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Günter Rössler starb im Alter von 86 Jahren.

© dpa

Aktfotograf Günter Rössler ist tot: Bei ihm leuchtete das Schwarz-Weiß

Mit seinen Bildern für die Zeitschriften "Das Magazin" und "Modische Maschen" stieg Günter Rössler zum berühmtesten Aktfotografen der DDR auf. Am Silvestertag ist der Mann, der die Frauen liebte, mit 86 Jahren gestorben. Ein Nachruf.

Mit 19 Jahren schien sein Leben zu Ende. Da sollte der Soldat Günter Rössler – an der Seite seiner vormaligen Mitschüler – einen von der Roten Armee besetzten Hügel zurückerobern. Am Ende war er der einzige der Gruppe, der im Granathagel überlebte – schwerverwundet.

Fortan hatte er einen nicht verhandelbaren Begriff von Schönheit: Schön ist die unverletzte Natur! Ein Mädchen etwa, das sich in eine Frau verwandelt. Die Stille eines Traums, den man nur erahnen, aber nicht wissen kann. Rössler wurde zum Fotografen, der die Zurückhaltung kultivierte. Nie auftrumpfend, misstraute er allen grellen Effekten. Dieser Poet der Kamera schien immer auf der Suche nach einem verlorenen Paradies. Er fand es im Bild der Frau.

Die DDR schien für einen wie Rössler zu eng. Der kämpferische Mensch, Helden des sozialistischen Aufbaus – dafür hatte er keine Bilder. Und doch war die DDR für ihn auch ein Glücksfall. Er fand Nischen, in denen er seinen Traum von Schönheit leben konnte. Die „Modischen Maschen“ oder auch „Das Magazin“, das lange Zeit als einzige Zeitschrift in der DDR überhaupt Aktfotos brachte. Wer in der DDR aufgewachsen ist, der bildete sich darum auch mit jenem Bild des schönen Körpers, das Günter Rösslers Ideal war. Eine Erotik der Übergänge, der geistvollen Anspielungen. Bei Rössler leuchtete das Schwarz-Weiß.

Der Mensch als ein Wunder der Natur – diese Sicht Rösslers hatte in der durchideologisierten DDR etwas Subversives. Im vergangenen Jahr erschienen mehrere Bücher mit seinen Arbeiten. „Starke Frauen im Osten: Fotografien 1964 bis 2009“ und Uta Kolanos „Kollektiv d’amour. Liebe, Sex und Partnerschaft in der DDR“ (beide im Jaron Verlag). Starke Frauen? Das klingt missverständlich. Denn die Frauen auf Rösslers Bildern sind, was sie sind. Die Harmonie des Augenblicks war weder erzwungen, noch erkauft. Sie war ein Geschenk. Ihre Poesie lag jenseits von Stärke und Schwäche. Das zeigt auch Fred R. Willitzkats Dokumentarfilm „Die Genialität des Augenblicks“, der vor wenigen Wochen ins Kino kam (und in Berlin noch im Babylon Mitte und im Krokodil läuft).

Rösslers Fotografien blieben Refugien, in denen Sehnsüchte wachsen konnten. Eine Bilderwelt aus Licht und Schatten, Pause vom Alltag. Rössler sprach selbst von „Andacht“. Denn dieser Fotograf stellte Frauen nie bloß, er bewunderte sie. Man merkt seinen Bildern immer die Hochachtung an. Am Silvestertag ist Günter Rössler im Alter von 86 Jahren gestorben. Mit ihm ist nach Roger Melis, Sibylle Bergemann und Arno Fischer ein weiterer der großen Fotografen abgetreten, die in der DDR-Provinz eine ganze Welt entdeckten.

Gunnar Decker

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