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© ddp

Streik: Gebäudereiniger kämpfen für faire Löhne

Verschmutzte Flure, volle Mülleimer: Heute hat der Streik der Gebäudereiniger begonnen. Sie fordern mehr Gehalt und eine betriebliche Altersvorsorge.

Um kurz vor sechs ist es am Ernst-Reuter-Platz in Charlottenburg noch dunkel und bitter-kalt. Nur vereinzelt huschen Fußgänger vorbei, um aus der Kälte in die U-Bahnstation zu flüchten. Doch hundert Meter weiter kann man ihn plötzlich hören: Den Startschuss für den bundesweiten Streik der Gebäudereiniger. Ein ohrenbetäubendes Trillerpfeifen-Konzert weist den Weg zur Technischen Universität, die heute dreckig bleiben wird. Über einen Teil des Logos am Haupteingang haben die Streikenden ein Banner gespannt. "Prekäre Universität Berlin" ist jetzt zu lesen.

"8,15 Euro – das ist ein Hungerlohn", ruft Dietmar Schäfers, stellvertretender Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau), in das Megafon. Im Osten sind es sogar nur 6,58 Euro pro Stunde. Die bisherigen Tarifverhandlungen seien "ein Witz" gewesen. 24 Cent mehr hätte man ihnen angeboten, sagt Schäfers. "Aber das können die sich an den Hut stecken." Applaus und Pfiffe aus der Menge. Etwa 200 Menschen haben sich um den Mann mit dem roten Schal und der kräftigen Stimme versammelt. Viele tragen weiße Westen und Theatermasken. "Das ist ein Zeichen für unseren Status: wir sind die Unsichtbaren, die gar nicht wahrgenommen werden", erklärt ein älter Mann. Hinter ihm hat sich eine Gruppe Studierender zusammengefunden. Die Jugendorganisationen von Grünen und der Linken wollen den Streik ebenso unterstützen, wie zwei Antifa-Gruppen. Mehr als 15 Gebäude bleiben in Berlin vorerst ungeputzt. Altenheime, Forschungseinrichtungen, das Paul-Löbe-Haus beim Bundestag, das Rathaus Schöneberg, aber auch die Verdi-Zentrale in Mitte. "Das wird so lange weitergehen, bis es einen Tarifvertrag gibt", verspricht Schäfers.

Gewerkschaft: Arbeitgeber kalkulieren mit unbezahlten Überstunden

Eine Lohnerhöhung von 8,7 Prozent sowie eine Angleichung der Ost-Gehälter an das Westniveau ist die zentrale Forderung der Gewerkschaft. Außerdem soll eine betriebliche Altersvorsorge vertraglich geregelt werden. Der aktuelle Tarifvertrag für die rund 860.000 Gebäudereiniger in Deutschland war Anfang Oktober ausgelaufen. "Viele Arbeitgeber drohen jetzt nur noch für 30 Prozent weniger Lohn einzustellen“, sagt der IG Bau-Regionalleiter Rainer Knerler. Zudem sei es inzwischen üblich zu wenig Zeit für die Reinigung einzuplanen. "Die nötigen Überstunden werden natürlich nicht bezahlt."

Neben dem warmen Frühstückszelt der Gewerkschaft steht Marion Fröhlich. Seit 20 Jahren arbeitet sie als Gebäudereinigerin. Nachdem sie letzte Woche an den ersten Warnstreiks teilgenommen hat, wurde sie zum Gespräch mit den Vorgesetzten bestellt. „Die wollten von mir, dass ich nur Vormittags streike und den Rest des Tages normal arbeite“, sagt sie und lacht. "Aber das ist Quatsch, wenn ich streike, dann streike ich doch richtig." Die Reaktion kam prompt. Plötzlich sei sie von ihrem bisherigen Arbeitsplatz in der Kanadischen Botschaft in ein weit entferntes Gebäude versetzt worden. Abschrecken ließ sich die 58-Jährige davon nicht. "Ich habe denen gesagt: Ich habe zwar Respekt vor Ihnen, aber keine Angst."

Doch nicht alle IG-Bau-Mitglieder treten derart selbstbewusst in den Streik. Vor allem Kollegen mit Migrationshintergrund trauen sich aus Angst um ihren Job oft nicht an den Streiks teilzunehmen, glaubt Fröhlich. "Meine Freunde und Familien haben mir gesagt, ich solle besser nicht streiken“, sagt eine türkische Frau mit Kopftuch, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. Natürlich habe sie Sorge gekündigt zu werden. "Ich finde es aber wichtiger für ein faires Gehalt zu demonstrieren – auch als Türkin.“ 

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