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Sieht gut aus: Martin Hansel füttert Haie in Halloween-Aufmachung.

© Britta Pedersen/dpa

PR-Aktion für tote Haie zu Halloween in Berlin: Kürbis bei die Fische

Chefaquarist Martin Hansel füttert Raubfische im Skelettkostüm – aus einem Kürbis. Das Aquarium am Dom offenbart am Donnerstag die ganze Absurdität eines Festes.

Da vorne haben wir einen Grabstein ins Becken gestellt, sagt die Frau aus der PR-Agentur, und dass gleich die Taucher kämen. Die füttern dann die Haie, aber nicht auf herkömmliche Weise, sondern – und jetzt Achtung – aus einem Kürbis. Ein Donnerstag in einem Aquarium in der Nähe des Berliner Doms, Halloween steht an und die Haie sind global gesehen in einer misslichen Lage. 100 Millionen von ihnen sterben jedes Jahr, steht auf dem Grabstein. Da bietet sich doch an, das eine mit dem anderen zu verbinden: Eine Haifütterung im Aquarium, aber nicht einfach so, sondern im Halloween-Design.

Ein Rudel Fotografen steht in dem engen Tunnel, der durch das Wasserbecken führt. Eine routinierte Bande; ist ja schließlich nicht das erste Mal, dass hier jahreszeitenabhängig Fische gefüttert werden. Ein Taucher im schwarzen Kittel steigt ins Becken, Häme empfängt ihn. Ha, schwarze Klamotten, wie soll das denn bitte auf dem Foto aussehen? „Der weiß, wie’s geht“, stichelt es aus der Fotografentraube der Beckenscheibe entgegen. „Echter Profi halt“, ergänzt ein anderer.

Die Kürbisse sind Teelichter aus Keramik

Macht aber nichts, der Schwarzgekleidete ist nur Assistent. Den echten Auftritt bekommt Martin Hansel, 47 Jahre, Chefaquarist. Hineingezwängt in ein Skelettkostüm taucht er ins Wasser und schwimmt zum Grabstein, sehr zum Missfallen der Fotografen. Zurück muss er, ab in die Beckenmitte, wo die Scheibe keine Krümmung hat, das soll ja schließlich gut aussehen, nachher.

Von oben werden zwei faustgroße Kürbisse ins Wasser gereicht. Teelichter aus Keramik, aber keine echten Kürbisse, sonst würden die Fische ja nicht kommen, sagt die PR-Dame. Aus den Kürbisöffnungen ragen ein paar kleine Fische heraus, die da wohl vorher jemand hineingestopft hat. Sie sehen aus wie Kieler Sprotten, ungeräucherte Opfertiere. Wie viele von denen wohl jedes Jahr dran glauben müssen, global gesehen natürlich?

Interessiert keinen, da kommt niemand und zählt nach. Sprotten haben halt keine Lobby. Haifische stehen imagemäßig etwas besser da, zumindest in Deutschland, wo sie nur selten vorkommen und kaum jemand an die libidosteigernde Wirkung einer schönen Haifischflossensuppe zu glauben scheint. Ganz oben auf der Beliebtheitsskala aber thront der Delfin, der ist schließlich so gelehrig und verspielt. „Flipper müsste man sein“, denkt sich vielleicht auch manchmal die Sprotte, dann käme niemand und würde einen in einen Keramikkürbis stopfen und kurz vor Halloween den Haien zum Fraß vorwerfen. Chance vertan, vielleicht im nächsten Leben. Wenn Skelette tauchen können, warum sollen Fische dann nicht an Wiedergeburt glauben?

Sind es nun 100 Millionen oder 200 Millionen tote Haie?

Ein paar Räume weiter steht ein kleines Teufelchen im roten Gewand und erzählt staunenden Kindern Geschichten vom Einsiedlerkrebs. Auch hier: Halloween, wohin man blickt. Ein paar Kürbisse sind nach einem nicht erkennbaren Muster in unterschiedlichen Becken versenkt worden, da haben die Fische was zum Gruseln. Vielleicht auch, was die Zukunft ihrer in Freiheit lebenden Artgenossen betrifft, denn ein gewisser Alarmismus rund um die Becken lässt sich nicht leugnen. 200 Millionen Haie stürben jährlich, steht auf einer Informationstafel. Nur ein Becken neben dem Grabsteinbecken entfernt, wo 100 Millionen tote Haie betrauert werden. Glatt verdoppelt. Wie kann das sein? Nun, das sind eher Schätzungen, sagt Chefaquarist Hansel nach dem Tauchgang im Interview.

Der normale Publikumsverkehr im Aquarium hat da längst schon begonnen. Nun trifft es sich gut, dass die Haifütterung kurz vorm Ausgang stattfand. Da aber staut sich mittlerweile der Verkehr. Die ersten zahlenden Besucher sind mit ihrem Rundgang durch, jetzt: erzwungene Wartezeit. Haben Sie noch einen Moment Geduld?, fragt die PR-Dame eine Mutter mit einem kleinen Jungen auf dem Arm. Lalala, antwortet der Kleine.

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