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Imran Qureshi knüllt Papierbögen zusammen, die er mit roter Farbe bespritzt und bemalt hat, so dass sich die Assoziation von rohem Fleisch einstellt.

© DAVIDS

Eröffnung der Deutsche Bank Kunsthalle: Die Farbe des Terrors

Blutige Welt: Die Kunsthalle der Deutschen Bank in Berlin öffnet am Donnerstag ihre Pforten und präsentiert zum Start eine Werkschau des pakistanischen Malers Imran Qureshi.

Der erste Streich ist anderthalb Wochen her. Da hatte die Deutsche Bank mit ihrer Aktion „Macht Kunst“ 2000 Profis und Hobby-Künstler angelockt, ihre Werke für eine 24-Stunden-Ausstellung zur Verfügung zu stellen. Als Werbung für die neue Kunsthalle war die Idee ein Clou. Fernsehen und Zeitungen berichteten über die langen Schlangen Unter den Linden. Jetzt also der zweite Streich: Am gestrigen Mittwochabend eröffnet die Kunsthalle offiziell mit einer Einzelausstellung des pakistanischen Künstlers Imran Qureshi. Nach 15-jähriger Partnerschaft mit dem New Yorker Guggenheim Museum macht die Deutsche Bank künftig alleine weiter. Aus der „Deutschen Guggenheim“ wird die „Deutsche Bank Kunsthalle“. Ob die Besucher wieder strömen, muss sich erweisen.

Zumindest setzt die Bank zum Neustart nicht gerade auf einen Besuchermagneten. Der 1972 geborene Qureshi ist hierzulande kaum bekannt, es ist sein erste Einzelausstellung in Europa. Aber der Zeitpunkt der Schau ist klug gewählt. Qureshi sitzt in den Startlöchern, die westliche Kunstwelt zu erobern. Im Mai wird er den Dachgarten vom Metropolitan Museum of Art in New York bespielen. Außerdem wird er im italienischen Pavillon der diesjährigen Venedig-Biennale vertreten sein. Die Deutsche Bank hat ihn zum „Künstler des Jahres“ gekürt, eine Auszeichnung, die bereits zu Zeiten des Joint Ventures mit dem Guggenheim Museum verliehen wurde. Empfohlen hatten den in Lahore lebenden Qureshi ein Gremium internationaler Kuratoren mit Udo Kittelmann, Direktor der Berliner Nationalgalerie, Okwui Enwezor, Direktor am Münchner Haus der Kunst, die Argentinierin Victoria Noorthoorn und der Chinese Hou Hanru. Ihre Wahl besticht: Qureshis Kunst erweist sich als fremd und ästhetisch zugleich. Er ist politisch, ohne anzuecken, seine Sprache universal. Und er ist ein Brückenbauer zwischen Orient und Okzident.

Verwinkelte Kabinette wurden für ihn Unter den Linden eingebaut. Wie wertvolle Schätze tauchen seine Miniaturmalereien leerer Häuser aus dem Dunkel hervor. Der Professor am National College of Arts in Lahore belebt die traditionelle Kunst seiner Heimat wieder und verfeinert sie. Die Papiere sind mit Blattgold verziert, die Striche präzise und zart. Unkontrolliert dagegen wirken die Farbtropfen, die er auf die Blätter spritzt. Sie sind rot, besudelt. Dieses Rot taucht in allen gezeigten Arbeiten auf. Berührend ist die Rauminstallation „And they still seed the traces of blood“. Ein Berg zusammengeknüllter Papierbögen türmt sich bis zur hohen Decke auf. Sie wirken wie blutverschmierte Tücher. Doch bei genauem Hinsehen entpuppt sich die Leichtigkeit dieser vermeintlich brutal wirkenden Arbeit. Die Blätter sind mit filigranen Blüten-Ornamenten bemalt, wie sie häufig beim Künstler auftauchen. Auch hier changiert Qureshis Werk zwischen Schönheit und Zerstörung. Aus Verletzungen wachsen Blumen.

Der Künstler schöpft aus seiner Lebenswirklichkeit in Pakistan, ein Land, das immer wieder vom Terror heimgesucht wird. Vor einigen Jahren hatte sich in Qureshis unmittelbarer Nachbarschaft ein Selbstmordattentäter auf einem belebten Marktplatz in die Luft gesprengt. Seitdem verwendet der Künstler die Farbe Rot. Es ist eine spezielle Farbe, sie besitzt tatsächlich die Eigenschaften von Blut. Mal ist sie leuchtend hell, dann wieder intensiv dunkel, je nachdem, wie viel Qureshi auf die Leinwand rinnen und tropfen lässt. Und natürlich hat er recht, wenn er sagt, seine Kunst passt nicht nur zu Pakistan. Sondern in die ganze Welt.

Das passt auch für einen Neuanfang der Kunsthalle. Bankvorstand Stefan Krause kündigte bei der gestrigen Eröffnung an, künftig den Fokus noch mehr auf internationale Künstler und globalisierte Phänomene zu lenken. Dabei setzt man auf Zusammenarbeit mit etablierten Kunstinstitutionen – auch mit dem langjährigen Partner Guggenheim. Gleich eine ganze Ausstellungsserie mit der Tate Modern in London ist für 2014 geplant, Künstler aus Afrika, Asien und dem Nahen Osten sollen in Berlin vorgestellt werden.

„Es wird ein Prolog auf das Humboldt-Forum“, kündigte der Leiter der Kunstabteilung der Deutschen Bank, Friedhelm Hütte, an. Dort werden die Staatlichen Museen ebenfalls versuchen, ihre außereuropäischen Sammlungen nicht aus eurozentristischer Perspektive zu präsentieren. Auf diese Weise präsentiert sich die Deutsche Bank Kunsthalle also unbefangen als Mitspieler in der Berliner Kunstlandschaft. Zugleich gibt es die Bestrebung, auch lokaler zu werden. Weitere Kooperationen stehen fest: Während der Art Week im September gibt es eine Malerei-Schau zusammen mit der Berlinischen Galerie. Der Künstler Otto Piene wird 2014 in einer Doppelschau der Kunsthalle und der Neuen Nationalgalerie geehrt. Und jene Bilder, die in der ersten Runde zur „Macht Kunst“-Aktion nicht mehr ins 350 Quadratmeter große Ausstellungshaus passten, werden ab 28. April in der Alten Münze gezeigt – wieder für 24 Stunden. Eine Neuauflage ist für 2015 geplant. Die hauseigene Sammlung soll ebenfalls immer wieder in Berlin gezeigt werden, ausgewählt von unabhängigen Kuratoren.

Kulturstaatssekretär André Schmitz machte keinen Hehl daraus, wie sehr ihn das privatwirtschaftliche Engagement freut. Nur der Name „Kunsthalle“ habe ihm zunächst einen Schrecken eingejagt. Kein Wunder, rührt er doch an alte Wunden. Vergeblich hatten sich Schmitz und Klaus Wowereit um eine Kunsthalle für Zeitgenössisches aus Berlin bemüht. Selbstbewusst will die Deutsche Bank dort Lücken schließen, wo die Politik aufgegeben hat. Und auch wenn sie im Zusammenschluss mit lokalen Institutionen tiefer in die Berliner Kunstlandschaft wurzeln wird, ein Ersatz für eine kommunale Kunsthalle ist sie nicht.

Deutsche Bank Kunsthalle, Unter den Linden 13/15, bis 4.8., Katalog 39,80 €.

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