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Auslandseinsätze: Wie weit deutsche Interessen reichen

Ist der Zugang zu Rohstoffen ein Sicherheitsinteresse wie die Landesverteidigung? Außenminister Westerwelle und Verteidigungsminister de Maizière müssen sich über nationale Interessen einigen. Ein Kommentar.

Diese Bundesregierung – immer wieder hat sie Abstimmungsbedarf in wichtigen, ja wichtigsten Fragen. Diesmal geht es um die künftige Außen- und Sicherheitspolitik. Und am Horizont scheint ein Konflikt auf zwischen dem für Auswärtiges zuständigen Guido Westerwelle und dem für Verteidigung verantwortlichen Thomas de Maizière: Wann und wo und wofür werden künftig deutsche Soldaten eingesetzt?

Nahezu unbemerkt hat de Maizière geredet wie weiland Horst Köhler, als er noch Bundespräsident war. Köhler hatte damals gesagt, dass „ein Land unserer Größe, mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit, auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen, negativ, bei uns durch Handel Arbeitsplätze und Einkommen zu sichern“. De Maizière nun sagte bei der Vorstellung der Pläne zum Umbau der Armee: „Deutsche Sicherheitsinteressen ergeben sich aus unserer Geschichte, der geografischen Lage in der Mitte Europas, den internationalen politischen und wirtschaftlichen Verflechtungen des Landes sowie unserer Ressourcenabhängigkeit als Hoch- Technologie-Standort und rohstoffarme Exportnation.“

Das klingt sehr ähnlich, beim Verteidigungsminister sogar noch prägnanter. Köhler, nicht zu vergessen, trat nach harschen Urteilen über seine Haltung zurück. De Maizière wird keinen Gedanken an Rücktritt verschwendet haben. Er hält das Gesagte offenkundig für eine Selbstverständlichkeit, mehr noch, für eine Notwendigkeit. Nicht zuletzt verfassungsrechtlich: „Landesverteidigung“ steht darin als Auftrag für die Streitkräfte. Der Verteidigungsminister – der Titel wirkt bei genauerem Hinschauen auch überholt – modernisiert den Begriff Landesverteidigung bei der Reform gewissermaßen mit.

Das führt aber logischerweise sehr weit auf ein neues Feld. Westerwelle hat das sofort gesehen. Seine Replik ist diplomatisch, aber klar: „Die Bundeswehr wird effizienter. Das ist ein richtiges und wichtiges Anliegen der Bundesregierung insgesamt. Aber es bleibt beim Primat der Politik, es bleibt dabei, dass deutsche Außenpolitik Friedenspolitik ist, und es bleibt auch dabei, dass wir Auslandseinsätze der Soldaten im Ausland nur dann beschließen werden, wenn es keine anderen Möglichkeiten und sinnvolle Möglichkeiten gibt. Mit anderen Worten: Wir betrachten die Kultur der militärischen Zurückhaltung als eine Konstante deutscher Außenpolitik.“ Die Kultur der Zurückhaltung als Doktrin – da spricht der letzte Kohlianer. Und er spricht von „wir“. Wen meint Westerwelle außer sich?

Darum muss die Auseinandersetzung gehen: Wie weit im 21. Jahrhundert nationale Interessen reichen. Beide Minister beanspruchen schon den Patriotismus für sich, Westerwelle den „gesunden Patriotismus“. Ungesund wäre, eine Debatte aussitzen zu wollen.

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