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Praktische Mischung. Solche Cross-Räder bringen Scheibenbremsen und den Rennlenker in einem Rad zusammen.

© pd-f

Rennradlenker: Das Comeback des Bügels

Der klassische Rennradlenker feiert eine Renaissance abseits der Radrennen - Jetzt auch bei Tourenfahrern.

Wir kennen alle die Bilder aus den Nachrichten, wenn sich bei der Tour de France oder anderen großen Radrennen auf dem letzten Kilometer vor dem Ziel der Tross der Sprinter aus den Sätteln erhebt und sich üppig muskelbepackte Oberschenkel mit voller Wucht in die Pedale stemmen. Dann umgreifen die gut trainierten Männer mit nicht minder voller Kraft ihre Rennradlenker, ducken sich so tief es geht nach unten und strampeln der Ziellinie entgegen. Der Anblick ist geballte Dynamik, bereitet aber selbst geneigten Betrachtern schon beim Zusehen Schmerzen im Rückenbereich. Reichlich ungesund sieht das aus, wie die Athleten da fahren. Für einen untrainierten Freizeitsportler eher keine Option.

Ungeachtet solcher Bedenken fährt der klassische Rennlenker, der im Radsport bis heute weltweit Vorschrift ist, seit einigen Jahren auch bei Normalo-Radlern auf der Überholspur. In Zeiten, in denen das Rad, zumindest in Großstädten, nicht nur Fortbewegungsmittel, sondern auch Lifestyle-Objekt geworden ist, findet diese Form immer mehr Anhänger. Gunnar Fehlau vom Pressedienst Fahrrad erklärt, warum: "Zunächst sind es die praktischen Aspekte, warum er so beliebt ist. Auf längeren Touren erlaubt die Form eine abwechselnde Körperhaltung." Dadurch würden Muskelgruppen entlastet und so könnte man länger im Sattel bleiben. "Der Rennlenker bietet gerade auf der Langstrecke unschlagbare Vorteile: Wechselnde Griffpositionen beugen Ermüdung vor, die aerodynamische Unterlenkerhaltung erlaubt das sprichwörtliche Kilometerfressen", erklärt Stefan Stiener vom Hersteller Velotraum die Vorteile. Daher haben auch Sportler stets auf diese Form gesetzt. Schon die frühen Radrennen, wie etwa der Klassiker Paris-Roubaix oder die ersten Rennen der Tour de France wurden mit dem Rennlenker gefahren.

Renaissance entstand in der Fixie-Szene

Für die meist urban orientierten Radfahrer sind diese Argumente allerdings eher nachrangig. Da zählt vielmehr das Aussehen. "Nach meiner Schätzung sind für mindestens 60 bis 70 Prozent der Radfahrer, die in der Stadt mit Rennlenker unterwegs sind, stilistische Gründe entscheidend", sagt Radexperte Fehlau. Die nach vorne gebeugte Haltung und der Rennlenker wirken einfach dynamisch, weshalb gerade jüngere Fahrer die Bügellenker, wie sie auch genannt werden, bevorzugen. Die Renaissance des Rennlenkers in den letzten Jahren hat denn auch im Bereich der sportlichen Fixies seinen Ursprung. In den Anfängen war die Fixie-Bewegung fast völlig kommerzfrei. Junge Leute holten die Räder der Eltern aus den verstaubten Kellern und brachten diese auf Vordermann. Die konventionelle, robuste Bauweise wurde geschätzt, die Technik weniger. Kettenschaltungen, Dynamo-Leuchten und andere Anbauteile wurden abmontiert. Was blieb, war der Rahmen und eine Ein-Gang-Übersetzung an der Hinterradnabe.

Aus diesem lifestyleorientierten Segment des Fahrradmarktes schwappte die Welle in den letzten ein bis zwei Jahren auf den Bereich der Tourenfahrer über. "Auch hier weiß man die Vorteile des Bügellenkers zu schätzen" sagt Fehlau. Wer lange Strecken mit seinem Rad unterwegs ist, der sei eben auch mal froh darum, eine andere Körperhaltung einnehmen zu können. Sei es das Abstützen bergab oder das kraftvolle Zupacken bergauf. "Es ist ohnehin so, dass die Grenzen der verschiedenen Radgattungen zunehmend verwischen. Während die Scheibenbremse aus dem Mountainbikebereich im Rennsport populärer wird, geht der Rennlenker den umgekehrten Weg", sagt Fehlau.

Die extreme Körperhaltung, die bei Rennradfahrern zu sehen ist, wird jenseits der Rennen hingegen weniger geschätzt. Wenig verwunderlich, denn die Aerodynamik, selbst bei Bergabfahrten, ist hier eben eher selten ein Thema. Bei Tourenrädern mit Bügellenker ist die Geometrie des Rahmens in der Regel auch deutlich ausgeglichener. Der Lenker steht höher und befindet sich fast auf einer Linie mit dem Sattel. So bleiben die Vorteile der möglichen, verschiedenen Griffpositionen, der Schmerz im Rücken bleibt hingegen auch auf langen Fahrten überschaubar.

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