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Thomas Sedran. „Wir haben bei den Produktkosten noch erhebliches Einsparpotenzial.“

© dapd

Opel-Chef Thomas Sedran: „Opel kann allein nicht bestehen“

Thomas Sedran ist seit Juli 2012 Chef von Opel - übergangsweise. Die US-Mutter General Motors sucht noch einen Vorstandsvorsitzenden. Mit dem Tagesspiegel sprach Sedran über die Abhängigkeit von GM, kleine Autos und hohe Produktkosten.

Herr Sedran, in Europa werden 2012 nur etwa so viele Autos verkauft wie 1995. Wann erholt sich der europäische Automarkt wieder?

Ich bin mir mit meinen Kollegen in der Branche einig, dass wir mindestens drei Jahre brauchen, bis sich die Absatzzahlen im Süden Europas wieder erholen. Die Situation dort ist extrem schwierig. Wir beobachten eine massive Verschiebung innerhalb der Segmente – weg von größeren, hin zu kleineren, preiswerteren Fahrzeugen. Das trifft alle Hersteller. Hinzu kommt ein aggressiver Preiskampf, auch auf dem deutschen Markt.

Opel hat gerade den Kleinwagen Adam präsentiert. Kleine Autos, kleine Marge, heißt es. Glauben sie, dass Sie mit dem Adam die Wende für Opel schaffen?

Der Adam ist nur ein Baustein in unserem Zehnjahresplan „Drive Opel 2022“. Aber zugegeben – ein wichtiger. Mit dem Adam signalisieren wir: Opel ist zurück mit hervorragenden Autos für Menschen, die eben nicht über unbegrenzte finanzielle Mittel verfügen. Und mit Autos, die auf drei Megatrends reagieren: Urbanisierung, Downsizing, Individualisierung. Der Adam erlaubt dem Käufer 30 000 Kombinationsmöglichkeiten, allein beim Exterieur. Und er ist das einzige Auto in seinem Segment, das in Deutschland gebaut wird, genauer gesagt in Eisenach. Der Adam und auch unser neuer kompakter SUV Mokka sind Fahrzeuge in Segmenten, in denen Opel bisher nicht positioniert war. Wir erreichen aber auch traditionelle Opel-Kunden. Mit steigenden Spritpreisen und strengeren CO2-Vorschriften fragen sich immer mehr Menschen, ob sie noch ein großes Auto brauchen. Es gibt eine starke Nachfrage nach kleineren Fahrzeugen.

Verfolgt Opel noch Pläne für ein Citycar unterhalb des Adam?

Der Opel Agila wird älter, da überlegen wir uns natürlich, was danach kommt. Es gibt durchaus noch Segmente, die noch preissensitiver sind. Die sollten wir als Marke Opel bedienen. Geld verdienen wir, wenn wir die Kunden von individuellen Ausstattungen überzeugen, für die sie 1000 oder 2000 Euro mehr ausgeben – ohne, dass für uns große Zusatzkosten entstehen. Das Citycar ist eines der 23 neuen oder aufgefrischten Modelle, die wir bis 2016 in den Markt bringen – zusätzlich zu 13 neuen, spritsparenden Motoren.

Opel leidet schwer unter der Absatzkrise in Europa. Bis Ende des Jahres wurden 20 Tage Kurzarbeit in den deutschen Werken vereinbart. Kommen Sie mit 20 Tagen aus?

Ja, davon gehen wir fest aus. Darüber hinaus verhandeln wir gerade mit den Arbeitnehmern über eine längerfristige Lösung in diesem extrem schwierigen Marktumfeld. Die Gespräche laufen sehr konstruktiv.

8000 Arbeitsplätze sind bei Opel und Vauxhall in Europa schon weggefallen, die Arbeitnehmer verzichten derzeit auf eine tarifliche Lohnerhöhung. Können Sie verstehen, dass die Opelaner keine Zugeständnisse mehr machen wollen?

Ich kann verstehen, wenn die Beschäftigten sagen: Wir bewegen uns nur, wenn Ihr Euch auch bewegt, mit neuen Produkten, effizienten Produktkosten. Nur gemeinsam kommen wir zurück auf die Erfolgsspur.

Ein Verlust von rund einer Milliarde Euro für GM Europa ist im Gesamtjahr wahrscheinlich. Andere deutsche Hersteller können auf den US-Markt oder China ausweichen, Opel nicht.

Wir können in alle Länder Autos exportieren, in denen wir Geld verdienen. Wir planen zum Beispiel Modelle, die speziell für den russischen Markt konzipiert wurden. In China haben wir vergangenes Jahr rund 5000 Autos verkauft; Opel hat dort keine eigenen Werke, und mit Export alleine kann man in China nur ein Nischengeschäft ausbauen. Aber Opel ist eine Marke des GM-Konzerns – übrigens die weltweite drittgrößte GM-Marke nach Chevrolet und Wuling. Der Astra oder der Insignia, die in Rüsselsheim entwickelt wurden, sind außerhalb Europas sehr erfolgreich, auch in China.

