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Dirk Niebel war mehrfach bereits in Afghanistan, aber im März hat sich seine Dienstreise besonders gelohnt, weil er für seine Berliner Wohnung einen neuen Teppich erstanden hatte, den er aber Wochen später am Zoll vorbei in Deutschland einführte.

© dapd

Teppich-Geschäft: Merkel sieht Versäumnisse bei Niebel

Am Zoll vorbei und dann auch noch Privates und Dienstliches verquickt: Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) steht wegen seines afghanischen Teppich-Geschäfts in der Kritik - auch beim BND und der Kanzlerin.

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Was für die Opposition einen handfesten Skandal darstellt, ist für den Regierungssprecher nur eine lästige Angelegenheit: Immer wieder schüttelt Steffen Seibert unwillig den Kopf, als der Sprecher des Entwicklungsministers am Freitag in der Bundespressekonferenz fast eine halbe Stunde lang Auskunft über das afghanisch Teppichgeschäft seines Ministers Dirk Niebel (FDP) geben muss.

Billigen kann die Kanzlerin es nicht, dass der umstrittene Ressortchef ein 1400 Dollar teures Souvenir einfach am deutschen Zoll vorbei schmuggelt. Für ein Versäumnis halte sie das, sagt Seibert: „Das Wort Versäumnis beinhaltet ja schon, dass eine andere Form der Einfuhr noch korrekter gewesen wäre und deswegen auch vorzuziehen gewesen wäre." Aber damit soll es dann auch vorbei sein.

Neun Quadratmeter misst das „Ding“, wie Niebels Sprecher Rolf Steltemeier es genervt nennt, 30 Kilogramm ist es schwer. Und es bringt Dirk Niebel nun schwer in Erklärungsnot. Immer neue Details muss Steltemeier nun ausbreiten: Bei seinem Afghanistan-Besuch im März traf der Minister auf eine Händler, der in der deutschen Botschaft seine Ware präsentierte. „Aus privatem Interesse“, darauf legt Steltemeier wert, entschied sich Niebel für ein Stück, in „Rot-Tönen mit ein bisschen Schwarz drin“. Der Teppich liegt nun in Niebels Berliner Wohnung. Die Botschaft hatte sich eigens erkundigt, ob der Teppich nicht von Kinderhand geknüpft worden sei, versicherte der Sprecher.

Wie der Entwicklungshilfeminister arbeitet - Eine Bildergalerie:

Nach Zoll-Vorschriften für private Einfuhren nach Deutschland aber hat sich damals niemand erkundigt - und deshalb wirft die Opposition in Berlin dem Minister nun vor er stehe in der Tradition andere liberaler Steuerhinterzieher. Denn Niebel brachte seinen Teppich auf dem Rückflug in seiner Linienmaschine nicht unter. Deshalb wurde er in der Botschaft aufbewahrt. Ein Mitarbeiter Niebels, der damals in Afghanistan dabei war, wurde im Mai dann per SMS informiert, dass BND-Präsident Gerhard Schindler auf seinem Rückflug aus Kabul das Paket mit dem Teppich mitnehmen könne. Ein Fahrer Niebels hat das Paket dann am Flughafen Tegel abgeholt und am Zoll vorbei in Niebels Wohnung gefahren.

Diese Fahrt, so versicherte Steltemeier, werde bei Niebels Steuererklärung als Privatfahrt angemeldet. Doch der BND will sich offensichtlich nicht zum Komplizen von Niebels Teppichgeschäft machen lassen und widerspricht später Steltemeiers Darstellung, bei der Mitnahme des Souvenirs habe es sich nicht um „Amtshilfe, sondern einen persönlichen Gefallen“ gehandelt. Es sei nicht bekannt gewesen, dass es sich bei dem Teppich um einen privaten Einkauf Niebels gehandelt habe, heißt es am Nachmittag aus dem Auslandsgeheimdienst. Man sei vielmehr von einem offiziellen Gastgeschenk ausgegangen.

Niebel hat damit nicht nur den Zoll umgangen. Er muss nun auch mit dem Vorwurf leben, er habe dienstliche Infrastruktur für seine Privatinteressen genutzt. Dass die Zoll-Geschichte nicht ganz sauber sein könnte, hatte der FDP-Politiker offenbar selbst geahnt. Denn laut Steltemeier hat der Minister zuhause, als der Teppich ordentlich ausgerollt war, auch kurz über den Zoll nachgedacht, doch er sei dann „darüber hinweggekommen“. Erst als der „Spiegel“ nachfragte und auf den Teppich anspielte, wurde Niebel wohl misstrauisch und informierte den Zoll nachträglich und bat um Berechnung der Zollgebühr.

Das dann aber „schnell und unverzüglich“, wie sein Sprecher eilfertig versichert. Und Niebel hat noch Glück gehabt: Durch seine nachträgliche Selbstanzeige beim Zoll entfällt laut Bundesfinanzministerium der Straftatbestand der Steuerhinterziehung. Niebel hätte die Freigrenze klar überschritten, da diese bei Flugreisen bei 430 Euro liege. Das Finanzministerium wies darauf hin, dass für einen Teppich im Wert von rund 1000 Euro rund 200 Euro Zollgebühren fällig geworden wären.

Steltemeier versucht die Dimension der Teppich-Geschichte möglichst herunterzureden. Er spricht von „Lebenswirklichkeiten“, die es auch in einem Ministerium gebe, weshalb solch kleine Verquickungen von Privatem und Dienstlichem passieren könnten. Der Sprecher versichert noch, sein Minister wolle „nichts unter den Teppich kehren“ - da lacht die Bundespressekonferenz.

Doch zum Lachen ist die Affäre nicht. Denn der Minister hat sich viele Feinde gemacht. Über Ämterpatronage des Ministers, von der vornehmlich Parteifreunde profitieren, klagen nicht nur die Opposition und der Personalrat seines Hauses. Sogar Entwicklungspolitiker der Union beschwerten sich schon bei der Kanzlerin darüber, dass der frühere FDP-Generalsekretär liberale Parteifreunde ohne fachliche Eignung mit wichtigen Positionen in seinem Haus betraue und damit die Unabhängigkeit des Entwicklungsressorts gefährde.

Der Opposition kommt die Teppich-Affäre deshalb gerade recht. Kein deutscher Minister habe sein Amt jemals so schamlos missbraucht habe wie Niebel, schäumt SPD-Entwicklungsexperte Sascha Raabe. Es falle schwer, von Partnerländern in der Dritten Welt gute Regierungsführung einzufordern, „wenn sich ausgerechnet der Entwicklungsminister wie ein Autokrat aufführt“.

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