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Die Vermittlerin. Dagmar Forelle kennt beide Seiten – die Welt des Films und die Welt der Unternehmen. Bei der Berlinale betreut sie die Sponsoren.

© Doris Spiekermann-Klaas

Dagmar Forelle, Chefin der Sponsorenabteilung der Berlinale: Sie rollt den Finanziers den roten Teppich aus

Ohne Sponsoren würde bei der Berlinale vieles nicht laufen. Und ohne Dagmar Forelle auch nicht. Sie betreut die Unterstützer - und weiß: Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck.

Im Februar 2006 nahm Dagmar Forelle ganz unbefangen eine Einladung vom ZDF in ein Restaurant an. Klar, als Chefin der Sponsorenabteilung der Berlinale war sie für diesen Hauptsponsor ja zuständig. Was dann aber passierte, überraschte und rührte sie sehr. Das ZDF-Team hatte einen neuen Berlinale-Preis erfunden: die „Goldene Forelle“. Und die bekam sie nun als erste und einzige Preisträgerin feierlich überreicht. Dazu wurde ein Film gezeigt, der die „Berlinale-Forelle“ mit versteckter Kamera bei verschiedenen Einsätzen zeigt.

Darüber freut sie sich noch heute so sehr, dass sie die zehn Jahre alte Trophäe beim Interview spontan in den Konferenzraum des Berlinale-Zentrums an der Potsdamer Straße holt. Schließlich sagt der fröhliche goldene Fisch, der da so graziös gebogen auf einem silbernen Ständer liegt, viel aus über das Verhältnis der Berlinale und ihrer Sponsoren.

Respekt und Akzeptanz sind hohe Werte bei der Berlinale, die auf Außenstehende immer ein bisschen wie eine Familie wirkt. Gemeinsam praktizierte Werte wie Gastfreundschaft und Warmherzigkeit zählen ebenso dazu wie der Stolz, als das bestorganisierte Festival der Welt zu gelten. An Superlativen ist Dagmar Forelle nicht unschuldig, denn vieles wäre ohne Sponsoren nicht möglich.

Schon als Schulmädchen interessiert

Frau Forelle, wie sie immer etwas ehrfürchtig genannt wird, ist in einem fast bodenlangen, magentafarbenen Mantel zum Treffen gekommen. Im Hintergrund steht ein Regal mit Wissenswertem zur Geschichte des Festivals. Auf dem Tisch stehen – als trinkbare Grüße von Sponsoren – Flaschen mit Saft und Mineralwasser.

Das Wasser begeistert sie vor allem deshalb, weil Brunnen von einem Teil des Erlöses, unter anderem in Äthiopien und Nepal gebaut werden. Dagmar Forelle selbst stammt aus Oberhausen, der Stadt des „Oberhausener Manifests“, in der junge Filmemacher einst den neuen deutschen Autorenfilm ausriefen.

Schon als Schulmädchen war sie total interessiert an Filmen. Seit den 70er Jahren war sie regelmäßig auf der Berlinale unterwegs. Über all die Jahre hat die heute 63-jährige viele Aufgaben übernommen, die mit ihrer Leidenschaft fürs Kino zusammen hingen: „Von der Sekretärin bis zur Aufnahmeleitung“.

10 Jahre bei Wim Wenders

Später ging sie für eine Weile nach Paris, um für den japanischen Designer Yamamoto kulturelle Sonderprogramme zu machen. Im Februar 2000 rief der damalige Chef der Berlinale-Sponsoren-Abteilung bei ihr an und fragte, ob er sie für seine Nachfolge vorschlagen dürfe. Er durfte – und das war ein Glücksfall für die Berlinale.

Zehn Jahre lang war Dagmar Forelle vor dem Ausflug nach Paris bei Wim Wenders tätig gewesen. Als seine persönliche Assistentin hatte sie die Filmfestivals der Welt besucht und nebenbei lauter Anregungen gesammelt. „Ich sah die Perlen auf der Straße liegen, man musste sie nur aufsammeln.“ Außerdem hatte sie ein großes Faible für Technik entwickelt, was ihr half beim Umgang mit Co-Sponsoren, deren Glasfaserleitungen die 40 Spielstätten der Berlinale vernetzen oder deren Speichermedien die 1200 Berlinale-Filme abspielen.

Weil es bekanntlich für den ersten Eindruck keine zweite Chance gibt, achtet sie darauf, dass Treffen stets gut vorbereitet sind. Als Dieter Kosslick im Jahr 2002 zur Berlinale stieß, nahm das Festival richtig Fahrt auf, vergrößerte sich rasch. Unter dieser Regie gab es fruchtbaren Boden für neue Konzepte.

Zunächst regte Dagmar Forelle an, dass die Pressekonferenzen aus der gruftigen Atmosphäre des im Keller des Musical-Theaters gelegenen „Adagio“-Clubs in die Beletage des Grand Hyatt angehoben wurden. „Dort unten fehlte denen einfach die Grandezza, die es für eine Weltpremiere eben auch braucht.“

Absprung von Hugo Boss als Sponsor

Als sie anfing, war außer ihr in der Sponsoren-Abteilung nur noch eine Praktikantin im Einsatz. Der damalige Hauptsponsor stellte gut 100 Autos. Inzwischen hat ihre Abteilung zehn Mitarbeiter, und der derzeitige Hauptsponsor Audi hat mittlerweile rund 300 Limousinen am Start. Glücklich ist sie über das „Open House“, das der Konzern am Rande des roten Teppichs baute. „Früher kam uns der Platz immer so zugig vor.“ Für Filmfans sei dies einfach ein guter Ort für Fragen und Antworten, für einen Blick hinter die Kulissen der Berlinale, für Begegnungen mit Filmschaffenden.

