zum Hauptinhalt
Dieses Eisenrelief galt bei der Enttrümmerung des Reichstages Anfang der fünfziger Jahre noch als Schrott. Jetzt soll sie versteigert werden.

© Klaus Hoffmeister

Die Eiserne Göttin des Parlaments: Ein Relief aus dem alten Reichstag kommt unter den Hammer

Vor fast 60 Jahren wurde die kriegsbeschädigte Kuppel gesprengt. Arbeiter bargen zuvor ein Relief. Jetzt wird es versteigert.

„Die Zündung funktionierte. Zunächst glühten die Thermitbehälter, dann sprühten sie einen mächtigen Funkenregen. Schwefelgelber Qualm stieg auf und zog in mächtiger Wolke über den Sowjetsektor ab. Aber die Konstruktion rückte und rührte sich nicht. “ Der erste Versuch, die alte Kuppel des Reichtags zum Einsturz zu bringen, war gründlich danebengegangen, wie der Tagesspiegel am 16. Oktober 1954 unter der Überschrift „Der dritte Reichstagsbrand“ berichtete.

Feuchtigkeit war über Nacht in die Thermitbeutel und die Sanddämmung eingedrungen, hieß es damals zur Erklärung, und so hat es auch Julia Hoffmeister von ihrem Vater Walter Speich gehört, der als Inhaber der Berliner Abbruchfirma Binder mit der Entschrottung der Ruine und der Abtragung der Kuppel beauftragt war. Eine gefährliche, knifflige Aufgabe, für die er sich einen externen Sprengmeister geholt hatte. Half aber zunächst auch nichts.

Jutta Hoffmeister, Anfang 70, gebürtige Berlinerin, doch seit Jahrzehnten in Laatzen bei Hannover lebend, besitzt noch die alten Pläne von der Lage der Sprengladungen – und eine weitere, 240 Kilo schwere Erinnerung an die Ruinenzeit des Reichstags: ein 94 mal 148 Zentimeter großes Eisenrelief, das zur Erstausstattung des Gebäudes gehörte und das sie an diesem Sonnabend über das Auktionshaus Kastern in Hannover versteigern lässt. Mindestgebot: 6000 Euro.

Den Trum, der das offene Atrium von Jutta Hoffmeisters Haus zierte, hatte Reichstagsarchitekt Paul Wallot in seinen Buch über den majestätischen Bau erwähnt. Das Relief, eine Kaminplatte aus dem sogenannten Schreibsaal des alten Reichstags, stellt demnach die „Allegorie der Wissenschaft“ dar: „vor der aufgehenden Sonne ein nacktes Weib mit hochgehobener Fackel und Quellurne, zu deren Seiten ein Löwe ruht“. Die Abbrucharbeiter der Firma Binder hatten die Platte damals mit dem anderen Schrott aus der Ruine geholt. Die beteiligten Verwaltungen sahen darin nichts, was über den reinen Materialwert hinausgehen könnte, allen voran die des Finanzsenators, die dem Firmenchef hinterher bescheinigte, dass er alles „trotz erheblichen Gefahrenrisikos termin- und fachgemäß“ zur vollen Zufriedenheit ausgeführt habe.

Der Reichstagsschrott wurde zunächst auf dem Lagerplatz der Firma an der Paulstraße gesammelt und dann weiterverkauft, die Reliefplatte und einige andere geborgene Stücke aber blieben, zogen im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau des Schlosses Bellevue erst innerhalb West-Berlins um und wurden von Walter Speich mitgenommen, als er die Berliner Filiale Anfang der siebziger Jahre aufgab und alles nach Hannover verlagerte. Auch Jutta Hoffmeister zog damals nach Niedersachsen, gründete eine Familie, baute mit ihrem Mann ein Haus. Zum Einzug 1973 erhielt sie von ihrem Vater die Reliefplatte, deren Herkunft aus dem Reichstag Gutachter bestätigt haben, als Geschenk.

Ende der vierziger Jahre wurde noch der Abriss des Reichstags erwogen, dann entschied man sich doch für Enttrümmerung und Wiederaufbau.
Ende der vierziger Jahre wurde noch der Abriss des Reichstags erwogen, dann entschied man sich doch für Enttrümmerung und Wiederaufbau.

© Walter speich

Angesichts ihres Alters will sie sich nun davon trennen, hatte eine kleinere Platte schon in den Neunzigern im Zusammenhang mit dem Umbau des Reichstags an die Bundestagsverwaltung verkaufen können, an der großen bestand aber weder bei dieser noch bei der des Bundespräsidenten Interesse. Julia Hoffmeister hofft nun, dass sich für die eiserne Göttin vielleicht ein Liebhaber aus Berlin findet, damit die Platte in die Stadt zurückkehren kann, aus der sie stammt.

Der Abbruch der Reichstagskuppel hat beim zweiten Versuch übrigens problemlos geklappt, wie der Tagesspiegel am 23. November 1954 meldete: „Etwa 20 Sekunden nach der Zündung löste sich zunächst der nordwestliche Teil der Konstruktion. Bruchteile einer Sekunde später stürzte der Rest der Kuppel nach. Mit dumpfem Gepolter schlugen die Stahlträger auf den Boden der Ruine und wirbelten eine mächtige Wolke von Staub und Sand hoch, die durch die Fensteröffnungen ins Freie zog.“

Informationen über die Versteigerung in Hannover findet man unter www.kastern.de (Auktion no. 147, Objekt 171)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false