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Proteste gegen eine NPD-Demo (Archivfoto)

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Update

Nach Spätzle- und Eierwürfen: NPD-Demo gegen Gentrifizierung in Prenzlauer Berg frühzeitig beendet

Direkt vor den Schönhauser Allee Arcaden in Prenzlauer Berg demonstrierte die NPD am Freitagabend gegen Gentrifizierung. Hunderte Gegendemonstranten stellten sich dagegen. Nachdem Spätzle und Eier geflogen waren, gingen die Rechten frühzeitig nach Hause.

Ort und Thema waren raffiniert gewählt. Mitten im abendlichen Wochenend-Einkaufstrubel demonstrierte die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) vor den Schönhauser Allee Arcaden gegen überhöhte Mieten und die Verdrängung von Menschen aus ihren Kiezen. Die NPD hatte ihre Kundgebung von 19 bis 21.30 Uhr vor dem Haupteingang des Einkaufszentrums an der Schönhauser Allee 80 angemeldet. Letztlich gingen die 20 bis 30 rechten Demonstranten aber schon um kurz nach 20 Uhr wieder nach Hause.

Berlinweit hatten linke und antifaschistische Gruppen auf ihren Websites zu einer Gegendemonstration mobilisiert. "Auf der Suche nach neuen Themen sind die Nazis jetzt auf die Gentrifizierung gestoßen", heißt es da beispielsweise.

Schon kurz vor dem offiziellen Beginn der Demo fanden sich circa 150 Gegendemonstranten ein. Sie trugen Fahnen von SPD, Grünen, Die Linke, Piratenpartei, der Antifa sowie anderer linker Gruppen. Ein Großaufgebot der Polizei sperrte die Straßenkreuzung vor den Arcaden mit Hamburger Gittern ab, einige Fußgänger hatten daraufhin Probleme, von der U-Bahn zum Shopping-Center zu gelangen.

Die Rechten demonstrierten direkt im Haltestellenbereich der Tram. Nach Auskunft der Polizei fanden sich zunächst etwa 20 von ihnen ein, später sollen es maximal 30 gewesen sein. Die Zahl der Gegendemonstranten gab die Polizei mit "mehr als 350" an, später mit rund 900. Die Beamten sprachen zunächst von einem "weitgehend störungsfreien Verlauf". Allerdings wurden einzelne Böller geworfen.

NPD-Kundgebung frühzeitig beendet

Da die Polizei den Eingangsbereich des Einkaufszentrum an der Schönhauser Allee freigehalten hatte, konnten sich viele Gegendemonstranten direkt neben den Neonazis postieren. Beide Seiten standen sich dort unmittelbar gegenüber - getrennt durch ein Polizeigitter. Gegen 20 Uhr heizte sich die Stimmung dort etwas auf. Dann warfen Gegendemonstranten Spätzle und Eier. Kurz darauf beendeten die Neonazis ihre Kundgebung frühzeitig. Laut einem Polizeisprecher bestand jedoch kein direkter Zusammenhang zwischen dem frühzeitigen Abbruch und der Spätzle-Attacke.

Trotz des gekaperten Gentrifizierungsthemas bestand die rechte Kundgebung aus klassischen Neonazis: Sonnenbrillen, Glatzen und einschlägig Bekannte aus der lokalen rechtsradikalen Szene. Die Gegendemonstranten riefen Sprechchöre wie "Nazis haut ab!", von den Reden der Rechten war daher trotz Lautsprecher nichts zu verstehen.

Die Polizeiführung hatte sich wie bei früheren NPD-Aufzügen vorgenommen, beide Seiten möglichst weit auseinander zu halten. "Wegen eines Polizeieinsatzes / einer Kundgebung bleibt unser Geschäft am Abend geschlossen", stand an einem Kiosk, die Rollgitter heruntergelassen. Die allermeisten Geschäfte blieben jedoch geöffnet, ein Passant mit Paket im Arm fragte die Polizei, wie er nun zur Post in den Arcaden komme.

NPD versucht als "Kümmerer-Partei" sympathisch zu erscheinen

Federführend bei der rechtsextremen Kundgebung war die NPD-Ortsgruppe Pankow, schreiben mehrere Antifa-Gruppen. Nach Polizeiangaben wurde die Demo von einem NPD-Mitglied angemeldet, unter dem Motto: "Gentrifizierung bekämpfen. Mietwucher und Verdrängung stoppen." Auf der Demo wettern die Rechten nun aber auch gegen vermeintlichen "Asylbetrug". Auf ihrer Homepage rückt sich die NPD Berlin im Hinblick auf diese Aktion selbst in die Nähe von NSDAP und Hitlerfaschismus, indem sie schreibt, man vertrete den "nationalen Sozialismus".

Tatsächlich versuchen sich die Rechtsradikalen seit etlichen Jahren zunehmend mit sozialen Themen zu profilieren. Zur Strategie der Partei gehöre auch, als eine Art "bürgerliche Kümmerer-Partei" sympathisch zu erscheinen, sagen Beobachter. Vor allem auf dem Lande in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern bietet die NPD beispielsweise Sozialberatungen für Hartz-IV-Empfänger an.

In ähnlicher Weise, wie nun populäre Themen okkupiert werden, versuchen Teile des rechtsextremen Spektrums seit Jahren, sich vom Image mit Springerstiefeln und Bomberjacke abzusetzen - und damit neue Zielgruppen zu erschließen. Schon den Skinhead-Look hatten sie bekanntlich in den 1980er Jahren kopiert. Später übernahmen "Autonome Nationalisten" Ästhetik und Symbole der linken Szene, traten mit Palästinenser-Schals auf und trugen Transparente mit Parolen in Graffiti-Schrift vor sich her. Die letzte Entwicklung: der "Nipster". Nazis kleiden sich wie Hipster, mit Jutebeutel, Vollbart und Röhrenjeans. Grotesker Tiefpunkt: die vegane Kochshow "Balaclava Küche" auf Youtube, in der junge Männer mit Sturmhauben und Hitler-Shirt mit Basilikumtofu hantieren. Im Hintergrund: eine Flasche Club-Mate. (Tsp/rus/hle)

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