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East Side Gallery: Erinnerung mit neuem Anstrich

Die East Side Gallery ist saniert – mit Hilfe von Künstlern aus aller Welt. Die Grünen möchten jetzt auch die Westseite bemalen lassen.

Man kann Motive wie den durch eine Wand preschenden Trabi auch direkt auf der Haut tragen. Das demonstrierten einige Models, die am Freitag beim Festakt zur Eröffnung der sanierten East Side Gallery in Friedrichshain Kleider mit den Mauerbildern präsentierten. Pünktlich zum Wendejubiläum erstrahlen vor allem aber die Kunstwerke selbst in frischer Pracht. Innerhalb eines Jahres wurde erst der Beton erneuert. Seit Februar kehrten dann die Künstler an den Ort zurück, an dem sie 1990 ihre Gedanken zum Mauerfall verewigt hatten, und malten die Bilder von damals neu auf. „Bis auf ein paar Kleinigkeiten ist alles fertig geworden“, sagt Kani Alavi, Vorsitzender der Künstlerinitiative East Side Gallery. 99 von 106 der verschlissenen Motive seien wiederhergestellt worden. Eine Handvoll Künstler habe sich verweigert, weil ihnen die Aufwandsentschädigung von 3000 Euro nicht ausreichte, so Alavi. Anstelle dieser Motive bleibt die Mauer vorerst unbemalt. Die für zwei Millionen Euro sanierte Gallery soll nun mindestens 15 Jahre vorhalten. Die Motive seien in mehreren Schichten aufgetragen und mit Lack vor Korrosion geschützt worden, erklärte Alavi.

„Die Internationalität und Vielfalt ist das Erfolgsgeheimnis der East Side Gallery“, sagte Klaus Wowereit (SPD) in Anspielung auf die 35 beteiligten Künstler aus dem Ausland. Er freue sich, ein historisches Dokument für zukünftige Generationen der Öffentlichkeit übergeben zu können. Zum Festakt waren auch Aktivisten gekommen, die lautstark gegen steigende Mieten und das Projekt Mediaspree protestierten. „Das ist auch Demokratie, das nicht jeder seine Meinung durchsetzen kann“, rief Wowereit ihnen zu.

Gen Osten zeigt sich also wieder Farbenpracht. Die zur Spree gewandte Westseite hingegen ist nach der Sanierung blütenweiß. Die Grünen-Fraktion der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg hätte auch sie gerne bunt und schlägt vor, sie in eine West Side Gallery zu verwandeln. Die Fläche soll demnach temporär von Künstlern mit Malerei, Fotografie und Graffiti gestaltet werden. Über einen entsprechenden Antrag berät jetzt der BVV-Kulturausschuss.

Kani Alavi lehnt diesen Vorschlag ab. „Die Westseite muss weiß bleiben, weil nur das denkmalgerecht ist.“ Zur Authentizität dieses Mauerabschnitts am Friedrichshainer Spreeufer gehöre eine unbemalte Westseite. Alavi regt an, auf der Spreeseite Gedenktafeln für die Maueropfer aufzustellen und eine Begegnungsstätte für Künstler einzurichten. Auch Rainer Klemke, in der Senatskanzlei für Mauergedenkorte zuständig, ist gegen die Grünen-Idee. Schon aus formalen Gründen müsse man die Mauerreste zwischen Oberbaumbrücke und Ostbahnhof in ihrem Zustand von 1990 erhalten. Das Denkmal erinnere sowohl an staatliches Morden im Auftrag der DDR als auch an den künstlerischen Aufbruch nach dem Ende des Regimes. „Diese Doppelgesichtigkeit würde durch neue Kunstwerke auf der Westseite geopfert“, so Klemke.

Nach der Sanierung könne von einem Originalzustand keine Rede sein, meint dagegen die grüne Kulturpolitikerin Elvira Pichler. Alavis Verein formuliere einen unangemessenen Besitzanspruch. Der Vorschlag der Grünen diene dazu, die Westseite nach den Kriterien eines offenen Wettbewerbs zu gestalten, statt auf Schmierereien zu warten. „Diese Wand wird nicht lange weiß bleiben“, glaubt Pichler.

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