zum Hauptinhalt
Blumig. Ein Wandteppich von Susanna Taras in der Vertretung von Baden-Württemberg.

© Thilo Rückeis

Kunst in Landesvertretungen: Alles so schön bunt hier

Kunst im föderalen Schaufenster: Womit die Länder ihre Berliner Vertretungen schmücken.

Wer das Haus zwischen österreichischer und südafrikanischer Botschaft betritt, gleich gegenüber dem Tiergarten, kommt normalerweise nicht, um sich Kunst anzusehen. Doch die Vertretung des Landes Baden-Württemberg ist geradezu übervoll mit Gemälden, Skulpturen, Objekten. Das fängt schon in der Lobby an: Rechterhand hängt ein Wandteppich aus den siebziger Jahren, ein Bonner Mitbringsel samt Hölderlin-Zitat mit Neckar-Reminiszenz: „In deinen Tälern wachte mein Herz mir auf zum Leben.“ Der Architekt Dieter Bangert hat die Wand eigens für den Teppich geplant.

Kunst mit direktem Bezug zum Land – keine Überraschung in einer Landesvertretung. Der Superman jedoch, der gegenüber des Eingangs in die Wand gekracht ist, kommt zweifellos unkonventioneller daher. „Ein richtiger Blickfang und ein beliebtes Fotomotiv“, sagt Vertretungsleiter Claus-Peter Clostermeyer. Die humorvoll-morbide Plastik der Häkelkünstlerin Patricia Waller wurde zur Bundestagswahl 2013 angebracht und blieb als Leihgabe der Galerie Deschler. Sowohl Künstlerin als auch Galerie haben Wurzeln im Ländle, das zu seinen Kunst- und Kulturschaffenden in der Hauptstadt Kontakt über Treffen und durch Ausstellungen hält.

Macht zeigen mit Kunst

Rund 170 Kunstwerke, meist Leihgaben des Landes, befinden sich in der Vertretung, die mit ihren großen weißen Wänden fast wie eine Galerie wirkt. Eine neue App liefert Audio-Erklärungen zu ausgewählten Gemälden und Skulpturen, ein Kunstbeirat stimmt über Ausstellungen ab. Regelmäßig prüft eine Expertin des Landeskunstministerium den Zustand der Exponate. „Wir sind kein Museum, aber Kunst spielt eine wichtige Rolle für uns“, sagt Clostermeyer.

Seit jeher dient Architektur als Symbol für Einfluss. Von Herrscherporträts abgesehen, erlebte die Bildende Kunst diese Bedeutungsaufladung erst in den vergangenen Jahrzehnten. Das bewies die Ausstellung „Macht zeigen – Kunst als Herrschaftsstrategie“ 2010 im Deutschen Historischen Museum. Fotografien von Politikern vor den Werken in ihren Büros bieten Einblicke in Vorlieben, aber auch Angriffsfläche: Bilder von Gerhard Schröder im Kanzleramt vor einem herabstürzenden Baselitz-Adler belustigten. Klaus Wowereit ließ sich in seinem Büro im Roten Rathaus ablichten, im Hintergrund eine großformatige Farbexplosion von Rainer Fetting. Der aktuelle Regierende Michael Müller verzichtete bislang auf eigene Akzente – zumindest an der Bürowand. Der Fetting hängt noch immer.

Wie sich Vertretungen als politische Außenstellen ihrer Länder schmücken, ist also nicht unwichtig. Die rund 40 000 Besucher der baden-württembergischen Vertretung sehen zuerst die abstrakte Skulptur von Otto Herbert Hajek, ein Vorgarten-Prachtstück im Wert von 380 000 Euro. Die Ausstellungen sind immer ein Schaufenster ins Land – sei es mit der 35 000 Jahre alten Venus vom Hohlefels oder Videokunst aus Karlsruhe.

Sparvariante bei den Brandenburgern

Kunstaffiner zeigt sich nur der Bundestag, der schon seit 1969 über eine eigene Artothek verfügt, in der Abgeordnete und ihre Mitarbeiter aus rund 4000 Exponaten auswählen können. Neben der ständigen Kunst etwa von Gerhard Richter, Joseph Beuys, Sigmar Polke und Anselm Kiefer im Reichstagsgebäude selbst, können die Büros mit Arbeiten ausgestattet werden, für die eine Kunstkommission jährlich 175000 Euro ausgeben kann. Mit den Ankäufen wird auch der Kunst-Raum des Deutschen Bundestags bespielt.

Von so viel Geld und Platz für die Kunst können viele Landesvertretungen nur träumen – etwa die brandenburgische Vertretung, die über gerade mal 32 Bilder und eine Skulptur verfügt. Angesichts der nahen Landeshauptstadt hat die Vertretung keine große Bedeutung und das spiegelt sich in der Kunstausstattung. Alle Stücke gehören der Vertretung, die meisten wurden Anfang der neunziger Jahre aus Sondermitteln für die Erstausstattung in Bonn bezahlt. Kunst spiele hier kaum eine Rolle, heißt es aus der Vertretung. Wer mehr sehen möchte, fährt ins Berliner Umland.

Kunst von Kerstin Mayer in der baden-württembergischen Vertretung.
Kunst von Kerstin Mayer in der baden-württembergischen Vertretung.