Davon hat Opel aber nichts, wenn die Fahrzeuge unter der GM-Marke Buick vermarktet werden.

Opel und Buick haben einen hohen Anteil an gleichen Teilen und Ähnlichkeiten im Design. Der Buick-Erfolg sichert Arbeitsplätze im Rüsselsheimer Entwicklungszentrum. Wir werden versuchen, unser Ergebnis im Verbund des GM-Konzerns zu maximieren. Wir werden auch in Europa wieder erfolgreich sein und Marktanteile zurückgewinnen.

GM macht es Opel nicht leichter, wenn auf dem europäischen Markt auch Chevrolet- Modelle verkauft werden.

Chevrolet wird auch in der Zukunft in Europa vertreten sein. Die Marke hat noch Potenzial. Es gibt genug Platz für Opel und Chevrolet. Wir müssen uns ausreichend differenzieren. Andere Mehrmarken-Hersteller können das ja auch. Generell gilt: Opel ist die ur-deutsche Qualitätsmarke mit 150 Jahren Tradition, Chevy ist die ur-amerikanische Marke, die ganz andere Kundengruppen anspricht.

Die Kosten für alle neuen Modelle, die Opel bis 2016 auf den Markt bringen will, werden derzeit überprüft. Wie viel können Sie da sparen?

Wir haben in der Tat festgestellt, dass wir bei den Produktkosten noch erhebliches Einsparpotenzial haben. Es geht um eine signifikante Größenordnung. Da ist einiges an Musik drin.

Können Sie ein Beispiel nennen, wo Opel bei den Produktkosten sparen kann?

GM hat zum Beispiel globale Anforderungen an Komponenten und Teile, die in der Branche unüblich sind. Ein Anlasser wird bei minus 40 Grad getestet, so wie das in Alaska notwendig wäre, sonst besteht er den Test nicht. Der Zulieferer kann das nur erreichen, wenn er Materialien verwendet, die teuer sind.

Warum tut sich der zweitgrößte Autohersteller der Welt eigentlich so schwer, globale Plattformen in der Produktion in modulare, flexiblere Produktionsweisen umzuwandeln? Volkswagen kann das doch auch.

Es reicht sicher nicht, bei bestimmten Bauteilen nur auf große Stückzahlen zu setzen. Man muss es intelligenter, differenzierter machen und wir sind hier auf einem guten Weg zu flexiblen und wettbewerbsfähigen Modul-Baukästen.

Wird da Opel von der Kooperation mit PSA Peugeot Citroen profitieren?

Ja. Opel ist als Teil des GM-Konzern häufig viel zu sehr an strengen Standards orientiert, die in den USA gesetzlich vorgeschrieben sind. Dort braucht man, bildlich gesprochen, Hosenträger und zusätzlich einen Gürtel – in Europa ist eins von beiden ausreichend.

Morgan Stanley kommt zu der Einschätzung, dass es für GM sinnvoll wäre Opel zu verkaufen, andernfalls würden nach 16 Milliarden Dollar Verlust in den vergangenen zwölf Jahren bei GM in Europa weitere Milliarden verbrannt. Wäre es besser, wenn Opel auf eigenen Beinen stehen könnte?

In diesem Geschäft könnte die Marke Opel nicht alleine bestehen. Aus Konzernsicht wäre es ein strategischer Fehler, Europa der Konkurrenz zu überlassen. Wir haben jedes Jahr aufs Neue mehr als eine Million Kunden, es fahren mehr als 15 Millionen Opel-Modelle auf europäischen Straßen, wir haben ein funktionierendes Händlernetz und eine europaweit gesehen weitgehend unbeschädigte Marke. In Russland wachsen wir doppelt so schnell wie der Markt; in Großbritannien sind wir die am schnellsten wachsende Marke im Privatkunden-Geschäft. Nur in Europa lernt man wirklich, wie man gute Autos kosteneffizient baut, welche Trends hinsichtlich Innovationen und CO2 künftig eine Rolle spielen. Wer es hier schafft, besteht auch auf dem Weltmarkt. Damit kommt Opel im globalen GM-Konzernverbund eine strategisch wichtige Aufgabe zu.

Das Gespräch führte Henrik Mortsiefer

DER STRATEGE

Thomas Sedran (47) führt seit Juli als

stellvertretender

Vorstandschef vorübergehend die Geschäfte von Opel. Ein Vorstandsvorsitzender für die General-Motors- Tochter wird gesucht. Seit April ist Sedran im Vorstand auch für die Strategie zuständig. Zuvor war Sedran den Großteil seiner Karriere als Unternehmensberater tätig.

DIE MARKE

Opel gehört seit 1929 zum US-Autohersteller GM. Zusammen mit der britischen Schwestermarke Vauxhall beschäftigt Opel in Europa 40 000 Mitarbeiter (22 000 in Deutschland). 2011 machte der Konzern 747 Millionen Dollar Verlust.

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