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Aus vielen Tagesspiegel-Ausgaben vom 19. April 2013 wurde Zeitungsholz, aus dem Designer Breg Hanssen für das niederländische Label Vij5 den Schrank "Framed" fertigte. Vij5-Gründer Anieke Branderhorst und Arjan van Raadshoven - mit einem Stamnm aus Zeitungsholz - präsentieren diesen Schrank und weitere Möbel aus ihrer Kollektion in der Galerie DAD in der Oranienburgerstraße 27 in Mitte.

© Thilo Rückeis

Kunst aus Zeitungsholz: Den Tagesspiegel an die Kette gelegt

Alte Zeitungen müssen nicht im Müll landen, daraus kann man Möbel herstellen oder Schmuck. Niederländische Künstler zeigen ihre Werke in Mitte - und bedienen sich auch am Tagesspiegel.

Die Oberfläche des viertürigen Schrankes schimmert dezent grau, die Holzbretter sind eingebaut in den weißen Stahlrahmen. Entworfen wurde das Möbelstück "Framed" von Breg Hanssen. Das Holz fühlt sich ziemlich echt an, kleine Risse sprechen für lebendiges Material. Doch die vier Millimeter dicken Furnierplatten auf den Türen und auf dem Korpus sind nicht aus klassischem Holz, sondern aus Zeitungsholz, genauer gesagt: aus „Newspaperwood“. Verarbeitet wurde nämlich die Tagesspiegel-Ausgabe vom 19. April 2013. Die Schlagzeilen des Tages – „Die Bombe kann uns nicht besiegen“ stand etwa auf der Titelseite, im Lokalteil ging es um den Krach um den Schallschutz am BER – sind natürlich nicht mehr zu lesen, aber doch im Holz gespeichert. Und weil der Tagesspiegel nicht ganz so viele, viele bunte Bildchen druckt, fällt das Holz etwas grauer aus.
Dass man Zeitungen nicht nur am Frühstückstisch lesen, in den Altpapiercontainer werfen oder, wie es so schön gemein heißt, darin später Fisch einwickeln kann, ist in der DAD Dutch Art & Design Galerie zu sehen.

Der Tagesspiegel an der Kette. Anieke Branderhorst zeigt das Medaillon aus Tagesspiegel-Zeitungsholz vom 19. April 2013, das von dem Designerduo rENS für das Label Vij5 exklusiv für den Tagesspiegel-Shop geschaffen wurde.
Der Tagesspiegel an der Kette. Anieke Branderhorst zeigt das Medaillon aus Tagesspiegel-Zeitungsholz vom 19. April 2013, das von dem Designerduo rENS für das Label Vij5 exklusiv für den Tagesspiegel-Shop geschaffen wurde.

© Thilo Rückeis

Denn dort im Kunsthof, Oranienburger Straße 27, stellt das niederländische Designlabel Vij5 (sprich: faif) bis zum 29. Juni seine Kollektion aus, darunter auch weitere Möbel aus Newspaperwood auf der Basis der niederländischen Zeitung "Eindhovens Dagblad". Eröffnung ist heute um 18 Uhr.

Zeitungsholz ist die geniale Idee der niederländischen Designerin Mieke Meijer, die das Material 2003 während ihres Studiums an der Kunstakademie in Eindhoven erfunden hatte. Verleimte und gerollte Zeitungen ergeben einen Stamm, aus dem sich Bretter sägen lassen. So ist grob gesagt das Verfahren, das aus Makulatur oder nicht verkauften Zeitungen wieder einen Werkstoff herstellt, der alle Eigenschaften von Holz hat, lebendig ist, eine Maserung vorweist und sehr stabil ist.

Schmuck aus Tagesspiegel-Holz

Verblüffend ist die Ähnlichkeit mit echtem Holz, wie hier im Kunsthof in der Oranienburger Stzraße 27, wo die DAD Galerie gelegen ist.
Verblüffend ist die Ähnlichkeit mit echtem Holz, wie hier im Kunsthof in der Oranienburger Stzraße 27, wo die DAD Galerie gelegen ist.