© Thilo Rückeis

Mehr Hessen geht nicht

Und was ist mit Hessen, immerhin Heimat der Documenta in Kassel? Das auffälligste Kunstwerk der Landesvertretung hängt seit 2005 im Foyer, eine Arbeit der Frankfurter Künstlerin Maren Flößer. Vom Eingang bis zum Garten hin verteilen sich 17 Leinwände auf den Wänden. Wer sich etwas Zeit nimmt, erkennt auf ihnen die Worte „Dort“, „Hier“ und „Getroffen“ sowie schematische Figurengrüppchen. Für Sprecher Martin Klonowski passt das gut zum Ort. „Das ist hier ein Haus der Kommunikation, des Kennenlernens und Wiedersehens.“

Im Gästeraum „Hessenstube“ leuchten Glasbilder der Künstlerin Elvira Bach wie Kirchenfenster. Darauf abgebildet: Drei Frauenfiguren, quasi Apfelwein-Madonnen. Jedes Bild greift den Bembel auf, den traditionellen Steingut-Krug, aus dem der „Äbbelwoi“ eingeschenkt wird. Mehr Hessen geht nicht. Die meisten Kunstwerke im Haus sind Leihgaben und für Besucher nicht sichtbar, etwa eine Christo-Grafik oder die Landschaftsmalereien mit viel hessischer Wald- und Hügelromantik des 1867 geborenen Otto Ubbelohde. In einem Besucherzimmer hängt eine abstrakte Komposition von Otto Ritschl, die Joschka Fischer noch zu Bonner Zeiten angeschafft hatte. Sie strahlt in Grün – was sonst?

Kuratiert aus Niedersachsen

Die Niedersachsen leisten sich sogar eine eigene Kuratorin: Stefanie Sembill kümmert sich um die Ausstellungen auf den gläsernen Fluren und im großen Atrium. Die „Flurstücke“ zeigen gerade Kunst aus den Rotenburger Werken, einer Einrichtung für Menschen mit geistigen Erkrankungen. Das diesjährige Kulturmotto der Landesvertretung ist “teilhabe_n”, bei den Werken handele es sich aber nicht um Therapiekunst, betont Sembill und verweist auf die verschiedenen Herangehensweisen: Ein gestrickter Wandteppich in unzähligen Farben, Zeichnungen, in denen van Gogh und Gauguin geremixt werden, Fotogramme manisch geordneter Objekte. „Die Ausstellung spiegelt auch den Trend der Outsider Art wieder und stellt infrage, dass Kunst nur von akademisch ausgebildeten Menschen gemacht wird.“

Das gestrickte Wandobjekt von Jürgen Rudy hängt bei den Niedersachsen.
Das gestrickte Wandobjekt von Jürgen Rudy hängt bei den Niedersachsen.

© Thilo Rückeis

Sembill präsentiert aber auch bekanntere Künstler – derzeit den Avantgardisten El Lissitzky mit seinem „Kabinett der Abstrakten“ in Form einer digitalen Installation. Ein Russe bei den Niedersachsen? Das Kabinett hatte Lissitzky Ende der Zwanziger Jahre im Auftrag des Landes eingerichtet. So eng sehe man es außerdem nicht mit dem niedersächsischen Bezug, erklärt Stefanie Sembill. „Das Publikum reagiert am besten, wenn die Inhalte nicht so erwartbar sind.“ Vor allem Stammgäste würden kommen, aber auch Fachpublikum, das die Kuratorin entsprechend der Veranstaltung einlädt. „Das ist der Versuch, Kontakte herzustellen. Die Künstler sollen ihren Auftritt hier ja als Bühne und Forum nutzen.“

EDV-Kartons stapeln sich vor der Vitrine

Bei den Nachbarn in der Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz führt die Kunst eher ein Schattendasein. “Wir sind eben eine Behörde und haben ein enges Korsett”, erklärt Sprecherin Michaela Veith. Eine ehemalige, kunstbegeisterte Mitarbeiterin hat vor 15 Jahren eine Auswahl aus dem Kunstfundus des Landes getroffen und sogar gläserne Infotafeln an den Wänden befestigen lassen. Einige der darauf erklärten Werke befinden sich jedoch schon lange nicht mehr in der Vertretung, vor einer Vitrine am Endes eines dunklen Flurs stapeln sich die Kartons der EDV-Abteilung.

Diese Skulptur von Cora Volz gehört den Rheinland-Pfälzern.
Diese Skulptur von Cora Volz gehört den Rheinland-Pfälzern.

© Landesvertretung Rheinland-Pfalz

Nur wenige Kunstwerke sind prominent platziert - etwa Cora Volz’ geisterhaft realistische Damenbüste in der Galerie des ersten Stockwerks, gut sichtbar aus dem Foyer. Aber auch an der Skulptur der Mainzer Bildhauerin nagt der Zahn der Zeit, die Farben sind deutlich verblasst. “Wir müssten mal mit dem Kunstministerium reden, aber dazu hatten wir in den vergangenen Jahren keine Zeit.” Die Zusammenlegung mit der Staatskanzlei habe alle Kräfte beansprucht. Nun hofft Veith auf ein Kunstkonzept der Staatskanzlei, das Effekte auf die Landesvertretung hat. Dabei müssten aber auch die Befindlichkeiten im Bundesland streng beachtet werden, mahnt Michaela Veith. “Nicht, dass es nachher heißt, hier hingen zu viele Pfälzer oder Rheinhessen und zu wenig Westerwälder.” Kunst ist eben eine hochpolitische Angelegenheit.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false