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Die Verteidiger der Angeklagten (vorne l-r): Schlieffen, Stucke, Noll, Rubbert, König, Kremer, Jakobiedeß. Und die Rechtsanwälte (hinten l-r): Conen, Kurz, Lammer, Müller, Palupski und Kolloge.

© dpa

Mord in Reinickendorfer Wettbüro: Viele Angeklagte, viele Anwälte: Hells-Angels-Prozess startet in Berlin

Acht Schüsse in fünf Sekunden: Zehn Monate nach dem Mord in einem Berliner Wettbüro hat einer der spektakulärsten Rocker-Prozesse begonnen. Einige der angeklagten Hells Angels zeigten sich lässig. Zunächst waren es ihre Anwälte, die in Aktion traten.

Das Sicherheitsaufgebot war groß, als am Dienstag vor dem Berliner Landgericht der aufwendigste Rocker-Prozess in der Stadt begann: Elf Männer, zumeist kahl geschoren und bullig, sitzen unter Mordverdacht hinter Panzerglas. Zehn von ihnen gelten als Mitglieder der Hells Angels, einer davon als ihr Boss. Andrang herrschte vor und im Saal. Dazwischen eine weinende Frau, die ein großes Foto vor sich trug. „Sie haben mir mein Herz rausgerissen, sie haben mir meinen Sohn genommen, ich habe alles verloren“, schluchzte sie. Als Mutter des Getöteten ist sie Nebenklägerin im Prozess.

Es waren acht Schüsse, die am 10. Januar dieses Jahres auf den 26-jährigen Tahir Ö. abgefeuert wurden. Sechs trafen ihn tödlich. Die Staatsanwaltschaft geht von einem mörderischen Anschlag aus Rache aus, den Rocker-Chef Kadir P., 30, in Auftrag gegeben haben soll. Neun der Angeklagten gehörten aus Sicht der Ermittler zu einem Trupp, der Sekunden vor dem Mord in das Wettbüro in Berlin-Reinickendorf marschiert war. Der Mann an der Spitze habe eine Waffe gezogen und ohne Vorwarnung auf das arglose Opfer gezielt. Fünf Sekunden später lag Tahir Ö. tödlich verletzt auf dem Boden.

Wochenlang liefen die Vorbereitungen auf den spektakulären Prozess. Nun liefen 24 Verteidiger auf und sorgten mit Anträgen für erste Hürden. Die vom Gericht erlassene Sicherheitsverfügung sei in zwei Punkten aufzuheben, verlangte einer der Anwälte. Die Anzahl der Besucher sei auf 30 Personen beschränkt worden, obwohl die Kapazität im Saal wesentlich höher sei. „Das verletzt den Grundsatz der Öffentlichkeit“, kritisierten weitere Anwälte. Der Oberstaatsanwalt hielt dagegen: „Elf mutmaßlich gewaltbereite Männer machen es erforderlich.“ Es handele sich zudem um Hells Angels, von denen einer als „Abtrünniger“ in Lebensgefahr sei.

Leute von P. seien nicht zum Saal gelassen worden

Kassra Z., 27 Jahre alt und einer der Männer aus dem Trupp im Wettbüro, hatte im März die Mauer des Schweigens gebrochen und gilt als Kronzeuge. Seitdem wird er streng geschützt. Er sitzt im Gerichtssaal allein in einer rundherum durch Panzerglas gesicherten Box. Hinter ihm steht ein Personenschützer, direkt an der Box ein Wachtmeister. Auf Z. wird es in dem vermutlich langwierigen Verfahren maßgeblich ankommen.

Beim Start aber ging es zunächst um das Drumherum. „Draußen wurden Zuhörer bereits von Polizisten aussortiert“, beschwerte sich ein Verteidiger. Leute von P. seien nicht zum Saal gelassen worden. „Wer wird abgewiesen und nach welchen Kriterien?“, fragte einer der Anwälte des Rocker-Chefs. Vor dem Kriminalgericht war ein Mann durchsucht worden. Ein anderer sei pöbelnd aufgefallen, hieß es.

Kadir P. wirkte amüsiert, als es in die erste Pause ging. Er suchte Blickkontakt zu seiner Frau, die sich unter den Zuhörern befand, grinste und grüßte mit einer Geste. In dem Moment blitzten die Tätowierungen an der Hand des 120-Kilo-Rockers auf, der zu Prozessbeginn ein eher biederes grün-graues Hemd trug.

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