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Markus Lanz und Thomas Gottschalk

© dpa

Aus bei Wetten, dass..?: Mit Markus Lanz ist Schluss

Kurz und knapp verkündete Markus Lanz das Ende von „Wetten, dass..?“. Nach 33 Jahren wird die Show wegen schlechter Quoten im Dezember abgesetzt. Familienfernsehen hat es schwer am Samstagabend.

Kurz vor 23 Uhr wurde es am Samstag eine historische Ausgabe von „Wetten, dass..?“, da war dem Zuschauer plötzlich klar, dass er gerade die viertletzte Sendung gesehen hatte. Markus Lanz sagte nur den einen Satz: „Wir gehen jetzt in die Sommerpause und sehen uns am 4. Oktober wieder mit den letzten drei Ausgaben von „Wetten, dass..?.“

Kein Bedauern, keine großen Emotionen, Lanz macht Schluss, das ZDF stellt die Show ein. Am 13. Dezember sind 33 Jahre Fernsehgeschichte vorbei.

Wie wurde das Aus der Sendung begründet?

Fast parallel zu Lanz’ Ankündigung verschickte das ZDF eine Pressemitteilung. Sender und Showmaster haben das Ende von „Wetten, das..?“ nach 215 Ausgaben und fast 34 Jahren auf dem Bildschirm „gemeinsam entschieden“, ließ sich Programmdirektor Norbert Himmler zitieren. In den letzten Jahren habe sich im Showbereich sehr viel verändert, das treffe alle Sender und Unterhaltungsprogramme, besonders hart aber „Wetten, dass..?“. „Der Rückgang der Zuschauerzahlen zeigt, dass sich die Sehgewohnheiten verändert haben und das Format an Anziehungskraft verloren hat.“

Markus Lanz hatte die Show von Thomas Gottschalk im Oktober 2012 übernommen. Der 45-jährige Südtiroler, von Hause aus Talker und dabei erfolgreich mit seinem ZDF-Format „Markus Lanz“, startete bei seiner Premiere mit 13,62 Millionen Zuschauern, danach ging die Quote runter bis zum Allzeittief mit 5,85 Millionen. Sein 13. Auftritt am Samstag verzeichnete mit einer Million mehr eine leichte Besserung – aber nicht genug, um einen Rücktritt vom Rücktritt auszulösen. Norbert Himmler sagte auch, warum nicht: „Der Aufwand einer so großen Show steht nicht mehr im Verhältnis zur Zuschauer-Resonanz.“ Jede Ausgabe kostet den öffentlich-rechtlichen Sender rund 2,5 Millionen Euro, dafür kann die ARD zwei „Tatorte“ mit deutlich höherer Resonanz produzieren. „Wetten, dass..?“ hatte Produktionsbedingungen, von denen Shows bei privaten Sendern nicht mal träumen können. Allein für jede Wette wird ein eigenes Bühnenbild erstellt, hunderte Mitarbeiter bauen die großen Bühnen auf, betreuen die Stars, die Technik und das Drumherum.

Wer hat Schuld?

Erstaunlich an Himmlers Begründung ist, dass das Aus für „Wetten, dass..?“ wie eine Naturkatastrophe hingestellt wird, gegen die die Fernsehmacher machtlos waren. Hat sich halt viel geändert. Ach. Und warum sollte das ausgerechnet „Wetten, dass..?“ am härtesten treffen? Vielleicht dann doch, weil seit Jahren sehr viele Menschen sehr viele Fehler gemacht haben? Zum Beispiel Norbert Himmler, sein Unterhaltungschef Oliver Fuchs, die Redaktion?

Die alle dem Moderator einredeten, es sei eine Bombenidee, Hollywood-Star Tom Hanks eine Katzenmütze aufzusetzen und seinen Kollegen Gerard Butler zu animieren, sich Eiswürfel vorne in die Hose zu schütten? Weil Lanz eine Fehlbesetzung ist? Der aus seinem Talkstudio auf die große Showbühne geschubst wurde, dort wuselte, ackerte, gackerte – und in seiner gehetzten und aufgesetzten Art stets den Vergleich mit seinem Vorgänger Thomas Gottschalk provozierte. Bei aller Lustlosigkeit, die auch Gottschalk in seiner Spätphase verströmte, war er doch der kongeniale Link zwischen Show und Showmaster. Ein weltgewandter Großmeister des Unterhaltungsgewerbes, der blond gelockt und frech kostümiert den Zirkusdirektor gab. Dann kam Lanz mit Seitenscheitel, Anzug, mehr ein bemühter Ich-will-jetzt-alles-richtig-machen-Verwalter.

