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Die besten Merkel-Karikaturen: Vom Amt gezeichnet

Am 2. Dezember 1990 begann Angela Merkels gesamtdeutsche Karriere. Seitdem verfolgt Tagesspiegel-Karikaturist Klaus Stuttmann sie mit dem Stift.

Bilder machen Leute. Vor allem heute. Aber obgleich jetzt jeder jederzeit auch sein Selbstbild erzeugen kann, sind Fotos und Filmaufnahmen nicht alles. Beispielsweise in der Politik. Richtig wichtig ist man da über den Tag hinaus noch nicht, wenn das Bild von sich nur aus den zig Kameras stammt. Nein, zu bleibendem Ruhm oder Rumor geschafft hat’s erst, wer auch zur Karikatur seiner selbst geworden ist. Wem wie einst einem König oder einer Königin der Narr oder die Närrin mit dem Zeichenstift die unhöfisch unhöfliche, die komisch freche und darin erzdemokratische Wahrheit gesagt hat.

Einer der großen Wahrsager, weil Wahrzeichner, heißt seit Langem: Klaus Stuttmann. Und seit mehr als einem Vierteljahrhundert hat dieser Karikaturnarr mit dem Künstler- und Kollegennamen „Stutti“ in Angela Merkel seine politische Königin gefunden. Ja, man könnte angesichts seines jüngst erschienenen Opus Merculum („Mein Merkelbilderbuch. Beinahe 800 Zeichnungen aus beinahe 30 Jahren“, Schaltzeit Verlag, Berlin, 184 Seiten, 24,90 Euro) durchaus fragen: Hat nicht erst Klaus Stuttmann jene Angela Merkel gemalt und gemacht, wie sie auf Punkt, Punkt, Komma, Strich wirklich ist?

Wirklich, das heißt nicht privat oder gar indiskret menschelnd, sondern in ihrer öffentlichen, politischen Rolle. Und heute vor 28 Jahren, am 2. Dezember 1990, ist Angela Merkel als gesamtdeutsche Politikerin geboren worden. Es war der Tag, an dem die in der DDR aufgewachsene Pastorentochter zum ersten Mal in den Bundestag gewählt wurde, in das erste gemeinsame Parlament des wiedervereinigten Landes. Leiblich geboren wurde sie freilich in Hamburg, und – Ironie der Geschichte – ausgerechnet in ihrer Geburtsstadt wird der CDU-Bundesparteitag in dieser Woche mit der Nachfolge im Parteivorsitz auch das Ende der großen langen Merkelära formell einläuten. Noch bleibt die Kanzlerin, aber die Zäsur ist da. Und Klaus Stuttmanns bildnerische Summe kommt wie auf den Punkt zur rechten Zeit.

„Kohls Mädchen“ wird zur Königin-Mutter

Karikaturisten sind die pointiertesten Bildkünstler, sie treiben das Antlitz der Gegenwart buchstäblich auf die Federspitze. Das erfordert neben dem Talent in Hand und Hirn und dem nötigen Witz auch eine manchmal geisterhafte Hellsicht. So fällt bei Stuttmanns frühesten Merkel-Zeichnungen vom Anfang der 90er auf, dass er schon „Kohls Mädchen“ als künftiges Schwergewicht erkannte. Merkel hat bei Stutti sogleich etwas Matronenhaftes. Als die Fotografien – auch in Herlinde Koelbls Langzeit-Serie „Gesichter der Macht“ – Angela Merkel noch eher jung und scheu und mit wie erstaunt großen blauen Augen (selbst in der Schwarzweißfotografie) zeigen, ahnt Stuttmanns Strich bereits das Bild der „Mutti“ voraus. Das war weniger galant, aber treffend. Denn auf ihrem Zenith wird Merkel als Monarchin und Matriarchin tatsächlich die Rolle der weltmächtigen Königin-Mutter spielen. Bescheidener und zugleich raffinierter als jede republikanische Politikerin vor ihr.

