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Update

Razzien gegen Salafisten in sieben Bundesländern: Friedrich: "Rechtsstaat kann seine Gegner abwehren"

Die Polizei ist mit groß angelegten Razzien gegen radikale Salafisten in Deutschland vorgegangen. Auch in Berlin wurden Räume durchsucht, in Solingen wurde ein international gesuchter Mann verhaftet. Innenminister Friedrich spricht von einem "Signal" an die Salafisten-Szene.

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Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat, noch während bundesweit Razzien gegen Salafisten laufen, öffentlich eine Warnung an die Adresse von Verfassungsfeinden ausgesprochen. Die heutigen Aktionen würden zeigen, dass der Rechtsstaat seine "Gegner abwehren" könne und bereit sei, die "Freiheit zu verteidigen". Er hoffe, dieses Signal sei "angekommen", sagte Friedrich. Es gebe Hinweise darauf, dass Salafisten die Gründung von Ersatzorganisationen vorbereiteten, dazu wolle er klarmachen, dass dies strafbar und deshalb mit Strafverfolgung zu rechnen sei. Mit einem massiven Schlag gegen die Szene der Salafisten reagieren die Sicherheitsbehörden seit dem Morgen auf die zunehmend gefährlichen Umtriebe der frommen Fanatiker, bundesweit laufen Razzien.

Am Mittag sagte Minister Friedrich, insgesamt seien 850 Beamte im Einsatz, es habe keine Widerstände und nur eine Verhaftung gegeben: In einer Moschee in Solingen wurde demnach ein Mann verhaftet, gegen den ein internationaler Haftbefehl aus Großbritannien vorlag. Insgesamt wurden bisher 82 Objekte durchsucht, im Laufe des Tages kann es zu weiteren Aktionen kommen, wenn sich neue Hinweise ergeben. Friedrich sagte, es seien in großem Umfang Asservaten sichergestellt worden, darunter Videos, Laptops und Handys. Er wolle nun prüfen lassen, ob die Beweise auch für ein Verbot der Vereine „Die wahre Religion“ und „Dawa FFM“ genüge. Bereits verboten hat Friedrich den Verein „Millatu Ibrahim“ (Gemeinschaft Abrahams).

"Der Verein 'Millatu Ibrahim' richtet sich gegen unsere verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung", sagte Friedrich bereits am Morgen. Derselbe Verdacht richtet sich auch gegen die beiden anderen Gruppierungen, denen ein Verbot droht. Der Bundesinnenminister bedankte sich bei den Ländern und der Zusammenarbeit. Die Aktion laufe planmäßig und sei in den vergangenen Tagen "hervorragend" vorbereitet worden. Bei den Razzien ergaben sich Hinweise, die unmittelbar zu weiteren Durchsuchungen führten. Seit dem Morgen erhöhte sich die Zahl der durchsuchten Objekte von 70 auf bisher 82.

Um sechs Uhr früh begann die Polizei in sieben Bundesländern mit der Aktion, die sich gegen Vereine und die ihnen nahestehenden Salafisten richtet. Die Beamten sind in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bayern im Einsatz, in Hessen sind die Aktionen bereits beendet. In Berlin werden ebenfalls Räume radikaler Salafisten durchsucht - in Neukölln und Wedding.

Video: Bundesweite Razzien gegen Salafisten

Anlass für das Verbot des Vereins Millatu Ibrahim sind seine als verfassungsfeindlich eingestuften Umtriebe. Auf der Homepage des Vereins wird gegen die Demokratie gehetzt, Bundeskanzlerin Angela Merkel als Kriegsverbrecherin diffamiert und das Attentat auf den  ägyptischen Präsidenten Anwar as Sadat gerechtfertigt. Islamisten hatten 1981 in Kairo bei einer Militärparade Sadat erschossen.

