zum Hauptinhalt
Pädagogen im Streik. Die Lehrer haben vor allem auch gegen Ungleichbehandlung mit ihren verbeamteten Kollegen demonstriert.

© dpa

Update

Öffentlicher Dienst droht mit längerem Ausstand: Nach dem Streik ist vor dem Streik

Heute wird verhandelt, gestern wurde gestreikt - und schon bald könnte es neue Ausstände im Öffentlichen Dienst geben. Dann womöglich unbefristet. Verdi-Chef Frank Bsirske droht den Arbeitgebern.

Kindertagesstätten waren geschlossen, Unterricht fiel aus. Ordnungsamtsmitarbeiter schrieben keine Knöllchen. Vor manchen Bürgerämtern standen die Besucher vor verschlossenen Türen. Am gestrigen Warnstreik im öffentlichen Dienst beteiligten sich in Berlin rund 12.000 Beschäftigte. Aufgerufen hatten Verdi, die Polizeigewerkschaft GdP und die Bildungsgewerkschaft GEW, um vor der Fortsetzung der Tarifverhandlungen in den Bundesländern am Donnerstag noch einmal Druck auf die Arbeitgeber auszuüben. Heute kommen in Potsdam die Verhandlungsführer der Länder und der Gewerkschaften zur entscheidenden Runde zusammen.

Die Gewerkschaften fordern Einkommenserhöhungen von 6,5 Prozent und verbindliche Regelungen für die Übernahme von Auszubildenden. Im Tagesspiegel hatte Verdi-Chef Frank Bsirske bereits vor einigen Tagen gesagt, dass er mit einem Ergebnis bis zum Wochenende rechne.

Und die Streiks könnten schon sehr bald weitergehen: „Wenn uns die Arbeitgeber keine andere Wahl lassen, droht schon um Ostern herum ein unbefristeter Arbeitskampf“, sagte der Verhandlungsführer der Beamtenbundes, Willi Russ. „Dieses Szenario ist zwar nicht unser Ziel, aber wir können auch Streik, das haben wir in den letzten Tagen von Schwerin bis Nürnberg gezeigt.“

Und auch Bsirske drohte als Verhandlungsführer für die gesamte Gewerkschaftsseite zunächst einmal mit weiteren Protesten. „Wir wollen ein Ergebnis am Verhandlungstisch erreichen“, sagte er. „Aber wenn sich die Arbeitgeber verweigern, können wir bei den Warnstreiks auch noch nachlegen.“

Bsirske mahnte, die Länder müssten dringend etwas auf den Tisch legen. „Wir erwarten von den Arbeitgebern heute ein einigungsfähiges Angebot“, sagte er. „In den vergangenen zweieinhalb Wochen haben insgesamt mehr als 150.000 Länderbeschäftigte aus Unikliniken, Straßen- und Autobahnmeistereien, Landesverwaltungen, Theatern, Schulen, Studentenwerken und psychiatrischen Einrichtungen deutlich Flagge gezeigt und bewiesen, dass sie für ihre berechtigten Forderungen kämpfen wollen.“ Nun müsse eine Lösung her.

Die GEW mobilisiert auch für den heutigen Tag noch einmal einige ihrer Mitglieder, um mit einer Delegation von rund 150 Lehrern und Erziehern in Potsdam vor dem Tagungshotel zu demonstrieren. Betroffen von dem fortgesetzten Warnstreik ist unter anderem die Fritz-Karsen-Schule in Britz.

Besonders aktiv waren am Mittwoch die Lehrer und Erzieher. Diese hatten bereits vor zwei Wochen gestreikt. Damals waren 400 der 700 Berliner Schulen betroffen. Diesmal sei die Resonanz noch größer gewesen, sagte die Sprecherin der Bildungsverwaltung, Beate Stoffers. 3865 an Schulen beschäftigte Angestellte streikten, darunter 1472 Lehrer. 473 Schulen waren betroffen. Nach Angaben der GEW sollen sich 7500 Lehrer und Erzieher beteiligt haben.

Wie sich der Streik auswirkt

Die Auswirkungen waren unterschiedlich. An Schulen wie der Aziz-Nesin-Grundschule in Kreuzberg, wo viele Lehrer gewerkschaftlich organisiert sind, war kein Unterricht möglich. In anderen Schulen fielen viele Stunden aus. Auch etliche Kitas der städtischen Eigenbetriebe waren geschlossen. Die Erzieherinnen hatten den Eltern vorher Briefe mit Informationen zu Notbetreuungen mitgegeben.

Protest bei schönstem Sonnenschein. Tausenden Streikenden zogen am Mittwoch über den Boulevard Unter den Linden.
Protest bei schönstem Sonnenschein. Tausenden Streikenden zogen am Mittwoch über den Boulevard Unter den Linden.

© dpa

Andernorts kamen Besucher vergebens zu den Bürgerämtern. Im Rathaus Tempelhof etwa stand man vor verschlossenen Türen. Ein Rentner nahm es gelassen: „Da komme ich morgen wieder, ich habe ja Zeit.“ In Neukölln wiederum wurde gearbeitet. Bei den Jobcentern waren die Folgen für die Kunden ohnehin relativ gering. An einem Mittwoch gibt es Beratung dort nur nach vorheriger Terminvergabe.

Auch bei den Schwimmbädern machte sich der Streik bemerkbar. Den ganzen Tag über geschlossen waren die Bäder an der Landsberger Allee und die Halle am Sachsendamm. Etliche Schulklassen hatten deswegen keinen Schwimmunterricht. Gegen Mittag war es dann auch in Reinickendorf, Tiergarten und Kreuzberg mit dem Badespaß vorbei.

Am Vormittag trafen sich die Streikenden an der Friedrichstraße, um von dort zur Kundgebung auf den Alexanderplatz zu ziehen. „Be billig, be bildungsfern, be Berlin“, stand auf den Plakaten. Lehrer forderten: „Gleiches Geld für gleiche Arbeit!“ Am Nachmittag wurden die Proteste dann in Potsdam fortgesetzt. Dort demonstrierten noch einmal rund 3000 Menschen vor dem Hotel, in dem am Donnerstag die Verhandlungen fortgesetzt werden.

Unterstützung für die Streikenden kam von der Linkspartei. „Der Verweis auf die Finanznot der öffentlichen Haushalte zieht nicht, solange in Deutschland eine Steuer- und Finanzpolitik betrieben wird, die Vermögende und große Unternehmen schont“, sagt der Landesvorsitzende Klaus Lederer. Den Senat fordert er auf, „umgehend das weitere Ausbluten des Öffentlichen Dienstes“ zu stoppen.

Und auch ein weiterer Warnstreik könnte der Stadt in den nächsten Wochen drohen. Dann könnten Busse und Bahnen in den Depots bleiben. Bei der BVG waren seit dem Jahresende fünf Verhandlungsrunden um einen Manteltarifvertrag erfolglos. Sollte das auch für die nächste Runde am 19. März gelten, will Verdi-Verhandlungsführer Frank Bäsler einen Warnstreik bei den Verkehrsbetrieben nicht ausschließen. Bei diesen Verhandlungen geht es laut Bäsler vor allem um die Beschäftigungssicherung. Zu Ende Juni kann bei der BVG auch der Gehaltstarifvertrag gekündigt werden. (mit dpa)

Zur Startseite