Zweites Beispiel für karikaturistische Hellsicht: wie die im letzten Kabinett Kohl frisch gebackene Umweltschutzministerin A. M. im kleinen Geblümten mit Perlenkettchen noch hinter den qualmenden Auspuffrohren eines dicken Pkws und vor dessen Kennzeichen „Autoindustrie“ in die Knie geht. Wie sie die Abgase mit geblähten Backen am liebsten wegblasen möchte. Das wirkt rührend. Und, Mitte der 1990er so hingeworfen, gerade jetzt frappierend aktuell.

Die köstlichsten Knollennasen seit Loriot

Klaus Stuttmann, der 1949 in Frankfurt am Main geborene, im Schwäbischen bis heute hörbar aufgewachsene Kreuzberger, er wurde nach dem Studium der Kunstgeschichte an der TU Berlin zum Karikaturisten. Als Autodidakt. Mit dem ganz eigenen Blick. So ist er auch den Tagesspiegel-Lesern seit 15 Jahren bekannt. Selbst das dunkelste Weltgeschehen wird von seinem Humor oft blitzartig erhellt. Und Stuttis Kunst der pointierten Prominentenporträts hat, nebenbei gesagt, die köstlichsten Knollennasen seit Loriot geschaffen.

Bei Merkel hat diese Nase auch einen fast zärtlichen Stups ins Himmelfahrtsmäßige bekommen, während etwa der frühe Friedrich Merz als Gegenspieler bei seinem allzu vorwitzigen Nasenaufschwung schon den möglichen Fall auf dieselbe erahnen lässt. Dagegen bleibt Trump als totalem Antityp ein Alleinstellungsmerkmal. Die Nase des blondierten Gockels mit Vornamen Donald ist mitsamt dem Großmaul wie bei den Ducks zum goldgelben Entenschnabel verbunden. Der ganze Kerl, auf einen Schlag zur Kenntlichkeit entstellt.

Ihr mimisches Talent ist enorm

Fast jeden Tag reagiert Klaus Stuttmann auf den Tag. Selbst im Urlaub liest er die Nachrichtenlage online. Zwischen halb eins und zwei Uhr mittags sinniert er, und zwischen drei und halb fünf wird gezeichnet und gesendet, inzwischen alles auf und mit dem Tablet. Die spitze Feder ist darum nur noch ein Sprachbild. Doch ansonsten gehört die Sprache dazu: die witzigen Dialoge, die Stuttis Figuren als Sprechblasen zumeist umschweben. Jetzt freilich, im Merkel-Buch, ist das Überraschende: dass der Autor die ursprünglichen Texte gestrichen hat. Es sind, von ein paar chronologischen Erklärungen zu Merkels Karriere abgesehen, alles Karikaturen ohne Worte. Auf die Idee kam Stuttmann, als er einmal zufällig einen Film über Merkel ohne Ton sah.

Erst auf dem Schirm, dann in seinen Zeichnungen erkannte Stutti plötzlich Merkels genuine Begabung. Ihr Mienenspiel. Sie ist ja keine große Rednerin. Aber ihr mimisches Talent, das ihre Gegner oft genug zum eigenen Nachteil unterschätzt haben, hält Stuttmann für enorm. „Sie kann ganz lieb sein, böse, grimmig, verheult, euphorisch ... Deshalb konnte sie in meinen Zeichnungen so viele Rollen übernehmen: Punk, Halloweenmonster, Gruselclown, Katze, Diktator, Autokühlerfigur, indische Göttin oder Pippi Langstrumpf.“

Vom Amt ist sie also gezeichnet, im Leben wie in der Kunst. Oder sagen wir’s so: Merkels Mienen der Macht, sie sind doch gelacht!

Stuttmann stellt sein Jahrbuch 2018 am 5. Dezember im Tagesspiegel vor, Anmeldung unter: tagesspiegel.de/zeitung-im-salon. Die Bilder auf dieser Seite stammen aus: „Mein Merkelbilderbuch“, soeben erschienen im Schaltzeitverlag.

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