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Treck nach Nordwesten. Auf dem Weg zum Klondike-Fluss

© Berlinale

Berlinale: Thomas Arslans "Gold" tappt in die Bärenfalle

Es ist der erste deutsche Film im Wettbewerb der Berlinale: Thomas Arslans „Gold“  will kein üblicher Spätwestern sein. Aber was ist er dann?

Journalisten leben gefährlich, man weiß das, dumme und laute ganz besonders. Geradezu lebensgefährlich leben sie, wenn sie 1898 im wilden Nordwesten Kanadas auf Goldsuche gehen, in einem Film von Thomas Arslan vorkommen und auch noch Gustav Müller heißen.

Streng genommen ist Müller allerdings in „Gold“ der einzige nicht auf Goldsuche befindliche Teilnehmer der siebenköpfigen deutschen Auswanderergruppe, die sich vom Klondike-Goldrauschkuchen des ausgehenden 19. Jahrhunderts noch ihr Stück abschneiden will. Stattdessen plant er, mit Kamera und voluminösem Notizheft ausgestattet, die Expedition für eine deutschsprachige Zeitung in New York zu dokumentieren.

Doch ach, erst macht er sich unglückselig präpotent an das einzige unbegleitete weibliche Gruppenmitglied ran, Emily Meyer, welch selbe zuvor einige Jahre als Dienstmädchen in Chicago tätig war. Dann schwingt er sich ruppig zum neuen Reiseleiter auf, nachdem der Gruppe nicht zuletzt durch sein Zutun der ursprüngliche Führer abhanden kam. Und schließlich tritt er in eine Bärenfalle, was den melancholischen Zimmermann Joseph Rossmann zu folgendem Seufzer veranlasst: „Was für ein verfluchtes Pech, in einem so riesigen Land in eine Bärenfalle zu treten!“

Immerhin führt das Missgeschick in „Gold“ zu einem dramatischen Interventionshöhepunkt, bei dem die im Abenteuergenre beliebten Requisiten Whiskeyflasche, Säge sowie – schmerzenshalber zwischen die Zähne zu klemmmender – Zweig beherzt zum Einsatz kommen. Erst großes Zuschauergelächter über den Rossmann-Spruch, dann wohlig gruselige Ah-, Ih- und Oh-Schauder angesichts der Ritsch-ratsch-Unfallversorgung im Freien. Ja, Emotionswallungen! Bei diesem Berlinale-Jahrgang will das schon was heißen.

Ansonsten passiert nicht eben viel in den knapp zwei Stunden „Gold“, und das ist Absicht. Thomas Arslan geht es offenkundig nicht um einen spannenden Spätwestern, sondern um Dekonstruktionsprozesse eines Gruppengefüges unter Extrembedingungen. Tatsächlich brechen zunächst sieben kleine Auswandererlein mit elf Pferden und einem Planwagen auf – und wer bleibt übrig? Nur so viel sei hier verraten: Ganz überraschend ist die Lösung nicht.

Richtig weit weg will der erste deutsche Wettbewerbsfilm dieser 63. Berlinale und bleibt dann doch im deutschen Geistesmittelgebirge stecken. Gemächlich treibt die Karawane überwiegend durch sonnendurchflutete Wälder und verliert nach und nach aus allerlei Gründen Mensch wie Getier. Strapaziös soll diese Reise sein, keine Frage; doch dann wirken diese Strapazen bloß sorgfältig auf die zunehmend eingeschwärzten Schornsteinfegergesichter aufgemalt, genauso sorgfältig, wie die Kleidung langsam verdreckt: Überhaupt, Sorgfalt scheint oberstes Gebot in „Gold“, von der Kostümauswahl bis zur Gepäckutensilienausstattung.

Für die Figuren, ihre biografischen Hintergründe und Beziehungen zueinander bleibt in diesem Ausstattungsfilm dann nicht mehr viel – und das selbst nach den ausgekühlten Maßstäben der längst globalisierungsbedürftigen Berliner Schule. Alle Schauspieler agieren fein austariert an der Nachweisgrenze, niemand, nicht einmal Nina Hoss als Emily, hebt sich aus dem hübsch besetzten Ensemble hervor. Uwe Bohm gibt den unglückseligen Zeitungsmann, Lars Rudolph empfiehlt sich mit einem der eigentümlicheren Abgänge der Filmgeschichte, Marko Mandic kriegt als „unser Packer“ erst keinen Eigennamen und wird dann gerechtigkeitshalber umso wichtiger. Und die vorzüglichen Peter Kurth, Rosa Enskat und Wolfgang Packhäuser sind ebenfalls mit von der Landpartie.

Was aber die Goldene Bärenfalle des Festivals betrifft: Da dürfte „Gold“, vermuten wir Journalisten jetzt einfach mal so dumm wie laut, nicht hineintappen. Wie wär’s stattdessen mit dem Braunen Bären? Denn einen echten nordwestkanadischen Braunbären – den hätten wir in „Gold“ doch gern noch gesehen.

10.2., 12 (Friedrichstadt-Palast) und 18.30 Uhr (Toni); 15.2., 15 Uhr, und 17.2., 10 Uhr (Friedrichstadt-Palast)

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