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Frieden in Gefahr: Israels Botschaft in Kairo gestürmt

Der plötzliche Gewaltausbruch in Kairo stellt die Beziehungen zwischen Israel und Ägypten auf eine harte Probe. Die ägyptische Übergangsregierung hat ihren Rücktritt angeboten. Nach dem Sturz der Mubarak-Regierung ringt das Land um Stabilität.

Der Sturm eines Mobs auf die israelische Botschaft in Kairo in der Nacht zu Samstag hat die schwersten Spannungen zwischen den beiden Nachbarstaaten seit dem Friedensvertrag von Camp David 1979 ausgelöst. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nannte die nächtliche Gewaltorgie im Stadtteil Dokki, bei der drei Menschen starben und mehr als tausend verwundet wurden, eine „gravierenden Verletzung in dem Gewebe des Friedens mit Israel“.

In Kairo kam die Übergangsregierung von Ministerpräsident Essam Sharaf zu einer eilig einberufenen Krisensitzung zusammen. Bei einem anschließenden Treffen mit dem Obersten Militärrat bot der Regierungschef seinen Rücktritt an, den die herrschenden Generäle jedoch ablehnten.

Innenminister Mansur el Eissawy versetzte die Sicherheitskräfte in höchste Alarmbereitschaft und verhängte eine generelle Urlaubssperre für alle Polizisten. Der israelische Botschafter in Kairo, Yitzhak Levanon, sowie seine Familie und rund 80 weitere israelische Staatsbürger hatten sich noch in der Nacht zum Flughafen von Kairo geflüchtet, von wo aus sie in einer dramatischen Rettungsaktion mit einer israelischen Militärmaschine nach Tel Aviv ausgeflogen wurden. Lediglich der stellvertretende Botschafter blieb in Kairo zurück, um Kontakt zum regierenden Militärrat (SCAF) zu halten. Nach einem Bericht des staatlichen ägyptischen Fernsehens habe der israelische Chefdiplomat vor seiner Evakuierung „stark verängstigt“ gewirkt.

Chaotische Zustände am Freitagabend. Weiter auf der nächsten Seite.

Zunächst hatte die randalierende Menge am Freitagabend mit Vorschlaghämmern und herausgerissenen Laternenmasten die drei Meter hohe Sperrmauer aus Beton demoliert, die die Behörden erst vor einer Woche zum Schutz der israelischen Botschaft hatten errichten lassen. Die israelische Mission ist in mehreren Etagen eines Bürohochhauses am Nilufer untergebracht, was direkt neben einer stark befahrenen Brücke liegt. Drei Stunden lang griffen die Sicherheitskräfte nicht ein und ließen die Menge gewähren. Kurz vor Mitternacht gelang es dann mehreren Dutzend Randalierern, in das Gebäude einzudringen. Sie rissen die israelische Flagge herunter, verwüsteten Räume des Konsulats und warfen unter dem Gejohle der Menge Akten und Dokumente aus den Fenstern.

Sechs israelische Sicherheitsbeamte, die sich hinter einer Panzertür verbarrikadieren konnten, mussten von einem ägyptischen Spezialkommando in Sicherheit gebracht werden. Die anschließenden Straßenschlachten rund um das Gebäude dauerten bis in die Morgenstunden, dabei wurde auch die nahe gelegene regionale Polizeistation des Regierungsbezirks Giza attackiert. Auch am Samstagnachmittag sammelten sich wieder Demonstranten in der Nähe der Botschaft, die eine Ende der diplomatischen Beziehungen mit Israel sowie die Annullierung des Camp-David-Vertrages forderten.

International wurden die Ausschreitungen gegenüber der israelischen Mission einhellig verurteilt. US-Präsident Barack Obama äußerte sich sehr besorgt und appellierte an Ägypten, seine internationalen Verpflichtungen zu erfüllen. Ähnlich äußerte sich auch Außenminister Guido Westerwelle. Eine weitere Eskalation müsse unbedingt vermieden werden, ließ er in Berlin erklären.

Wie konnte es dazu kommen? Lesen Sie weiter auf Seite drei.

Aversionen gegen Israel sind in der ägyptischen Bevölkerung weit verbreitet, obwohl es seit 1979 einen Friedensvertrag zwischen beiden Ländern gibt. Stark angefacht wurden die anti-israelischen Aggressionen zuletzt durch den Tod von sechs Grenzpolizisten (einer ist am Samstagmorgen gestorben) auf dem Sinai vor gut drei Wochen. Damals hatten israelische Einheiten nach einem Terrorüberfall nahe dem Badeort Eilat, bei dem acht Menschen ermordet wurden, teilweise auch auf ägyptischem Territorium operiert. Die ägyptische Bevölkerung verlangt eine offizielle Entschuldigung Israels für den blutigen Zwischenfall. Unmut erzeugt aber auch der 2005 unter Hosni Mubarak geschlossene israelisch-ägyptische Gasvertrag, der Lieferungen deutlich unterhalb des Weltmarktpreises vorsieht.

Das Energieabkommen ist auch einer der Anklagepunkte gegen den gestürzten Autokraten, dem in Kairo der Prozess gemacht wird. Bereits fünf Mal gab es in den letzten Monaten Bombenanschläge auf die Pipeline im Sinai. Der drastische Einbruch im Verhältnis zu Ägypten kommt für Israel zu einem Zeitpunkt, wo auch die Beziehungen zu seinem langjährigen Verbündeten Türkei auf einem Tiefpunkt angekommen sind. Die Regierung in Ankara verlangt von Israel eine offizielle Entschuldigung für seine Kommandoaktion gegen die Gaza-Hilfsflotte im Mai 2010, bei der neun türkische Aktivisten getötet wurden.

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