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Piraten: Die offene Flanke heißt Wirtschaftspolitik

Mit Vorschlägen im wirtschaftlichen Bereich sind die Piraten bisher nicht aufgefallen. Für was stehen Sie auf dem Gebiet der Ökonomie?

Es wird wohl dabei bleiben, das ist auch Robert Stein klar: „Machen wir uns nichts vor: Realistisch gesehen wählen wir in Neumünster einen neuen Vorstand. Sonst nichts.“ Dass nach dem Bundesparteitag der Piratenpartei, der am heutigen Samstag in Neumünster beginnt, wichtige Lücken im Programm der jungen Partei geschlossen sein werden, glaubt Stein, einer der beiden Koordinatoren der bundesweiten „AG Wirtschaft“ der Piraten, nicht. Zu zeitaufwendig war bereits in der Vergangenheit das sogenannte „Kandidatengrillen“ bei den Frühjahrsparteitagen, bei denen ein neuer Vorstand gewählt wird. Die Vorschläge der AG für ein umfassendes Wirtschaftsprogramm – sie werden da wohl einmal mehr ungehört verhallen.

Damit bliebe es bei einer Situation, die die Piraten in den letzten Monaten nur zu schmerzlich kennengelernt haben: Die Wirtschaftspolitik ist eine der offenen Flanken der Partei, auf die Medien und politische Gegner nur zu gern zielen. Bisher findet sich in ihrem Grundsatzprogramm kein Kapitel zur Wirtschaftspolitik. Positionen zum bedingungslosen Grundeinkommen oder zum Urheberrecht streifen die Thematik nur am Rande. Fragen zur Griechenlandhilfe, zu Maßgaben in der Steuerpolitik, zu Konzepten für die Wirtschaftsförderung bleiben unbeantwortet.

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Dabei scheinen die Piraten kein wirtschafts- oder gar unternehmerfeindliches Milieu zu sein: Mit Pavel Mayer und Andreas Baum zogen gleich zwei ehemalige IT-Unternehmer im Herbst ins Berliner Abgeordnetenhaus ein. Der Anteil der Selbstständigen in der Partei gilt allgemein als hoch. Auch Robert Stein ist neben seiner Parteitätigkeit Unternehmer in der Gesundheitsbranche. Als Pirat möchte sich Stein für eine „soziale, ökologische und wettbewerbsorientierte Marktwirtschaft“ einsetzen. So steht es in den sieben Seiten zur Wirtschaftsprogrammatik, die die AG Wirtschaft auf dem anstehenden Parteitag, wenn es irgend geht, in das Bundesprogramm der Partei einbringen möchte. Aus den neun Modulen des Antrags ist zumindest rudimentär herauszulesen, wie eine „piratige“ Wirtschaftspolitik aussehen könnte. So will man etwa für Banken strengere Eigenkapitalvorschriften – für den Insolvenzfall soll jede Bank einen „vollständigen und auch für die Finanzaufsicht verständlichen Entflechtungsplan“ stetig vorliegen haben. Wirtschaftssubventionen möchte man am liebsten ganz abschaffen. „Es gibt keinen Grund, Unternehmen am Markt zu halten, die keinen Erfolg haben.“ Geht es nach Stein, könnten die Piraten in zukünftigen Koalitionen durchaus der Partner sein, an dem eine Firmenrettung scheitert: Die Beispiele Holzmann und Nokia hätten gezeigt, wie wenig staatliche Förderung nachhaltig bewirken könne.

Existenzsicherung mit dem Freiheitsgedanken zu verbinden – das scheint damit am ehesten Ziel der noch lückenhaftenWirtschaftspolitik der Partei zu sein –, wenn man sich denn überhaupt mit diesen Themen beschäftigt. Ein Antrag, die Forderung nach einer Reichensteuer im Programm zu verankern, scheiterte beim letzten Bundesparteitag krachend – kurz nachdem das bedingungslose Grundeinkommen knapp durchgewunken worden war. „Zwischen Marx und Erhard“ verortete das „Handelsblatt“ die Wirtschaftsprogrammatik, die die NRW-Piraten vor zwei Wochen auf ihrem Landesparteitag verabschiedeten und die wesentlich von Robert Stein und den Positionen seiner AG Wirtschaft beeinflusst ist.

Solange sich die Piraten als Partei nicht endgültig positioniert haben, wird es indes weiter kritische Stimmen geben. „Die Piraten vermitteln den Eindruck, sie verträten die Interessen junger Leute – aber dazu gehört auch Wirtschafts- und Sozialpolitik“, mahnt Kerstin Andreae, wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. „Längerfristig müssen Antworten kommen, wenn die Piraten nicht programmatisch beliebig bleiben wollen“, sekundiert Sahra Wagenknecht von den Linken. Wie wenig sich die junge Partei dabei bisher ins Schwarzbrot harter Argumentationen verbissen hat, merkt, wer Robert Stein, der staatliche Schutzmechanismen abbauen und die deutsche Wirtschaft sich allein durch Innovationsvorsprung auf einem globalen Markt behaupten lassen will, auf das Problem der Produktpiraterie anspricht: Da verweist der Wirtschaftspirat auf andere Piraten. Nämlich die, die sich mit dem Thema Urheberrecht befassen.

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