© Thilo Rückeis

Arjan van Raadshoven und Anieke Branderhorst, selbst Designer und Gründer des Labels Vij5, lernten Jahre später Mieke Meijer kennen und waren vom neuen Werkstoff begeistert. „Wir haben das Material gemeinsam entwickelt und verfeinert und es 2011 auf der Möbelmesse in Mailand präsentiert.“ Wie genau das Zeitungsholz entsteht, verraten die beiden Designer aber nicht. Geschäftsgeheimnis. Nur so viel: Leim spielt eine Rolle, eine Maschine wurde zur Herstellung entwickelt. „Wir haben für Mailand neun befreundete Designer eingeladen, um aus diesem Material für unsere Marke etwas zu entwerfen. Jeder Designer nutzt das Material anders, der eine arbeitet gerne mit Massivholz, der andere lieber mit Furnier. Man kann das Material drechseln, schneiden, polieren, mit dem Laser bearbeiten“, sagt Arjan van Raadshoven. "Die Designer waren begeistert von dem Material. Wir konnten ihnen nicht sagen, was man damit machen kann. Das mussten sie selbst herausfinden", erzählt Anieke Branderhorst. Die Zeitung bestimmt die Größe der Rolle und damit das Maß für die Bretter. Das „Eindhovens Dagblad“ erscheint im Tabloid-Format, ist also kleiner als etwa der Tagesspiegel. Floris Hovers hat daraus Tabloid-Tische entworfen mit lackierter Oberfläche. Jedes Möbel hat ein Zertifikat.

Jedes Medaillon hat das Datum der Zeitungsausgabe eingraviert. Welche Geschichte mag wohl in Fragmenten in ihnen stecken?
Jedes Medaillon hat das Datum der Zeitungsausgabe eingraviert. Welche Geschichte mag wohl in Fragmenten in ihnen stecken?

© promo

Da das Label Vij5 nun in Berlin ausstellt, wollten die beiden Designer ein authentisches Möbel aus dem Papier einer Berliner Zeitung herstellen. Der Tagesspiegel stellte 100 Kilogramm Makulaturpapier zur Verfügung. Daraus werden die "Stämme" hergestellt, die dann zu Brettern oder Furnieren verarbeitet werden. Im Prinzip sind noch etwa drei bis vier Schränke möglich, sagt Arjan van Raadshoven. "Der Schrank "Framed" ist unbehandelt", sagt Van Raadsvoven, "so kann man das Material wirklich fühlen. Wer ein Glas darauf abstellt, kann mit einem Kreis rechnen, wie bei echtem Holz. Das Material lebt." Der Tisch wiederum ist genau aus diesem Grund lackiert. Das Arbeiten des Zeitungsholzes können die Designer kontrollieren. "Lässt man es länger liegen, trocknet es besser, wie eben echtes Holz", sagt er.

In Mailand hat sich auch Peugeot für das Material interessiert und die beiden Gründer von Vihj5 sind sehr stolz darauf, das Armaturenbrett für ein Concept-Car entworfen zu haben. "Das hat uns sehr geholfen", meinten beide übereinstimmend.

Auch Kunst lässt sich aus dem alten Zeitungspapier herstellen. Das Designerduo rENS (Vij5) hat etwa zwei Medaillons entworfen, die ebenfalls das Tagesspiegel-Papier der Ausgabe vom 19. April nutzten.

Ein Archiv am Hals, wenn man so will. „Der Tagesspiegel“ und das Datum sind in den Messing-Ring eingraviert, die Auflage beträgt jeweils 25 Exemplare. Mitgeliefert werden ein Putztuch und Schmirgelpapier, um die Oberfläche bei Bedarf wieder zu glätten. „Das ist mehr ein Gag“, sagt van Raadshoven. "Wir wollen andeuten, dass es sich um Material wie Holz handelt", fügt er hinzu. Zeitungsholz ist für die Designer von Vij5 keine Materiallösung. Es geht nicht darum, Altpapier zu recyclen. "Wir wollen das Zeitungspapier upcyclen, aus einem Stoff etwas Wertvolles schaffen. Und wer unbedingt will, kann das Material auch wieder recyclen." Letztendlich unterbrechen die Designer den traditionellen Recyclingprozess.

Die speziellen Medaillons – 30 mm für 90 Euro, 40 mm für 125 Euro – sind natürlich ab heute bei uns im Tagesspiegel-Shop am Askanischen Platz in 3 in Kreuzberg erhältlich (S-Bahnhof Anhalter Bahnhof; Montag bis Freitag von 9 bis 18 Uhr). Telefon: 290 21-520. www.tagesspiegel.de/shop

www.DAD-berlin.de

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