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Die Fotocollage „Airport“ des Koreaners Ho-Yeol Ryu aus dem Jahr 2005.

©   Courtesy Ho-Yeol Ryu, ZKM/Karlsruhe

Ausstellung: Europa nur aus der Ferne

Die Welt als Transitraum: "Nothing to declare" heißt eine Ausstellung in der Berliner Akademie der Künste. Sie zeigt, wie die Kunst sich seit der Wende 1989 globalisiert hat.

Die Zeitenwende vollzog sich nicht nur geopolitisch, sondern auch künstlerisch. Bestes Beispiel dafür ist Australien. Früher immer gen Westen ausgerichtet, begreift sich die Kunstszene von Down Under heute als selbstverständlicher Teil der Asian Pacific Art. China hat sich zum zweitgrößten Kunstmarkt der Welt nach den USA aufgeschwungen. Mehr als 100 Biennalen haben sich etabliert. Hatte die 1992 als erste Kunstschau Afrikas gegründete Dak’Art noch ihren Schwerpunkt auf europäische Kunst gelegt, gilt sie inzwischen als wichtiges Schaufenster für zeitgenössische afrikanische Kunst. Einst beanspruchten Europa und die USA, Wiege der Moderne zu sein, heute ist Kunst und auch der Kunstmarkt global, dezentralisiert und vital in verschiedenen Regionen der Erde. Die Weltkarte der Kunst muss neu gezeichnet werden. Die Ausstellung „Nothing to declare? Weltkarten der Kunst nach ’89“ in der Akademie der Künste am Pariser Platz versucht es.

1989 bildet das Stichdatum für die Schau. Als Wendepunkt gilt die Ausstellung „Die Magier der Welt“ im Pariser Centre Pompidou. Manches geriet damals noch recht verstolpert. So wurde etwa deutlich zwischen Vertretern sogenannter authentischer Kunst aus Afrika, China, Australien oder Mexiko und bekannten Namen aus den USA und Westeuropa unterschieden. Immerhin weitete sich erstmals der Blick der abendländischen Kunstgemeinde auf eine globale Kunstproduktion. Aus dem komplementären Begriffspaar „Kunst“ und „Weltkunst“ wurde die bis heute geläufige Bezeichnung „Global Art“.

Am Ende des Rundgangs in der Akademie wartet ein fast 360-Grad-Panorama mit einem Video, das die Daten aus der Ausstellung noch einmal optisch aufbereitet. Trotz der Opulenz muss der Besucher Leselust mitbringen bei diesem dokumentarischen Unternehmen. Vieles, was in einen Katalog passen würde, ist an die Wände geschrieben. Weltkarten markieren die sich neu etablierenden Kunstzonen als kulturelle Einheiten. Darauf sind die Standorte der Biennalen eingetragen, die in den letzten 20 Jahren wie Pilze aus dem Boden schossen. 1989 gab es nur etwa ein Dutzend davon.

Ähnlich rasant verlief die Ausbreitung der Kunstmessen rund um den Globus, zu denen heute etwa die India Art Fair, die Marrakech Art Fair oder die Abu Dhabi Art gehören. Als Beleg für die Veränderung des Kunstmarkts und seine zunehmende Spezifizierung werden Listen der weltweit führenden Auktionshäuser Christie’s und Sotheby’s präsentiert, mit den Neugründungen einzelner Departments für südostasiatische Malerei oder auch für Kunst aus dem Mittleren Osten. Die Aufteilung zeitgenössischer Kunst in geografische Einheiten scheint sich gut zu verkaufen.

Fünf Jahre lang hat sich eine Forschungsgruppe des Karlsruher Zentrums für Kunst und Medientechnologie um den Kunstwissenschaftler Hans Belting und die Kuratorin Andrea Buddensieg intensiv mit der künstlerischen Zeitenwende beschäftigt. Die Berliner Ausstellung ist nun ein Kondensat der großen Schau „The Global Contemporary. Kunstwelten nach 1989“ im Museum für Neue Kunst in Karlsruhe. Von dort wurden auch künstlerische Beiträge übernommen, die die trockene, aber anschaulich aufbereitete Faktenlage auflockern.

Der 1976 im südafrikanischen Johannesburg geborene Fotograf Pieter Hugo zeigt in seiner Serie über Nollywood Einblicke in eine ureigene afrikanische Filmkultur. Nollywood als das Hollywood Nigerias: Mit einfachsten technischen Mitteln und geringem Budget werden in Nigeria jedes Jahr bis zu 2000 Filme produziert, auf DVD gebrannt und für wenig Geld verkauft; es ist die drittgrößte Filmindustrie der Welt. Beliebt sind neben den Dramen des Lebens auch Horror- und Splatterfilme mit einem Schuss Voodoo. Mit distanziertem Blick hat Pieter Hugo Szenen mit Laien als Teufel, Werwolf, Zombie oder Leiche nachgestellt.

Wie Fremdkörper wirken auch die Klassiker der westlichen Kunstgeschichte, mit denen die Thailänderin Araya Rasdjarmrearnsook Bauern ihrer Heimat konfrontiert. Im Schneidersitz hocken sie vor einer Kopie von Manets „Frühstück im Grünen“ und grübeln über Details, die hiesigen Betrachtern selbstverständlich erscheinen. Was sind dort für Früchte zu sehen? Warum ist die Frau nackt? Das Video räumt mit einer eurozentrischen Sichtweise auf.

Nusra Latif Qureshi geht einen Schritt weiter, sie macht keinen Unterschied zwischen Orient und Okzident. Die 1973 in Pakistan geborene Künstlerin, die heute in Melbourne lebt, hat in einer Art Fries mit dem Titel „Did you come here to find history?“ Porträts von Moguln, venezianische Adelsbildnisse, koloniale Fotografien und ihr eigenes Konterfei aneinandergereiht. Zeiten und Kulturen vermischen sich in ihrer Person.

Akademie der Künste, Pariser Platz 4, bis 26. Mai; Di – So 11 – 19 Uhr,

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