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Helmut Dietl bei der Lola-Gala 2014, er wurde mit dem Preis fürs Lebenswerk geehrt.

© dpa

Update

Regisseur von "Schtonk" und "Rossini": Zum Tod von Helmut Dietl

Der große Film- und TV-Regisseur Helmut Dietl ist tot. Der Erfinder von "Kir Royal", "Schtonk" und "Rossini" starb am Montag im Alter von 70 Jahren im engsten Familienkreis in seiner Münchner Wohnung.

Darf man so viele Superlative in einem Satz vereinen, ja, sogar Superlative, die sich nach neuerem deutschen Filmkomödienverständnis eher ausschließen? Man darf nicht nur, man muss. Also: Helmut Dietl hat dem deutschen Kino in seinem 70 Jahre währenden Leben zwar nicht viele, aber seine schärfsten, subtilsten, originellsten, gesellschaftlich relevantesten und zugleich massenwirksamsten Komödien geschenkt - große Filme, die ihren selber höchst unverwechselbaren Schöpfer überdauern.

Da sind seine, ja, mittlerweile historischen Fernsehserien, mit denen er sich als höchst exakter Beobachter des bajuwarischen Herzenhauptstadtlebens in die Welt der großen Geschichtenerzähler einführte: die „Münchner Geschichten“ (1974), „Monaco Franze“ (1983) und „Kir Royal“ (1986) mit Franz Xaver Kroetz als Klatschreporter Baby Schimmerlos. Da ist sein furioses Entrée in den Kino-Publikumsfilm mit „Schtonk“ (1992), der rasanten, unkaputtbar frischen Mediensatire auf das „Stern“-Debakel mit den gefälschten Hitler-Tagebüchern. Und da ist sein Meisterwerk „Rossini – oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief“, in dem er 1997 die Crème der deutschen Schauspielkünstler zu einer furiosen Ensemblearbeit in einem dem „Schumann’s“ nachempfundenen Münchner Schickeria-Restaurant zusammenführte: Das zeitlos gültige Porträt der Prominenten-Eitelkeiten und Celebrity-Katastrophen ist nahezu jede Sekunde zum Heulen komisch.

Helmut Dietls Karriere begann an den Münchner Kammerspielen

Den Weg ins Film- und Regiegeschäft lernte der am 22. Juni in Bad Wiessee geborene Dietl, der zunächst Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte studierte, von der Pike auf: als Aufnahmeleiter beim Fernsehen und als Regieassistent an den Münchner Kammerspielen. Bald aber drängte es den mit unverkennbar soignierten Manieren auftretenden und am liebsten ganz in Weiß gekleideten, insofern schon irgendwie überzeitlich Gestylten zur wirkungsmächtigen Auspinselung seines beruflichen Milieus, wobei der Blick vom Heiteren mit den Jahrzehnten ins Sarkastische, ja mitunter Misanthropische wechselte. Oder war das nur das andere Gesicht der Melancholie, die jeden herausragenden Spaßmacher auszeichnet?

„Zu Zeiten von Monaco Franze, da mochte ich die Menschen noch lieber“, sagte er einmal. Und übers Altwerden: „Man mag sich selbst immer weniger.“ Seine späten Filme litten denn auch unter wachsender Galligkeit: „Late Show“ (1999), „Vom Suchen und Finden der Liebe“ (2005), und vor allem sein letzter Film, die Polit-Farce "Zettl" mit Michael "Bully" Herbig (2012), eine so derb wie laut geratene Satire auf die Berliner Republik, die bei Presse und Publikum gleichermaßen fulminant durchfiel. Soll man diese ultimative Arbeit des selbsternannten Perfektionisten und sogar Pedanten, über deren Misserfolg sich der sensible Regisseur schwer grämte, sein Vermächtnis nennen? Nein, denn dieses Vermächtnis liest sich aus dem Gesamtwerk heraus, aus der Entschiedenheit, die Realität so radikal wie möglich in den Blick zu nehmen, so genau, dass sich das Publikum, vom Minister bis zum Ministranten, gerade im Zerrspiegel unleugbar selbst erkennt.

2014 hatte Helmut Dietl die Lola für sein Lebenswerk bekommen

Das schwungvolle, affärenreiche Privatleben eines so exponiert lebenden Mannes ist stets öffentlich - und so hat Helmut Dietl, der viermal verheiratet war, auch etwa die Beziehung zu Veronica Ferres, die das Neunziger-Jahrzehnt fast überdauerte, in „Vom Suchen und Finden der Liebe“ umfänglich verarbeitet. Seinen Schlaganfall von 2007 aber hielt Dietl bis zu einem „Zeit“-Interview sechs Jahre später geheim, und in eben jenem Gespräch erwähnte er erstmals seine Lungenkrebserkrankung. Vergangenes Jahr hatte die Branche ihn beim Deutschen Filmpreis mit der Lola in Gold für sein Lebenswerk geehrt, noch im November hatte er gesagt: "Das Karzinom ist kleiner geworden". Auch habe er vor dem Tod keine Angst, bloß vor dem Sterben. Nun trauert der Himmel über München - mit dem Rest der Filmwelt: Am Montag ist Helmut Dietl, dieser Riese unter den ordentlich nachgewachsenen Mittelgrößen des nationalen Kinokomödienwesens, in seiner Münchner Wohnung im engsten Familienkreis gestorben.

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