Ein großer Kummer ist in diesem Jahr der Absprung von Hugo Boss als Sponsor. Das Modeunternehmen hatte sich zurückgezogen, um sich ganz auf die New Yorker Modewoche zu konzentrieren. Die aber läuft zeitgleich mit der Berlinale. „Es war beiderseits ein Abschied mit Tränen.“ In diesem Jahr gibt es also keinen neuen Schal für Dieter Kosslick. Sicher werde sich für 2017 aber ein Nachfolger finden. Dagmar Forelle ist offen für alles, „was zwischen Adidas und Gucci spielt“.

Partnerschaften haben in der Regel zwei bis drei Jahre Vorlauf. Mal geht die Berlinale auf ein Unternehmen zu, mal meldet sich ein Unternehmen, das eine neue Plattform sucht. Schon im 18. Jahr ist ein französischer Kosmetikkonzern dabei, der auch Marken-Botschafterinnen wie Andie Mc Dowell oder Jane Fonda schickte. Die Visagisten des Unternehmens schminken aber nicht nur Hollywood-Diven, sondern auch normale Filmfreunde. Die müssen sich nur einen Termin geben lassen für das Schminkmobil am Potsdamer Platz.

Verträge werden meist über mehrere Jahre abgeschlossen, wobei das erste Jahr als Probejahr gilt. Im Anschluss wird dann über Optimierungen geredet. Im Grunde geht es in ihrer Abteilung um die Frage: „Wie können wir deren Interessen und unsere Interessen deckungsgleich kriegen, um einen Mehrwert für jeden zu schaffen.“ Einfacher ausgedrückt: „Für uns sind die Sponsoren die Stars der Berlinale.“ Transparenz und Klarheit sind oberstes Gebot.

Wer denkt, Geschäftsleute und Berlinale-Mitarbeiter feilschen da um Karten-Kontingente für begehrte Premieren, liegt völlig falsch. Es gibt verschiedene Vereinbarungen für Haupt- und Co-Sponsoren und „Supplier“, also Ausrüster und Lieferanten. In denen sind Pflichten und Bedingungen auf mehreren Seiten genau festgelegt. Wichtig ist es Dagmar Forelle, dass die Sponsoren sich untereinander vernetzen, dass Synergieeffekte geschaffen werden. Deswegen gibt es einmal im Jahr ein Treffen in Berlin an einem für die meisten neuen Ort.

Knapp 2000 Ansprechpartner

Wie so viele Beteiligte kann auch Dagmar Forelle während der Berlinale keine Filme sehen. Ihre Abteilung organisiert zum Beispiel mehrstündige Backstage- Touren für potenzielle Sponsoren. Zwischen März und Herbst werden die Dialoge dann vertieft. Danach beginnt die heiße Phase. In den knapp 40 unterstützenden Unternehmen gibt es inklusive der Medienagenturen knapp 2000 Ansprechpartner. Eigentlich sind Anfang Februar alle schon müde von den langen Arbeitstagen. „Aber dann greifen plötzlich das Adrenalin und die Vorfreude dieser magischen zehn Tage und bringen alle noch mal richtig zum Leuchten.“

Sponsoren beteiligen sich mit Geld, manche auch zusätzlich mit Sachwerten. Ein chinesischer Schmuckhersteller etwa stellte in der Vergangenheit kostbare Colliers unter anderem für Helen Mirren und Cate Blanchett. In allen 350 Filialen des Unternehmens laufen „Best of“-Clips der Berlinale, und wenn in Peking die Busse beklebt sind mit Berlinale-Bären, dann geht auch das auf die Partnerschaft zwischen dem Luxusgüterkonzern und der Berlinale zurück.

Unterrichtet Sponsoring an einem Hamburger Institut

Seit die Berlinale bei der Staatsministerin der Bundesregierung für Kultur und Medien angebunden ist, gibt es freilich auch Grenzen, was Sponsoring betrifft. Zigaretten, Militär, harte Alkoholika und Pornografie sind tabu. „Aber das ist auch völlig in Ordnung, schließlich haben wir ein Kinder- und Jugendprogramm.“ Wie wichtig die Position der Sponsoren-Beauftragten ist, kann man aus wenigen Zahlen ermessen. Das Festival-Budget liegt bei 23 Millionen Euro. Von der Bundesregierung kommen 6,7 Millionen Euro. Dazu kommen Einnahmen aus Vermietungen, Publikationsverkäufen, Eintrittskarten – und eben die Sponsoring-Erlöse.

Nach der Rückkehr aus Paris ist die Ex-Kreuzbergerin Dagmar Forelle nach Prenzlauer Berg gezogen. Sie wollte wissen, wie sich das anfühlt, dort zu leben. Neben ihrem Berlinale-Job unterrichtet sie Sponsoring an einem Hamburger Institut. Die Angst vieler Kultureinrichtungen, sich mit Unternehmen einzulassen, kann sie übrigens nicht verstehen.

Aber vielleicht verstehen auch nicht alle, ihre Kunst des Umgangs mit Unternehmen, so dass keiner sich in die Angelegenheiten des anderen einmischt. Wenn ein Unternehmen sagt: „Cool, mit denen kann man reden“, ist für sie schon viel erreicht. Neben dem Familiengefühl sind Kreativität und Offenheit für Neues wichtige Berlinale-Eigenschaften. Davon zu lernen, muss den Sponsoren wohl Spaß machen. Wofür die „Goldene Forelle“ eine hübsche Zeugin ist.

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