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Politik ist ein einziges Drama - aber sie braucht keinen Eingriff von außen. Stefan Raab würde ihr mit seiner Talk-Show die Bedeutung und Ernsthaftigkeit nehmen.

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Gastbeitrag zur Sendung "Absolute Mehrheit": Raab als Moderator? Eine Kateridee!

Politik kann zur Komödie werden, aber dafür braucht es keine Clowns von außen, sagt Publizistin Sibylle Krause-Burger. Im Gastbeitrag verrät sie, warum Politik dennoch keine Comedy ist und Stefan Raab ihr die Bedeutung nimmt.

Das hat uns gerade noch gefehlt: Stefan Raab als Moderator im Duell zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück. Was für eine Kateridee! Wie bei dem überall im Fernsehen bewusst inszenierten Niveauverlust führen die Verantwortlichen auch hier an, man müsse die Leute, die jungen vorweg, dort abholen, wo sie sind. Und da buttert man das Billige also noch rein, statt mit Einfallsreichtum abzuhelfen.

Das heißt aber noch lange nicht, dass wirklich goutiert wird, was zu besten Sendezeiten, auch bei den Öffentlich-Rechtlichen, über die Mattscheibe läuft. Oft ist der moderne Arbeitsmensch doch nur zu müde, um abzuschalten. Und schon gar nicht ist zu erwarten, dass sich die unpolitische Jugend schlagartig für Politik begeistert, nur weil ein Kasper neben Kanzlerin und Kandidat auf dem Bildschirm erscheint.

Inzwischen bestätigen Umfragen dieses Skepsis. Eine Mehrheit, auch der Jungen, lehnt den Plan ab. Da ist es schon bezeichnend für das Niveau der Spitzenkandidaten, dass sie den Gedanken immerhin erwogen und bis jetzt nicht verworfen haben. Die Botschaft ist klar. Sie lautet: He, Leute, kommt her, macht mit, wir sind lustig, und die Politik ist auch nicht so kompliziert, wie ihr bisher geglaubt habt. Hier herrscht nicht der Ernst des Lebens, hier ist der große Comedian Stefan Raab mit von der Partie, hier ist Comedy.

Nun will ich gar nicht bestreiten, dass Politik bisweilen zur Komödie wird. Aber das ist etwas ganz anderes als Comedy. Das Komödienhafte in der Politik, viel öfter aber noch das Tragödienhafte, liegt in ihr selbst begründet. Shakespeare hat ihr Wesen in die genialsten Theaterstücke gegossen. Politik ist Drama pur, ist aufregend, ist hochspannend, ist jeden Tag neu, ist Liebe und Hass, ist Himmel und Hölle, ist Teufel und Tod: Möllemann, der sich aus den Wolken stürzt. Wulff, den die Leidenschaft ins Verderben stößt. Guttenberg, ein Kaiser ohne Kleider. Schäuble, ein schwer Verletzter, dem Kohl die Kanzlerschaft nicht gönnte und der jetzt doch auf seine Weise in Europa regiert. Über allem Angela Merkel, eine Frau in ihrem Panzer aus den immer gleichen Worten und vorsichtigen, aber machtbewussten Taten. Eine Eiserne.

Die Publizistin Sibylle Krause-Burger über Stefan Raab als Moderator beim Merkel-Steinbrück-Duell: "Was für eine Kateridee!"
Die Publizistin Sibylle Krause-Burger über Stefan Raab als Moderator beim Merkel-Steinbrück-Duell: "Was für eine Kateridee!"

© picture-alliance/ dpa

Und dann: Schröders Geniestreich, die Agenda 2010, die ihn und seine Partei von der Macht vertrieb, der Republik aber den wirtschaftlichen Aufschwung verschaffte. Oder: die Energiewende, ein Piratenakt der Kanzlerin, um die Grünen ihres Themas zu berauben. Und schließlich Stuttgart 21. Mehr Komödie, mehr Tragödie gibt es nicht. Und niemals weiß man in der Politik, wie es ausgeht. Darin gleicht sie dem Fußball.

Doch anders als beim Sport spielen wir, die wir in einer Demokratie leben, in diesem Stück alle mit. Da braucht es nun wahrlich keinen Clown von außen, um dieses Riesentheater noch lebendiger und aufregender zu gestalten, als es ohnedies ist. Ganz im Gegenteil. Stefan Raab als Moderator wie überhaupt die ganze Verramschung der Politik in den Talkshows, mit immer denselben Leuten und ihren ausgelutschten Tiraden, nehmen der Sache ihre wahre Bedeutung und ihren Ernst.

Man muss es der gescheiten Kanzlerin übel nehmen, dass sie sich auf diesen populistischen Quatsch eingelassen hat. Lieber sollte sie, so sie es kann, ab und an aus ihrem Panzer aussteigen, ihre Vorhaben erklären, ihre Politik nach außen lebendiger werden lassen. Und Peer Steinbrück? Er hat abermals eine Chance vertan, als er einknickte, nachdem er vernünftigerweise zuerst Nein gesagt hatte. Wäre er dabei geblieben, er hätte sich positiv und verantwortungsvoll von seiner Gegnerin abheben können. So aber, indem er seine Verweigerung aufgab, steht er nicht nur als wankelmütig da. Er hat sich auch zu einer durchsichtigen Camouflage hergegeben, statt zu sagen, es sei Komödie genug, was er erlebt und erleidet und dass es keines Raab bedürfe, um den Wettstreit aufzulockern. In der Tat. Er selbst und die Kanzlerin, zwei wehrfähige Turnierkämpfer – das ist doch die Show.

Die Autorin ist Publizistin und lebt in Stuttgart.

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