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Nachruf: Tony Curtis: Der Mann mit der Tolle

Schöner Typ, großer Verführer: Mit seiner Rolle in Billy Wilders' Komödie "Manche mögen's heiß" wurde Tony Curtis ein Weltstar. Jetzt ist er im Alter von 85 Jahren gestorben.

Es ist das witzigste Happy End der Filmgeschichte. Im Finale von „Manche mögen’s heiß“ wird Jack Lemmon von Joe E. Brown bedrängt, der ihn für eine Frau hielt, nun aber auch gerne – „Nobody is perfect“, lautet das legendäre Schlusswort – mit einem Mann vorlieb nimmt. Tony Curtis hat es besser. Er kommt mit Marilyn Monroe davon. Curtis und Lemmon waren auf der Flucht vor der Mafia in Frauenkleidern bei einer Damenkapelle gelandet. Curtis spielt den Saxofonisten Joe, der sich mit Rock und Lippenstift in die Saxofonistin Josephine verwandelt. Um das Herz von Sugar Kane, der von Monroe dargestellten Sängerin, zu erobern, kostümiert er sich im maritimen Jachtbesitzerlook und nennt sich Junior. Eine Dreifachrolle. In der zweitwitzigsten Szene des Films flirtet Junior mit Marilyn am Strand. Als sie von ihm wissen will, welche Firma ihm gehört, hält er als Antwort nur eine Muschel hoch: Shell.

Tony Curtis, der am Mittwoch mit 85 Jahren in seinem Haus bei Las Vegas starb, ist mit seiner Rolle in Billy Wilders Jahrhundertkomödie für das Gedächtnis des Kinos unsterblich geworden. Den Oscar bekam aber Jack Lemmon. Curtis konnte witzig und schlagfertig sein. Vor allem aber war er ein schöner Mann. In den fünfziger und sechziger Jahren galt er als einer der bestaussehenden Stars in Hollywood. Zunächst erregte seine Frisur Aufsehen. Sie war ein Zeichen der Rebellion. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, als nahezu alle amerikanischen Männer noch einen militärisch anmutenden Bürstenhaarschnitt trugen, ließ er bereits die Stirnlocken lang wachsen. Der Zeitungskolumnist und spätere Talkmaster Ed Sullivan nannte ihn bloß „den Jungen mit dem Haarschnitt“. „Meine Frisur machte mich zum Helden für praktisch jeden weißen Teenager in Amerika“, erinnerte sich Curtis später. Selbst Elvis habe ihn kopiert.

Curtis war ein großer Verführer, der gerne mit seinen Erfolgen prahlte. Seine Autobiografie, deren deutsche Ausgabe erst vor zwei Wochen unter dem Titel „Vom Straßenjungen zum HollywoodStar“ (259 S., 19,90 €, I. P. Verlag, Berlin) herausgekommen ist, beeindruckt durch die Schamlosigkeit, mit der der Schauspieler seine erotischen Abenteuer schildert. Er war als Sohn jüdisch-ungarischer Einwanderer in der Bronx aufgewachsen. Seine Mutter habe er niemals lachen sehen, die Eltern waren so arm, dass sie ihn zeitweilig in ein Waisenhaus gaben. Hollywood war für diesen Herumgestoßenen ein Ort der Befreiung.

Dort waren die Frauen „schön, kontaktfreudig und nett, und für sie war Sex keine große Sache“. Curtis hatte am Broadway erste Theatererfolge gefeiert und war 1948 vom Universal-Studio nach Los Angeles geholt worden. Kaum angekommen, lernte er Marilyn Monroe kennen. Er fühlte sich von ihr angezogen, weil er in ihrer Traurigkeit seine eigene Traurigkeit wiederzuerkennen glaubte. In seinen Memoiren geht Curtis ins Detail: „Marilyn machte es sich bequem, zog ihre Sachen bis auf Höschen und BH aus und setzte sich auf die Bettkante. Sie war wunderschön. Wir begannen, uns zu küssen und uns zu umarmen, und ich zog ihr den BH aus. Ihre Brüste waren der Traum eines jeden männlichen Teenagers.“

