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Der Hersteller von "Bier" gibt bei den Inhaltsstoffen an, das Getränke enthalte "Liebe". Das schmeckt dem Ordnungsamt nicht.

© Doris Spiekermann-Klaas

Verbotene Liebe: Wo das Ordnungsamt ganz genau hinschaut

Ein Händler bekommt wegen seiner minimalistischen Flaschenetiketten Ärger mit dem Ordnungsamt. Es ist nicht das erste Mal, dass die Behörden einem kreativen Projekt einen Riegel vorschiebt.

Stephan Alutis betreibt eine Firma namens „Waren des täglichen Bedarfs“, die er vor drei Jahren als „Projekt gegen visuelle Umweltverschmutzung“ gegründet hat. Immer lauterer und bunterer Werbung will er mit Minimalismus begegnen. Doch jetzt hat er Ärger mit dem Ordnungsamt, das seine Flaschenetiketten allzu minimalistisch findet.

Sein wesentliches Produkt ist ein in Szenekneipen gefragtes Bier, das „Bier“ heißt und laut Etikett neben Hopfen, Malz, Hefe sowie Wasser auch Liebe enthält – und den Behörden in dieser Form nicht schmeckt. Zwar diagnostizierte die Lebensmittelaufsicht den Geschmack nach einer Prüfung als „arteigen, unauffällig, vollmundig, kräftig, würzig, dabei lieblich, feine dezente Bitternote“. Folglich gebe es „keine Anhaltspunkte zur Beanstandung des vorliegenden Erzeugnisses“, heißt es im Protokoll. Aber es hapere an der Kennzeichnung, stellt der staatlich geprüfte Lebensmittelchemiker im Auftrag des Bezirksamtes nach Begutachtung dreier Flaschen nüchtern fest: Auf dem Etikett fehle die Anschrift des Herstellers gemäß der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung (LMKV); der Herkunftsort Berlin reiche nicht. Und: Die im Zutatenverzeichnis genannte Liebe sei „keine Zutat im Sinne des § 5 der LMKV“.

Daraufhin nahm sich das Pankower Ordnungsamt der Sache an und leitete ein Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit gegen Firmenchef Alutis ein – zumal es bei der von ihm ebenfalls vertriebenen „Weinschorle“ dieselben Kennzeichnungsmängel fand. Es beschränkte seine formale Beanstandung allerdings aufs Fehlen der Adresse. Die verbotene Liebe ist nur als Hinweis vermerkt.

In seiner Reaktion schreibt Alutis dem Ordnungsamt, dass auf den Etiketten groß seine Internetadresse stehe, so dass praktisch jeder die Firma finden könne. Was die Liebe angeht, erklärt der 28-Jährige dem Amt, dass diese doch zwingend notwendig sei, um ein gutes Produkt herzustellen. Dass im „Bier“ viel Liebe drin sei, scheine ja – ausweislich der wohlwollenden Geruchs- und Geschmacksbeschreibung – auch dem Lebensmittelkontrolleur aufgefallen zu sein. Um seine These zu untermauern, legte Alutis seinem Brief ans Amt das „Foodwatch“-Mitgliedermagazin“ bei, in dem die wahren Lebensmittelskandale beschrieben seien. Ob ihm dies hilft, wird die Reaktion des Bezirks zeigen. Am Montag war keine Stellungnahme zu bekommen; der zuständige Stadtrat ist im Urlaub.

Schwerpunkteinsätze der Ordnungsämter

Der Streit um die Flaschenetiketten ist einer von vielen, bei denen Betroffene mit den Ämtern ringen: So wurden jahrelang die von Bürgern – ebenfalls mit Liebe – bepflanzten Baumscheiben gerodet, weil wildes Gärtnern nicht vorgesehen war. Und als im vergangenen Herbst in der Kreuzberger Falckensteinstraße eine Art Trödel- Regal namens „Givebox“ auftauchte, drohte das Ordnungsamt, das Ding als ungenehmigte Sondernutzung öffentlichen Straßenlandes zu liquidieren. Doch beide Fälle gingen im Sinne der Bürger aus: Mehrere Bezirke beraten inzwischen die Anwohner, wie man Baumscheiben fachkundig bepflanzt, ohne den Bäumen zu schaden. Und die „Givebox“ durfte zu einem nahen Nachbarschaftszentrum umziehen.

Drin ist, was gut ist? Von wegen! Foodwatch enthüllt die wahren Lebensmittelskandale:

Was jedoch die Hauptarbeit der Ordnungsämter ausmacht, zeigt eine aktuelle Mitteilung des Stadtrates Carsten Spallek (CDU) aus Mitte. Dessen Amt hat im Juni zahlreiche Schwerpunkteinsätze absolviert. So seien bei 422 Kontrollen in Gaststätten, Shisha-Cafés, einer Disko und einem Hostel 138 Vergehen gegen Jugend- oder Nichtraucherschutz sowie Gaststätten- und Spielhallengesetze festgestellt worden. Zwei Shisha-Cafés seien geschlossen worden. Außerdem hätten die Ordnungsamtler auf der Fanmeile und dem Alexanderplatz viele Jugendliche mit Tabak oder Alkoholika aufgegriffen. Im Straßenverkehr hätten 53 Radfahrer gleich an Ort und Stelle Strafe gezahlt. Hinzu seien rund 350 Falschparker gekommen, 300 davon in verkehrsberuhigten Bereichen. Bei weiteren Kontrollen seien zusätzliche 3113 Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr festgestellt worden. Die Bilanz der 114 Parkschein-Kontrolleure stellt jedoch alles in den Schatten: Sie erwischten mehr als 66 000 Parksünder – und lieferten einmal mehr den Beweis, dass viele Autofahrer lieber ein Knöllchen für fünf Euro einkalkulieren, statt die Parkgebühren von ein bis drei Euro pro Stunde zu bezahlen.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erleichtert ihren Mitarbeitern jetzt den Blick über den Behördentellerrand: Senator Michael Müller (SPD) verabschiedete am Montag symbolisch rund 30 Untergebene, die in den nächsten Monaten Praktika in den Verwaltungen von Helsinki, Warschau, Paris und Wien absolvieren. Die Reisen werden mit mehr als 60 000 Euro über die EU-Kommission gefördert.

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