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„Die Luft ist raus“, meint Willi Diez über den zuletzt schwachen Absatz von VW in den USA.

© promo

Detroit Auto Show: „Opel sollte das H & M der Autoindustrie sein“

Der Automarktexperte Willi Diez über den Wettlauf von VW und Toyota, China und die USA sowie mögliche Fusionen und Pleiten in der PS-Branche.

Herr Diez, heute beginnt in Detroit eine der wichtigsten Automessen des Jahres. Gibt es einen Trend, über den die Branche spricht?

Die Aufholjagd auf dem US-Markt nach der Finanzkrise ist beendet, die Party ist schon wieder vorbei. Das wird das beherrschende Thema in Detroit sein.

Wie bitte? Der deutsche Autoverband spricht von „großer Zuversicht“ und erwartet 2014 Zuwächse.

Der US-Markt wird wachsen. Aber mit rund 16 Millionen verkauften Neuwagen wird er 2014 dort sein, wo er vor der Krise war. Nach einem kräftigen Wachstum von sieben Prozent 2013 geht es nun wieder langsamer voran – vielleicht um drei Prozent. Das Geschäft wird härter.

Das hat vor allem Volkswagen schon zu spüren bekommen. Das US-Geschäft ist zuletzt um fast ein Viertel eingebrochen.

Überrascht hat mich das Ausmaß, nicht so sehr die Tendenz. Volkswagen war mit seinem sehr aggressiven Marketing und Kampfpreisen in den USA erfolgreich unterwegs – solange Toyota mit Rückrufaktionen beschäftigt war. Jetzt scheint dem Konzern die Luft auszugehen. Niedrige Preise allein reichen nicht. In den USA ist Volkswagen im Gegensatz zu Europa und China eine Marke unter vielen mit einem Marktanteil von rund 2,5 Prozent. Sie bräuchten acht oder mehr Prozent.

Stößt der Zwölf-Marken-Konzern schon an die Grenzen des Wachstums?

Nach der beeindruckenden Rallye wird der Druck auf Volkswagen wachsen. Es war ja auch klar, dass die Zuwachsraten flacher werden. Hinzu kommt, dass der Wettbewerb nicht schläft.

Im Premiumsegment baut BMW den Vorsprung aus, Mercedes holt auf – und die Volkswagen-Marke Audi verliert.

Audi wächst mit den Märkten weiter. Aber um die Nummer 1 zu werden, muss die Marke wieder mehr modellpolitische Impulse setzen. Dabei geht es auch um einen neue Design-Philosophie. Die 2004 eingeführte Kühlergrill-Optik, der Singleframe, war ein großer Wurf. Jetzt muss man die nächste Stufe zünden.

VW will bis 2018 größter Autokonzern der Welt werden. Ist das Ziel in Gefahr?

Ich halte solche Ziele, wenn sie sich auf die reinen Stückzahlen beziehen, für wenig sinnvoll. Automobilindustrie ist nicht Bundesliga – entscheidend sind nicht die Stückzahlen, sondern die Profitabilität und die Zufriedenheit der Kunden. Bis 2018 ist noch viel Zeit. Aber es ist klar, dass sich VW nicht allein auf den chinesischen Markt verlassen kann, der den Konzern in den vergangenen Jahren massiv nach oben gezogen hat. Auch in China wird der Wettbewerb härter.

Ein Wort zum deutschen Markt. Auch hier wird auf eine Zahl geschaut: drei Millionen Neuzulassungen im Jahr. 2013 waren es weniger, wie wird 2014?

Ich schätze, dass im laufenden Jahr etwa 3,05 Millionen Neuwagen in Deutschland zugelassen werden. Die Rahmenbedingungen sind gut, das Konsumklima stimmt. Dennoch: Der deutsche Markt ist gesättigt. Es werden mal mehr, mal weniger als drei Millionen Neuwagen sein. Das hängt auch mit der demografischen Entwicklung zusammen. Es wachsen weniger Käufer nach, und die Älteren nutzen das Auto weniger.

Als neuer globaler Autokonzern stellt sich Fiat nach der Komplettübernahme von Chrysler auf. Ein ernst zu nehmender Konkurrent für VW, GM und Toyota?

Ich stelle mir die grundsätzliche Frage, ob dieses Modell überhaupt erfolgreich sein kann. Chrysler läuft besser als Fiat, ist aber auch keine wirkliche Perle in der Automobilindustrie. Die operative Gewinnmarge liegt nur bei knapp fünf Prozent. Chrysler ist mit dem US-Automarkt gewachsen. Sowohl bei Chrysler als auch bei Fiat muss in den nächsten Jahren massiv in neue Modelle investiert werden. Angesichts der Verluste bei Fiat wird das sehr schwierig werden.

Sonst geht es aus wie Daimler-Chrysler?

Schlimmer noch: Möglicherweise gerät das ganze Unternehmen in eine Existenzkrise.

Das Bündnis zwischen GM und Peugeot- Citroen hat nicht funktioniert, GM hat seine PSA-Anteile verkauft. Gleichzeitig zieht sich Chevrolet aus Europa zurück. Sind das gute Nachrichten für Opel?

