Fernsehen besser. Im Herbst und im Winter ziehen sich die Menschen zudem auch anständig an. Hose, Mantel, Stiefel – man wird nicht mit der Offenlegung von Körperteilen belästigt wie im Sommer, wo man schon beim Weg zum Bäcker einer Nudistenprozession beiwohnen kann. Außerdem kommt mit der Hitze auch die Faulheit: Anstatt bis in den Abend hinein produktiv zu sein, strömen die Menschen bereits am Nachmittag in Parks und Biergärten und an die Seen – ich finde das nicht richtig.

Ich will keinen falschen Eindruck erwecken. Ich fordere keinen achtmonatigen Winter und ich will auch nicht die Sonne verdunkeln. Ich glaube nur, dass die Gleichung Winter = schlecht; Sommer = gut nicht so leicht aufgeht. Ich warne schlichtweg vor zu viel Euphorie.

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