In Los Angeles lebte Curtis zeitweilig mit Marlon Brando in einer Wohngemeinschaft, aber von der Method-Acting-Akribie, mit der der Freund seine Rollen erarbeitete, hat er nie viel gehalten. Er sah sich eher als Naturtalent. Über ihn kursierte der Spruch „You can take Tony Curtis out of the Bronx, but you can’t take the Bronx out of Tony Curtis“. Bei Universal ließen sie ihn Orientalen mit Turban und Gangster mit Straßenakzent spielen. Aber als er im Film-Noir-Klassiker „Criss Cross“ in einer kurzen Szene mit der Hauptdarstellerin Yvonne De Carlo getanzt hatte, trafen beim Studio Hunderte von Fanbriefen ein. Und Curtis, der Komparse, bandelte mit dem Star De Carlo an: „Sie lag nackt mit mir in einem Bett auf dem Mulholland Drive mit Blick über L. A. Das war wie ein Hauptgewinn im Lotto.“

Bald darauf erlebte Amerika eine Art Curtis-Mania. Wo immer der Jungstar auftauchte, waren auch die kreischenden Girls nicht weit. Als er bei einer Western-Premiere in San Francisco Autogramme gab, war der Ansturm so gewaltig, dass der Kinobesitzer flehte: „Bringt sie alle hinaus. Sie pinkeln mir auf den Teppich.“ Curtis war schon vor der Rock-’n’-Roll-Ära ein Popstar. Die Filme, die er für Universal drehte, hießen „Reiter ohne Gnade“, „Der Sohn von Ali Baba“ oder „Männer, Mädchen und Motoren“. Um große Filmkunst handelte es sich dabei nicht unbedingt.

Bis Mitte der fünfziger Jahre war Tony Curtis ein Gefangener des Studiosystems. Er musste kämpfen, um sich aus den Fallstricken des Vertrags zu befreien, den er bei Universal unterschrieben hatte. Er hatte genug von Rollen, die ihn unterforderten, und wollte mehr Kontrolle. Das Studio gab ihn 1956 frei, danach drehte er seine besten Filme: den Hochseilthriller „Trapez“ mit Burt Lancaster und Gina Lollobrigida, das Reporterdrama „Dein Schicksal in meiner Hand“, den Historienschinken „Die Wikinger“ mit Kirk Douglas, schließlich Stanley Kubricks Rebellionsepos „Spartacus“. Für Stanley Kramers Ausbrecherfilm „Flucht in Ketten“, in dem er von Sidney Poitier nicht loskommt und sich dabei vom Rassisten zum Liberalen wandelt, wurde er 1958 für einen Oscar nominiert. Der Film war bahnbrechend, Hollywood demonstrierte seine Sympathie für die Bürgerrechtsbewegung. Doch in den TV-Talkshows, in denen Curtis auftrat, wurde, wie er in seinen Erinnerungen klagt, der schwarze Co-Star Poitier nicht einmal erwähnt.

Ab Mitte der sechziger Jahre begann der Stern von Curtis zu sinken, sein Auftritt als Widerpart von Roger Moore in der TV-Serie „Die Zwei“ (1971 bis 73) gehörte zu den letzten großen Erfolgen. In den achtziger Jahren war er „auf der Flucht vor mir selbst“ und geriet in die Kokain-Abhängigkeit. Später verwaltete er die eigene Legende, in Talkshows, Interviews, Büchern. Tony Curtis hat mehr als 140 Filme gedreht und war fünf Mal verheiratet. Seine erste Frau war Hollywoodstar Janet Leigh, seine zweite die deutsche Schauspielerin Christine Kaufmann. Jamie Lee Curtis ist seine Tochter. Die Memoiren enden optimistisch: „So weit, so gut. Klinge ich so, als würde ich für immer leben? Darauf könnt ihr Gift nehmen.“

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