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Tod Kim Jong Ils: Welche Gefahr birgt der Machtwechsel in Nordkorea?

Der "Geliebte Führer" Nordkoreas ist tot, sein jüngster Sohn bereits als Nachfolger präsentiert. Doch ein grundlegender Wandel ist in dem totalitären Staat nicht zu erwarten.

Von Matthias Meisner

Als diktatorisch geführtes Regime ist Nordkorea einer der letzten Staaten, die sich weitgehend von der Welt abschotten – was es so schwer macht, seine innenpolitischen Entwicklungen zu beurteilen und sein außenpolitisches Verhalten, insbesondere gegenüber Südkorea, zu kalkulieren. Unter diesen Vorzeichen bedeutet der Tod des „Geliebten Führers“ einen Einschnitt, dessen Auswirkungen weltweit aufmerksam beobachtet werden.

Welche Auswirkungen hat der Tod Kim Jong Ils auf die innenpolitische Situation?

Noch am gleichen Tag, an dem die Nachricht vom Tod Kim Jong Ils mitgeteilt wurde, präsentierten die staatlichen Medien mit dessen jüngstem Sohn Kim Jong Un auch schon den Nachfolger. Damit soll offenbar nach außen wie nach innen Kontinuität suggeriert werden – und Diadochenkämpfen zwischen Partei, Armee und Regierung vorgebaut werden. Kim Jong Un dürfte am Kurs der Indoktrinierung der Bevölkerung, der internationalen Abschottung und der Distanz zu Südkorea wohl festhalten. Dieser Kurs hat nicht nur seinem Vater, sondern einer in die Zehntausende gehenden Nomenklatura Macht und gewissen Wohlstand gesichert, während der Großteil der Bevölkerung unter Hunger, Mangel und Willkür leidet. Wegen der aggressiven Außenpolitik und des umstrittenen Atomprogramms ist Nordkorea international weitgehend isoliert.

Bernhard Seeliger, der für die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung im südkoreanischen Seoul tätig ist, sieht für Pjöngjang auch Probleme dadurch, dass im April Feierlichkeiten zum 100. Todestag des Staatsgründers und „ewigen Präsidenten“ Kim Il Sung geplant waren. Diese Großveranstaltungen werden jetzt wohl ausfallen, vermutet er. Vor allem Pjöngjang sei voll von Baustellen, an denen unter anderen tausende Studenten Wohnhäuser und Geschäftsgebäude errichten, die als Beweis für den Eintritt Nordkoreas in einer Phase des „starken, mächtigen Landes“ gelten sollen.

Ob es Kim Jong Un gelingen wird, die Propagandamaschinerie mit gleicher Wirkung am Laufen zu halten wie sein Vater, ist noch offen. Der Kampf um die tägliche Schale Reis ist vorrangig. Und Geldgeber seien wegen der politischen Umstände äußerst zurückhaltend, sagt der Programmmanager Nordkorea der Welthungerhilfe, Gerhard Uhrmacher. Die Organisation ist seit 1997 in Nordkorea vertreten. Nach ihren Angaben ist besonders in den Städten die Versorgungslage schlecht, die Preise sind dort höher, und Bauernmärkte wie auf dem Lande gibt es kaum. Nach wie vor versuchen jährlich tausende Nordkoreaner über die schwer bewachte Grenze nach China zu fliehen – und riskieren Arbeitslager oder Tod.

Wie könnte sich der Übergang

zu dem Nachfolger vollziehen?

Nordkorea ist die einzige kommunistische Dynastie der Welt. Und das heißt: Wenn das Regime nicht zusammenbricht, was bisher wenig wahrscheinlich erscheint, muss also ein Familienmitglied nach der Trauerperiode bis Jahresende Nachfolger von Kim Jong Il werden. Das bedeutet aber nicht, dass Kim Jong Un schon bald den Posten des Chefs der Nationalen Verteidigungskommission von seinem verstorbenen Vater übernimmt. Auch ein Parteitag wird wohl kaum einberufen: Den letzten hat es 2010 gegeben, der vorletzte liegt 31 Jahre zurück. Schon in den vergangenen Monaten hat nach Berichten ausländischer Fachleute aber eine Säuberungswelle stattgefunden, in der Getreue von Kim Jong Un Schlüsselpositionen in Armee und Partei übernahmen. Sicher aber ist nichts, prophezeite Hanns Günther Hilpert, Asienexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik, schon vor Wochen in einer Studie. Bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen jetzt hält er für „nicht besonders wahrscheinlich“, doch sei ein Machtwechsel für einen totalitären Staat stets ein „existenziell kritisches Ereignis“. Ideologisch ist Nordkorea schwer mit anderen Diktaturen zu vergleichen. Mit Marxismus hat das von einem Familien-Clan beherrschte System wenig zu tun. Die sogenannte Juche-Ideologie beruht auf quasi-religiösen Vorstellungen von der Reinheit des koreanischen Volkes. Ganz anders als früher die DDR setzt Pjöngjang offensiv auf eine Wiedervereinigung – nach eigenen Maßstäben.

Wie ernst ist das nordkoreanische

Atomprogramm zu nehmen?

Seit vielen Jahren taugt es für Pjöngjang als Drohpotenzial – obwohl die Wirtschaft im Lande weitgehend zusammengebrochen ist und es meist nur noch stundenweise Strom gibt. Die Sechs-Parteien-Gespräche mit den USA, China, Südkorea, Russland und Japan hatte Nordkorea vor zwei Jahren abgebrochen – dass die meisten Beteiligten an den Verhandlungstisch zurückwollen, zeigt, dass sie die Aktivitäten des Regimes durchaus ernst nehmen. Erst am Wochenende stimmte Pjöngjang nach Berichten von Diplomaten in Seoul der Aussetzung seines umstrittenen Programms zur Urananreicherung zu. Im Gegenzug wollten die USA dem mit Versorgungsschwierigkeiten kämpfenden Land bis zu 240 000 Tonnen Lebensmittel liefern. Seit Jahren pumpt Pjöngjang einen Großteil des Staatsbudgets in die Armee. Nur wenige Stunden nach der Bekanntgabe des Todes von Kim Jong Il schoss Nordkorea offenbar eine Kurzstreckenrakete ab – zu Testzwecken, wie es hieß.

Wie reagieren China und der Westen?

China ist Nordkoreas wichtigster Verbündeter und hat bisher vermieden, es sich mit dem Regime in Pjöngjang zu verderben. Flüchtlinge aus Nordkorea werden in der Regel zurückgeschickt. Kim Jong Il reiste immer wieder mit seinem Sonderzug nach China. Norbert Eschborn, der für die Konrad-Adenauer-Stiftung in Seoul arbeitet, berichtet: „Aber auch die Chinesen verzweifeln etwas. Für sie gleicht Nordkorea manchmal einem ungehorsamen, trotzigen Kind.“ Andere Fachleute vermuten, China werde das gewisse Machtvakuum nutzen und sich um engere Beziehungen bemühen. Deutsche Politiker äußerten sich zunächst nur vorsichtig. Der FDP-Asienexperte Bijan Djir-Sarai sprach von „Unwägbarkeit“ und „Angst, die nicht zu einer regionalen Destabilisierung führen darf“. Interessant ist, dass sich Konservative sehr früh als Türöffner betätigt haben. 1997, auf dem Höhepunkt der Hungerkatastrophe, reiste der heutige Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) nach Nordkorea. Und er berichtete damals: „Das Straßenbild wird von gut ernährten, lebhaften Kindern geprägt.“

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