ZDF-intern wird vor allem der Sturz und die Verletzung des Wettkandidaten Samuel Koch 2010 als Wendepunkt der Sendungsgeschichte gesehen. Danach beschloss Thomas Gottschalk seinen Ausstieg und der Redaktion waren spektakuläre Wetten kaum noch möglich, fuhr doch nun immer die Angst mit, es könne noch einmal etwas passieren.

Wie sind die Reaktionen auf das angekündigte Aus?

Es ging keine Woge des Bedauerns durchs Land, zu sehr waren Moderator und Show in die Kritik geraten, zu deutlich hatte das Publikum der Sendung den Rücken gekehrt. Betroffen zeigte sich nur der Erfinder und erste Moderator von „Europas größter Fernsehshow“, wie das ZDF früher jubelte. Frank Elstner also sprach: „Das geht an die Nieren. Alles andere wäre gelogen.“ Erstaunt reagierte Thomas Gottschalk, der 151 Ausgaben des Showklassikers moderiert hatte: „Dann hätte ich das Ding auch gleich selbst ab die Wand fahren können“, sagte er Spiegel Online. Schärfer konnte die Kritik am Nachfolger kaum ausfallen.

Inzwischen ist der Samstag der Wochentag mit der schwächsten Fernsehnutzung

Wie haben sich die Sehgewohnheiten der Deutschen entwickelt?

Die haben sich allerdings stark verändert. Noch im 20. Jahrhundert war der Samstagabend Fernsehabend. „Einer wird gewinnen“ (EWG) mit Hans-Joachim Kulenkampff oder „Am laufenden Band“ mit Rudi Carrell und seit 1981 eben „Wetten, dass..?“ – das waren Sogmomente, Gesellschaftsereignisse, Gesprächsthemen der breiten Bevölkerung. Tempi passati. Heute ist der Samstag der Wochentag mit der schwächsten Fernsehnutzung in Deutschland. Parallel ist das Angebot an Sendern und Programmen geradezu explodiert. Kaum noch eine Neigung, die nicht über die x-fachen Spartenkanäle befriedigt werden kann. Schon boomen die Streaming-Dienste, die jetzt und gleich und jederzeit alle Interessen abdecken. Das Bewegtbild ist mobil geworden, die (jungen) Nutzer auch. Und Youtube ist für sie unterhaltsamer als alle „Wetten, dass..?“, Castingshows und Comedys zusammen.

Gibt es überhaupt noch erfolgreiche Samstagabendformate?

Jein – was die Showunterhaltung angeht. Stefan Raab reüssiert mit dem Gladiatoren-Format „Schlag den Raab“ in der jungen Zielgruppe, dort sind auch Joko & Klaas mit ihrer „Reise um die Welt“ (beides ProSieben) angekommen. RTL holt sich mit der elften Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“ gerade noch so viele Zuschauer, wie RTL haben möchte. Die ARD versucht es mal mit Shows wie einer aufgewärmten „EWG“-Version, mal mit Film, nur das ZDF hat offenbar den Schlüssel zum steten Erfolg gefunden. Die Krimireihen, altbewährt wie „Wilsberg“ oder neu im Rennen wie „Helen Dorn“, reüssieren. Das macht den Abschied von „Wetten, das..?“ leichter.

Ist die Zeit des Familienfernsehens damit generell vorbei?

Am Sonntag lodert das neue letzte Lagerfeuer der Fernsehnation: der „Tatort“. Der ARD-Krimi sammelt Zuschauer aus allen Schichten und Generationen ein. Live-Sport schafft das auch. Olympia bei deutschen Medaillenchancen und jedes EM- und WM-Fußballturnier auf jeden Fall. Dahinter wird es dünn, respektive zerfällt das Fernsehpublikum sofort in Teilpublika.

Wie wird die Situation in anderen Ländern gehandhabt?

Das Verhalten der deutschen Zuschauer weicht im Vergleich mit den ähnlich ausdifferenzierten Fernsehnationen nicht ab. In den USA müssen sich die Free-TV-Sender ABC, CBS und NBC heftig gegen den Pay-TV-Seriensender HBO behaupten und alle zusammen gegen die grassierende Streaming-Plattform Netflix („House of Cards“). Die Vervielfachung der Angebote plus die Potenzierung der Ausspielwege führen global zur Fragmentierung der Nutzergruppen. Auch deswegen weiß die britische BBC nicht aus nicht ein vor Glück, dass das halbe Königreich „The Great British Bake off“ einschaltet. Im Herbst läuft beim ZDF die deutsche Übersetzung: „Deutschlands bester Bäcker“. Ein Fall für Markus Lanz? Der soll beim ZDF ja wieder glücklich werden.

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