zum Hauptinhalt
Bildung und Boom: Die neue Zentral- und Landesbibliothek soll nach dem Vorbild der Openbaare Bibliotheek in Amsterdam entstehen.

© picture alliance / Ton Koene

Kultur-Großprojekte: Grüne Lichter

Bibliothek, Kunsthalle, Medien: Bei den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU auf spielt Kultur eine große Rolle. So soll die Kunst- und Musikszene in der Stadt gehalten werden.

Von

Klare Bekenntnisse zur Kultur verstehen sich nicht von selbst in Berlin, trotz eines Regierenden Bürgermeisters, der fünf Jahre auch Berlins Regierender Kulturmeister war. Spätestens dann, wenn die chronisch klamme Stadt die Sache finanzieren muss, wird die Politik wortkarg. Umso erfreulicher also, dass bei den Koalitionsverhandlungen von SPD und CDU die Kultur gleich mehrfach Thema ist. Noch ist keine Vereinbarung unterschrieben, noch der Zuschnitt der Ressorts für künftige Senatoren nicht bekannt. Läuft es auf Wissenschaft und Kultur mit Monika Grütters hinaus oder fusioniert die Kultur mit der Stadtentwicklung? Die Antwort darauf dürfte für die Kultur wichtiger sein als jede Einzelentscheidung. Dennoch: Die Richtung wird erkennbar. Ob Schloss oder Bibliothek, Kunst, Medien oder die avisierte Installierung eines Musikboards, einer Fördereinrichtung für Clubs, Labels und Popkonzertveranstalter: Rot-Schwarz ist offenbar willens, Berlins Verpflichtungen im Verein mit dem Bund nachzukommen, die Bildung großzuschreiben und sich vor allem dafür zu engagieren, dass die Karawanen der boomenden Kunst- und Musikszene und der ständig wachsenden digitalen Bohème nicht weiterziehen.

SCHLOSS

Ein Wort von Berlin zum Schloss, dessen derzeitige Kosten (rund 580 Millionen Euro) ja größtenteils vom Bund finanziert werden, hat man lange nicht mehr gehört. Die „uneingeschränkte Unterstützung“, die die Koalition dem Bau zusichern will, bedeutet immerhin, dass Berlin an seinem 32-Millionen-Euro-Anteil keine Abstriche zu machen gedenkt.

ZENTRAL- UND LANDESBIBLIOTHEK

Ein sinnvolleres kulturelles Geschenk kann die rot-schwarze Koalition den Berlinern nicht machen. Mit dem geplanten Neubau der Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) am Rand des Tempelhofer Felds schließt die Hauptstadt endlich auf zu anderen Metropolen, die ihren Bildungsauftrag für das breite Publikum längst in großzügigen Medienhäusern erproben. Das gedruckte Buch wird immer mehr ergänzt von multimedialen Angeboten – oder etwa der Gelegenheit, Noten gleich vor Ort in Musikzimmern zum Klingen zu bringen. Es ist „die Bibliothek als dritter Ort“, die ZLB-Generaldirektorin Claudia Lux vorschwebt: ein öffentlicher Raum, der nicht nur dem Leihgeschäft dient, sondern auch dem Aufenthalt und dem gemeinsamen Austausch. Als besonders geglücktes Vorbild erscheint ihr Europas größte öffentliche Bibliothek, die mit 600 Computerarbeitsplätzen ausgestattete Openbaare Bibliotheek Amsterdam, die seit vier Jahren auf zehn Stockwerken unweit des Hauptbahnhofs residiert.

Mit dieser Vision holt die ZLB auch nach, was für die modernen Wissenschaftsbibliotheken Berlins, die Grimm-Bibliothek der Humboldt-Universität, die Staatsbibliothek mit ihren zwei Standorten, den Foster-Neubau der Philologischen Bibliothek der FU in der Rostlaube oder selbst die gemeinsame Universitätsbibliothek von TU und UdK längst selbstverständlich ist – oder nach der Renovierung werden soll. Demgegenüber sind die heruntergekommene Amerika-Gedenk-Bibliothek (AGB) in Kreuzberg und die Stadt- und Senatsbibliothek in Mitte samt ihren Außenmagazinen Dinosaurier, die sich auch durch Wlan kaum auf heutige Standards hochrüsten lassen.

Die überfällige Entscheidung für das 250-Millionen-Euro-Projekt kommt vor allem deshalb überraschend, weil die CDU stets die Sanierung der alten Häuser favorisiert hatte. Von einer kategorischen Verweigerung will Michael Braun, kulturpolitischer Sprecher seiner Partei, indes nichts wissen. Die Argumente gegen einen Neubau, erklärt er, seien immer kostenbasiert gewesen. Wenn sich nun herausstelle, dass die Sanierung teurer komme als der Neubau, könne von einem Streit mit der SPD keine Rede sein. Claudia Lux sieht in Bibliotheksbau und Betrieb sogar viele neue Arbeitsplätze.

Die Zusammenführung der disparaten Bibliotheksteile an einem zentralen Ort bedeutet aber weit mehr. So sind im Moment nur rund zehn Prozent der Medien im Freihandbestand zu nutzen, der Rest muss aus den Magazinen bestellt werden. Die neue ZLB spart ihren Besuchern also auch Zeit und erhöht ihre Attraktivität: Die tägliche Besucherzahl von rund 5000 Gästen soll sich mindestens verdoppeln. Nicht zu vergessen der Stadtentwicklungsaspekt: Angesiedelt zwischen dem ewig verschlafenen Tempelhof und dem noch nicht gentrifizierten Neukölln, stärkt die ZLB einen Stadtteil, der es brauchen kann. Geplante Eröffnung: 2016.