Entsetzen über Salafisten-Gewalt - in Bildern:

Der Verein Millatu Ibrahim wurde im November 2011 von Salafisten zunächst als Netzwerk im Internet aufgebaut. Anfang 2012 nahm eine von Islamisten besuchte Moschee in Solingen den Namen Millatu Ibrahim an. Anhänger der Moschee attackierten im Mai die Polizei, als die rechtsextreme Partei „Pro NRW“ in Solingen  mit einer islamfeindlichen Kundgebung provozierte. Der Berliner Verfassungsschutz hält in seinem Jahresbericht 2011 führenden Akteuren von Millatu Ibrahim vor,  das „besondere Gefährdungspotenzial“ bestehe „in deren strategischer Verbreitung einer Al-Qaida-konformen Ideologie unter einem deutschsprachigen Publikum“.

Bei der groß angelegten Razzia nimmt sich die Polizei auch die Kölner Wohnung  von Ibrahim Abu Nagie vor. Der Salafist ist ein führender Kopf der Gruppierung „Die wahre Religion“ und gilt als Initiator der Verteilung  mehrerer hunderttausend Gratisexemplare des Korans.

Video: Politikredakteurin Andrea Dernbach zur Korandebatte

Auch „Die wahre Religion“ hat sich um ein Internetportal desselben Namens formiert. Auf der Website wird gegen Juden und Christen gehetzt. In einem Text heißt es, „möge Allahs Fluch auf ihnen allen sein“. Juden und Christen werden als „Feinde Allahs, Seines Gesandten und der Gläubigen“ sowie als „Bewohner der Hölle“ bezeichnet. Ein Salafist aus dem Umfeld von „Die wahre Religion“ hat im April in einem Video Journalisten des Tagesspiegels und der „Frankfurter Rundschau“ bedroht. Die Staatsanwaltschaft Köln stellte allerdings im April nach einer Ermittlungspanne ein Verfahren gegen Abu Nagie wegen des Verdachts auf Beschimpfung von  Religionsgemeinschaften und Öffentliche Aufforderung zu Straftaten ein.

Die Koran-Verteilaktion in Bildern:

Über ein Verbot des  Vereins Dawa FFM, gegen den jetzt ebenfalls ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig ist, sprach der hessische Innenminister Boris Rhein (CDU) bereits im vergangenen Jahr. Dawa bedeutet Ruf, FFM steht für Frankfurt/Main. Nach Ansicht Rheins ist die 2008 gegründete Gruppierung  mitverantwortlich für  die Radikalisierung des Attentäters Arid Uka. Der junge Kosovare hatte im März 2011 am Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten erschossen. Die Tat war der erste islamistische Anschlag in Deutschland, bei dem Menschen getötet wurden. Sicherheitskreise halten Dawa FFM auch vor, junge Muslime für den "Heiligen Krieg" geworben zu haben.

Der Schlag, den Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich jetzt gegen die Salafisten führt, wurde beim Treffen der Innenministerkonferenz vom 30. Mai bis 1. Juni in Mecklenburg-Vorpommern vereinbart. Die Minister waren sich einig, dass die Repression gegen die Szene deutlich verstärkt werden müsse. Im Mai hatten Salafisten nicht nur in Solingen randaliert, sondern auch in Bonn am Rande einer Veranstaltung von Pro NRW mehrere Polizisten angegriffen. Ein Salafist aus Hessen stach auf Beamte ein und verletzte zwei schwer. Außerdem rief Ende Mai der Terrorist Yassin Chouka in einer Audiobotschaft zur Tötung von Journalisten und Mitgliedern der islamfeindlichen Pro-Bewegung auf.

Mit den Hetzparolen des von Salafisten als Autorität angesehenen Chouka nahm die Gefahr noch zu, die von der Szene in Deutschland ausgeht. Chouka meldete sich vermutlich von der pakistanischen Terrorhochburg Wasiristan aus. Der Terrorist und sein Bruder stammen aus Bonn und schlossen sich 2007 der „Islamischen Bewegung Usbekistans“ an, die mit Al Qaida und den Taliban verbündet ist.

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