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Hagmans Autobiografie erschien 2003 unter dem Titel „Bezaubernder Bösewicht“.

© dapd

Als Fiesling zum Weltruhm: Anleitung zum Bösesein: zum Tod der Dallas“-Legende Larry Hagman

Gier, Intrige, Egoismus: Im wirklichen Leben war das dem Schauspieler Larry Hagman fremd. Im Fernsehen hingegen wurde er der berühmteste fiese Amerikaner der Welt, mit seiner Paraderolle als J.R. in „Dallas“. Nun ist der Texaner im Alter von 81 Jahren gestorben.

Natürlich, der Mensch will ein Gutmensch sein. Aber das ist verflixt schwierig, weswegen das Gutsein zumeist schon bei der Wahl des Fernsehprogramms endet. „Schwarzwaldklinik“, „Diese Drombuschs“, das ist richtig schlechtes Serienfernsehen, das in seiner Einfach-undSchlicht-Machart nur von „Hart aber herzlich“, von „Denver“ und „Dallas“ übertroffen wurde, allesamt aus den USA in die harmlosen 80er Jahre der Bundesrepublik herübergeschwappt.

Jede dieser Serien war ein Quotenkracher. Weil Archetypisches drinsteckt, Erklärmuster zur Zeit ausgelegt werden, das Leben und seine Umstände sich in eine TV-Inszenierung verkleiden. „Dallas“, sagte Larry Hagman, „zeigte die Arschlochseite des Kapitalismus.“ J.R. habe die Skrupellosigkeit des Systems, über die man sich heute auf einmal wundert, immer schon gelebt. Hagman wusste, wovon er spricht, er hat J.R. gespielt, 357 Folgen lang von 1978 bis 1991, ein letztes Mal 2011.

J(ohn) R(oss) Ewing ist Texaner, Larry Hagman wird 1931 im texanischen Fort Worth geboren. Was da als Parallelität aufscheint, kommt Jahrzehnte später in „Dallas“ kongenial zusammen. Seine Eltern, die Schauspielerin Mary Martin und der Bezirksstaatsanwalt Jack Hagman, lassen sich früh scheiden. Larry Hagman bleibt bei Mutter und Großmutter, er folgt seiner Mutter auf die Theaterbühne, er dient während des Koreakriegs bei der Air Force (hauptsächlich als Entertainer auf den Basen in Europa), lernt seine große Liebe und einzige Ehefrau kennen, die schwedische Modezeichnerin Maj Axelsson. Sie heiraten 1954, zwei Jahre später kehren sie in die USA zurück.

1964 gibt er sein Kinodebüt. „Ensign Pulver“ heißt der Film, zusammen mit dem noch unbekannteren Jack Nicholson spielen sie zwei Matrosen im Pazifik-Krieg. Sein Filmpartner weiht ihn in die Vorzüge von Rauschmitteln ein, als überzeugtes Mitglied der „Peace and Freedom Party“ und mit selbstgemalten „Fuck War“-Transparenten protesiert Hagman gegen den Vietnam-Krieg.

Was nach einer Rebell-und-Outlaw-Zukunft, vielleicht sogar nach New Cinema versus Altes Hollywood-Kino aussieht, endet 1965 abrupt. Das Fernsehen holt sich Hagman, steckt ihn in eine Uniform: Captain, später Major Tony Nelson trifft auf die „Bezaubernde Jeannie“, einen attraktive und eigenwilligen Flaschengeist. Barbara Eden spielt ihn in ihrem Bauchnabel-Kostüm so adrett (mit erotischer Unterströmung), wie Hagmans Astronaut schmuck ist. Dass Jeannie ihrem „Meister“ – holla! – jeden Wunsch erfüllen will, sorgt für Kapriolen, die der Nasa-Mann in Jack-Lemmon-Preislage geradezubiegen versteht. Sehr charmantes Fernsehen.

Fünf Jahre läuft die Serie. Seine Popularität kann Hagmann nur in kurzlebigen Serien wie „The Good Life“ und einigen TV-Filmen kapitalisieren. 1977 beginnen die Dreharbeiten zu „Dallas“ – und damit die J.R-isierung von Larry Hagman. Die Fernsehsoap um die in Öl schwimmenden Ewings auf ihrer luxuriösen Southfork-Ranch ist beileibe kein Kommentar zur wirtschafstliberalen Ära von Reagan und Bush senior, sie saugt daraus ihren dramaturgischen Honig. Mag der Vater von J.R. noch der fürsorgliche Patron gewesen sein, der älteste Sohn und jetzige Firmenchef ist eisenharter Konzernkapitalist. Ehefrau, Brüder und der Ewing-Rest werden benutzt, missbraucht, nur Miss Ellie, die Mutter, ist dem Ego-Buben heilig.

War Hagman bei seiner Jeannie noch der weichgesichtige Aufpasser, so gewinnt er jetzt andere Konturen: bös glitzernde Schweinsäuglein unterm Cowboyhelm, Sätze werden rausgemeckert, das Eros der Macht zeigt sein fieses Gesicht. Die Zuschauer lieben es, weltweit. Männer wollen sein wie J.R. und schrauben sich die Initialen ins Nummernschild, Frauen glauben, sie könnten aus J.R. einen guten Menschen machen.

Die Serie ist weltweit erfolgreich, selbst als Irrtum. Rumäniens Diktator Ceausescu lässt "Dallas" ausstrahlen, um das Widerwärtige des US-Gesellschaftssystems vorzuführen. Die Rumänen schauen begeistert auf die schönen Autos, Kleider und Menschen. „Dallas“ hat Ceausescu besiegt, wird Hagman schlussfolgern. Ihn besiegt fast der Alkohol. Während J.R. Whisky kippt, köpft Hagman vier Flaschen Champaganer am Tag. Das bringt dem zweifachen Familienvater eine neue Leber ein. Seine Frau kümmert sich um ihn, als Maj dement wird, kümmert sich Larry um sie. Eine große Liebe, grundiert mit Respekt und Witz. Major Nelson und Jeannie.

J.R. wird Hagmans Stigma. Er wird auch in Filmen wie „Nixon“ und „Primary Colors“ korrupte und korrumpierende Machtmenschen geben, kassiert Image-Tantiemen und spaziert im Februar 2006 in Mutter Beimers Reisebüro in der „Lindenstraße“. 2010 war er noch einmal in Deuschland, um eine Auszeichnung für sein Solarenergie-Engagement entgegenzunehmen: Er ist multimediale Werbefigur, auf seiner kalifornischen Ranch erzeugt er selber Solarstrom im großen Stil, unter anderem, um die Bewässerung für seine Avocado-Zucht sicherzustellen.

In Film und Fernsehen J.R., im wahren Leben ein Konvertit: Gestartet als Republikaner, wird er durch den Vietnamkrieg zum Linken (soweit ein Texaner ein Linker sein kann) und später zum George-W.-Bush-Hasser. Der führe Amerika in den Faschismus, donnert er im Tagesspiegel-Gespräch. 2009 ist Bush Geschichte, 2011 dreht der Schauspieler wieder als J.R. Ewing.

Am Freitag ist Larry Hagman in einem Krankenhaus in Dallas gestorben, er wurde 81 Jahre alt. Was auf seinem Grabstein stehen soll? Bei J.R., sagte Hagman, sollte draufstehen: „Dieses ist der einzige Deal, den er je verloren hat."

Im Jahr 2003 sprachen Hagmann und seine Frau mit dem Tagesspiegel: Über Dallas, George W. Bush und warum J.R. viel intelligenter als Bush ist.

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