Was wird aus den alten Gebäuden? Auf die vom Land gemietete denkmalgeschützte AGB hat der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg bereits für eine kulturelle Weiternutzung ein Auge geworfen; die Stadtbibliothek in der Breiten Straße kann möglicherweise verkauft werden.

KUNSTHALLE

Eigentlich erschien das Projekt Kunsthalle mausetot. Erst im Sommer hatte das Abgeordnetenhaus Klaus Wowereits einstiger Lieblingsidee eine Absage erteilt: zu teuer, zu vage, von den Künstlern selber nicht mehr wirklich gewünscht. Doch nun feiert sie mit den Koalitionsverhandlungen fröhliche Auferstehung, dank der CDU, die sie ins Wahlprogramm aufgenommen hatte. Allerdings mit Abstrichen: Das bislang mit 30 Millionen Euro veranschlagte Haus soll mithilfe privater Investoren gebaut werden.

Woher die Spender kommen sollen, steht allerdings in den Sternen. Dieter Rosenkranz, der die für zwei Jahre auf dem Schlossplatz logierende Temporäre Kunsthalle durch sein mäzenatisches Engagement ermöglicht hatte, erklärte am Dienstag, er stehe dafür nicht zur Verfügung. Eine dauerhafte Kunsthalle sei in Berlin nicht mehr nötig, seitdem sich etwa der Hamburger Bahnhof und der Martin-Gropius-Bau stärker um die Präsentation aktueller Kunst bemühten. Die Stiftung Zukunft Berlin, der Rosenkranz als Ratsmitglied angehört und die die Trägerschaft für die Temporäre Kunsthalle inne hatte, äußerte sich jedoch erfreut: „Wir sehen dies als eine Reverenz gegenüber den in Berlin arbeitenden Künstlern.“

So lässt sich aus der Wiederbelebung der Kunsthallen-Idee zumindest zweierlei lesen. Einerseits wird den kulturpolitischen Interessen der CDU Genüge getan, ohne dass große Aussichten auf die Realisierung bestehen. Andererseits zeugt das Vorhaben beider Parteien von einer Sensibilisierung für die Fragilität Berlins als internationaler Kunststadt. Die kurzfristige Absage der Kunstmesse Art Forum in ihrem 15. Jahr hatte im Sommer eine gewisse Schockwirkung. Die Politiker sind sich offensichtlich nunmehr bewusst, dass Handlungsbedarf besteht.

Wie und wo sich das Projekt Kunsthalle konkretisieren wird, ist ebenfalls offen. Wieder wie einst von Wowereit gewünscht am Humboldthafen als Anreiz für weitere Investoren? Wieder in Zusammenarbeit mit einem Sammler (damals Nicolas Berggruen), wieder mit spektakulärer Architektur à la Bilbao, um die Besucher zu locken? Die Finanzkrise hatte damals alle Pläne platzen lassen. Der Berufsverband Bildender Künstler warnte nun erneut vor einer privat finanzierten „Investorenkunsthalle“, deren laufende Kosten aus dem Kulturhaushalt finanziert werden müssten. So viel steht fest: In die Infrastruktur für die Kunstszene (bestehende Institutionen wie die Berlinische Galerie oder die Kunst-Werke, Ateliers, Hochschule) muss dringend investiert werden. Nur so kann Berlin internationaler Anziehungspunkt für Künstler bleiben, notfalls auch ohne Kunsthalle.

MEDIENBOARD, MUSIKBOARD

„Es freut uns, wenn Einigkeit zwischen den Parteien herrscht, was die Bedeutung und Stärkung des Medienboards Berlin-Brandenburg angeht,“, sagt Kirsten Niehuus, die beim Board für die Filmförderung zuständig ist. Die Filmstadt boomt, gerade wird hier die 100-Millionen-Dollar-Produktion „Der Wolkenatlas“ mit Tom Hanks gedreht. Das von den Koalitionären angedachte Musikboard soll auf ähnliche Weise hochkarätige Musikproduktionen und Popstars locken.

Aber 29 Millionen Euro, die die Länder fürs Medienboard zahlen, sind nicht gerade üppig. NRW, ein Bundesland mit weit weniger Filmschaffenden, gibt 4,6 Millionen mehr aus, auch Bayern stockt auf. Die Digitalisierung der Kinos kostet extra und seit dem Weggang von Sat 1 dümpelt der TV-Standort Berlin vor sich hin, mit dem RBB als finanzschwachem öffentlich-rechtlichem Sender. Die schon vor der Wahl von Klaus Wowereit in Aussicht gestellten zusätzlichen 700 000 Euro sind da das Mindeste. Auch Elmar Giglinger, zuständig fürs Standortmarketing, spricht von einer „guten Nachricht“, zumal wenn der Ausbau TV-Produktionen zugute kommt. „Wir sind ein bestens aufgestellter Filmstandort und das Start-up-Mekka Europas mit der höchsten Gründungsdynamik im digitalen Bereich, aber wir haben keinen großen Sender. Das bedeutet weniger Nachhaltigkeit und Wirtschaftskraft.“ Wenn „Der Wolkenatlas“ abgedreht ist, verlässt Tom Hanks die Stadt, aber TV-Serien wie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ sorgen langfristig für Arbeitsplätze.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false