GM hat in letzter Zeit viel für Opel getan. Das muss man nach all der Kritik an der US-Mutter auch einmal sagen. Nun braucht Opel Zeit, um auf die Beine zu kommen – nicht nur in West-Europa, sonder auch im Osten. Die Produkte sind besser als das Image. Opel hat eine Chance – wenn die Preise deutlich niedriger als die von VW bleiben und wenn das Design stimmt. Opel sollte das H & M der Autoindustrie sein – cheap and chic.

Die neue GM-Chefin Mary Barra ist die erste Frau an der Spitze eines großen Autokonzerns. Beeindruckt das die Car Guys?

Es zeigt eine Aufbruchstimmung und die Bereitschaft, etwas Neues zu wagen. Man hatte ja damit gerechnet, dass bei GM wieder so ein grauhaariger, Golf spielender Amerikaner nachrückt. Stattdessen ist es eine relativ junge Frau, die etwas von Autos versteht und die ein Feeling für Produkte mitbringt. Das macht Hoffnung und ist ein Zeichen für die Branche: Macht mal etwas anderes.

Eine KPMG-Studie sagt voraus, dass nur sechs von 32 Autoherstellern selbstständig bleiben werden. Beginnt die Zeit der Zusammenschlüsse und Zusammenbrüche?

Ferdinand Piëch hat schon vor vielen Jahren prognostiziert, dass langfristig nur sechs Automobilhersteller überleben. Unterdessen sind aber viele neue Namen mit einem globalen Anspruch aufgetaucht, vor allem aus China. Doch diese Blüte endet nun. Die enormen Investitionen in alternative Antriebe bei einem limitierten Marktwachstum machen Kooperationen und Übernahmen nötig. Etwas zugespitzt könnte man sagen: Das Endspiel hat begonnen.

Dabei bekommt man den Eindruck, dass sich in der Autoindustrie technologische und organisatorische Revolutionen nur langsam durchsetzen.

Die Automobilindustrie hat eine andere innere Uhr und ihre Produkte haben eine besondere Wertigkeit. Ich habe zum Beispiel kein Problem damit, alle zwei Jahre ein neues Mobiltelefon zu kaufen. Aber alle zwei Jahre ein neues, noch innovativeres Auto? Die Nachfrage ist nicht so schnell wieder da. Das führt auch dazu, dass nicht die innovativsten Autohersteller langfristig überleben, sondern die, die die Gratwanderung zwischen Innovation und Beharrung schaffen.

Ein großes Thema ist derzeit die Aufrüstung des Autos mit Assistenzsystemen, Infotainment und Kommunikationstechnologie. Ist die Zahlungsbereitschaft der Kunden hier größer – verglichen mit neuen Antrieben wie Elektromotoren?

Ja. Es setzt sich schneller durch, weil der Kunde schneller den praktischen Nutzen sieht. Ob ich in meinem Auto mit Benzin oder Strom fahre, macht so unmittelbar keinen Unterschied. Außerdem können die elektronischen Helfer und Spaßmacher schrittweise integriert werden. Das ist bei Elektromotoren nicht möglich.

Toyota bringt das erste Serienauto mit Brennstoffzelle auf den US-Markt. Daimler arbeiten seit Jahrzehnten an der Technik. Warum schaffen es die Deutschen nicht, die Ersten zu sein?

Toyota ist ein umsetzungsstarkes Unternehmen, das nicht nur ankündigt, sondern auch liefert. Das Beispiel Vollhybrid hat das gezeigt.

Auch auf deutsche Elektroautos musste man lange warten.

Das war vielleicht auch gut so. Denn nur die ausgereifte Technologie setzt sich am Markt durch. Hier setzt BMW mit seinen originären Elektromodellen i3 und i8 Maßstäbe. BMW ist der umsetzungsstärkste deutsche Autohersteller.

Werden sich die Investitionen auszahlen?

Ich glaube, BMW geht ein kalkuliertes Risiko ein. Der i3 allein wird sich wahrscheinlich nicht rechnen. Aber BMW lernt mehr als andere über das Thema Elektromobilität und kann dieses Wissen in seine Modellpalette einfließen lassen.

Macht die Politik zu wenig Druck?

Was wir bei dem Thema Elektromobilität brauchen, ist eine Initialzündung, damit der Markt in Schwung kommt. Die Mehrfachanrechnung von Elektroautos im Rahmen der neuen C02-Richtlinie der EU ist deshalb eine gute Idee. Sie zwingt die Hersteller dazu, E-Autos nicht nur anzubieten, sondern auch wirklich zu verkaufen. Ich bin heute optimistischer für die Elektromobilität als vor einem Jahr.

Sie fahren privat einen Porsche 911. Satteln Sie um, wenn der BMW-Elektrosportwagen i8 Ende 2014 auf den Markt kommt.

Der i8 hat einen hohen Verführungsfaktor für einen Menschen wie mich, der gerne sportlich unterwegs ist. Ich fahre auch gerne Elektroauto. Aber von meinem 911er mag ich mich nicht trennen.

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