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Ende einer Dienstfahrt. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck hat immer angepackt. Nach 18 Jahren will er sein Amt nun übergeben.

© dpa

Rücktritt unter Schmerzen: Beck hinterlässt einen Schuldenberg

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident tritt ab. Die Gesundheit hat gelitten. Die Bilanz ist gemischt.

Berlin - Kurt Beck blickt jetzt sehr staatsmännisch. Es ist 20 Uhr, normalerweise ist am Freitagabend die Mainzer Staatskanzlei nicht so gut besucht. Aber dieser Abend ist ganz gewiss ein geschichsträchtiger, denn der dienstälteste deutsche Ministerpräsident, 18 Jahre im Amt, seit 1979 Abgeordneter und sogar für kurze Zeit SPD-Bundesvorsitzender, will seinen Rücktritt bekanntgeben.

Aber die Etikette, und tatsächlich auch die realen Ereignisse des Tages, machen es notwendig, dass Beck sich sozusagen hinten anstellt, obwohl es hier um ihn gehen soll. Zunächst erläutert er wie bei einem wenig spannenden Referat, dass die Landespartei den Vorschlag von Sigmar Gabriel begrüßt habe, Peer Steinbrück zum Kanzlerkandidaten vorzuschlagen. Dann kommt er auf sich zu sprechen, und obwohl ihm das schwerer fallen müsste, macht er einen erleichterten Eindruck. Der Staatsmann ist verschwunden.

Er habe darauf gehofft, dass er „nach ärztlichen Behandlungen seine gesundheitliche Kraft zurückerlangen“ werde, aber dem sei nicht so. Beck muss seine Ämter niederlegen, weil, wie er sagt, die Funktion seiner Bauchspeicheldrüse erheblich beeinträchtigt sei. Dann guckt Beck sehr liebevoll nach links und sagt, er sei „froh und dankbar“, dass Malu Dreyer, seine Sozialministerin, ihm nachfolgen werde (siehe Artikel unten).

Ganz zum Schluss, fast tut er so, als habe er den Punkt vergessen, sagt Beck nüchtern, dass „Spekulationen“, der Rücktritt habe mit Politik zu tun, nicht zutreffen. Es ist eine typische Beck-Formel, die eigentlich was anderes aussagt: Es ärgert ihn maßlos, dass in den vergangenen Monaten sein Lebenswerk in Frage gestellt wurde, dass er nicht mehr der souveräne Landesvater sein durfte – und das nur wegen der insolvent gegangenen Nürburgring-GmbH. So ist seine Sicht. Die heftigen politischen Angriffe werden ihm auch zugesetzt haben. Wie sehr sie auch Grund für den Rückzug sind, weiß nur sein engstes Umfeld. Die SPD verbrannte am Nürburgring eine knappe halbe Milliarde Euro Steuergeld. Ein Gerichtsverfahren wegen Untreue gegen ehemalige Manager und den Ex-Finanzminister Ingolf Deubel steht nun an. Die CDU forderte Becks Rücktritt und beantragte ein Misstrauensvotum im Landtag, das allerdings scheiterte. Beck übernahm zwar die Gesamtverantwortung, einen Rücktritt aber schloss er immer aus.

Beck hat stets betont, er werde bis zum Ende der Legislatur 2016 bleiben, wenn es seine Gesundheit zulasse. Er hatte immer wieder gesundheitliche Probleme. Eine kleine Episode dazu ist die chronische Schleimbeutelentzündung in seiner Schulter, über die er einmal im sehr kleinen Kreis im Hinterzimmer einer Bürgerhalle im Hunsrück berichtete. Ausgerechnet er, dem man nachsagt, dass er alle Hände der Rheinland-Pfälzer mindestens einmal geschüttelt habe und der deshalb auch belächelt wurde, sagte: „Wenn einer dann fest zudrückt, das tut so weh!“

Beck hat man auch deshalb reduziert auf den provinziellen Landesvater, weil er in Berlin als Bundesvorsitzender der SPD scheiterte. Der 63-Jährige ist ein grundehrlicher, solider und leidenschaftlicher Sozialdemokrat. Seine Hinwendung zu den „kleinen Leuten“ ist keine Maskerade. Der Streit um die Rente mit 67, den er mit Franz Müntefering austrug, war motiviert aus eigener Erfahrung. Das Haus seiner Eltern hat er Hand in Hand mit dem Vater gebaut, und weil ein Kran zu teuer war, haben sie die Stahlträger selbst geschleppt. Seitdem ist die Schulter entzündet. Und seitdem weiß Beck, dass ein Dachdecker nicht arbeiten kann, bis er 67 Jahre alt ist.

Der ganz große Respekt bundesweit blieb ihm verwehrt. Dabei hat er es sich nicht ausgesucht, nach Berlin zu gehen, damals, als Matthias Platzeck aus gesundheitlichen Gründen ausgefallen war. Er ist gegangen aus Pflichtgefühl für die Partei. Er wollte Frank-Walter Steinmeier als SPD-Chef zum Kanzlerkandidaten vorschlagen, dann wollte er als Ministerpräsident zurücktreten, um sich dem Zusammenhalt der Bundes-SPD zu widmen. Aber der Plan ging schief, weil alles schiefging in dieser Zeit als Vorsitzender. Die SPD-Granden sahen ihn als Belastung an. Am Brandenburger Schwielowsee jagten sie ihn davon, er kam als tief verletzter Mann zurück nach Mainz. Aber es gab noch Pflichten!

Über den Bundesrat hat Beck von Mainz aus viel bewegt. Im Kreis der Ministerpräsidenten wird er von allen respektiert. Aber zu Hause machte er Schulden. Das hat er im Sinne seiner Politik „nah’ bei de’ Leut’“ in Kauf genommen. Beck sagt: „Wir müssen etwas für die Leute tun, weil wir ein strukturschwaches Land sind.“ 33 Milliarden Euro Schulden hat er angehäuft. In einer Studie hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse die Haushalte aller Bundesländer untersucht, um festzustellen, wie gut die Länder auf die Schuldenbremse vorbereitet sind. Rheinland-Pfalz schnitt schlecht ab.

Dieses Problem wird er nicht mehr lösen müssen. Aber das ist ihm auch nicht so recht. Gestern sagte Beck, bald müsse er auch in Kur gehen. Er seufzt: „Darf ich gar nicht dran denken.“

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