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Update

Razzien und Verbote: NRW-Innenminister: 1000 NPD-Plakate bei Dortmunder Neonazis gefunden

Gewaltbereite Kameradschaften wurden verboten. Es erfolgten Razzien in Privatwohnungen und Gefängnissen. Der Fund werde der Bund-Länder-Kommission als Material für ein mögliches NPD-Verbotsverfahren zur Verfügung gestellt.

Von Frank Jansen

Bei der Razzia gegen eine verbotene Neonazi-Gruppe in Dortmund hat die Polizei rund 1000 Plakate der rechtsextremen NPD gefunden. Dies teilte der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) in Düsseldorf mit. „Dies zeigt die enge Verflechtung dieser rechtsextremistischen Partei mit der gewaltbereiten Neonazi-Szene in Nordrhein-Westfalen“, sagte der Minister. Der Fund beim „Nationalen Widerstand Dortmund“ werde der Bund-Länder-Kommission als Material für ein mögliches NPD-Verbotsverfahren zur Verfügung gestellt.

Jäger hatte am Donnerstagmorgen ein Verbot gegen die drei gefährlichsten Neonazi-Gruppierungen ausgesprochen, parallel begann die Polizei am frühen Morgen mit Razzien gegen 133 Personen in einem Dutzend Kommunen, darunter Aachen, Düren, Dortmund, Wuppertal. Mehr als 900 Beamte durchsuchten rund 120 Objekte. Das Verbot trifft die „Kameradschaft Aachener Land (KAL)“, die von Dortmund aus agierende „Kameradschaft Nationaler Widerstand Ruhrgebiet“ und die „Kameradschaft Hamm“. „Wir reißen damit große Löcher in das Netzwerk der Neonazis“, sagte Jäger.

In Dortmund wurden 93 Wohnungen und Vereinsheime aufgesucht, im Raum Aachen, Düren und Heinsberg 48. Dabei habe sich es sich jeweils um den bisher umfangreichsten Schlag gegen Rechtsextremismus gehandelt, erklärte der Sprecher. Die Beamten suchten zudem Vereinsmitglieder in Gefängnissen und einer Klinik auf, um ihnen die Verbotsverfügung auszuhändigen. Außerdem wurden ihre Zellen und persönlichen Gegenstände durchsucht.

Die Polizei in Aachen teilte mit, es seien zahlreiche „beweiswichtige Gegenstände“ beschlagnahmt worden. Weitere Details wollte ein Sprecher zunächst nicht nennen. In einer Wohnung in Jülich im Kreis Düren habe die Polizei Gegenstände gefunden, „bei denen es sich wohl um Waffen handelt“, sagte ein Sprecher. Spezialisten sollten nun prüfen, ob sie funktionstüchtig sind.

Video: Razzien in rechtsextremer Szene

Bei den Durchsuchungen werde das Vermögen der Kameradschaften beschlagnahmt, ihr Besitz eingezogen und das Tragen von Symbolen verboten, hieß es aus dem Ministerium. Zugleich wurde den Kameradschaften das Verbot schriftlich ausgehändigt. Bei der „Kameradschaft Aachener Land“ war es laut Polizei zunächst schwierig, ihnen Vereinsstrukturen nachzuweisen. Die Vereinigung sei in keinem Register eingetragen gewesen. „Verboten werden können nur Vereine, nicht Kameradschaften“, erklärte ein Sprecher.

Bildergalerie: Die Opfer der NSU

Die Polizeiaktionen begannen um 6.00 Uhr und dauerten bis in den Vormittag. Die Polizeipräsidien Aachen und Dortmund kündigten jeweils für 15.00 Uhr Pressekonferenzen mit ersten Ergebnissen an.

Alle drei jetzt verbotenen "Kameradschaften" gelten als gewaltbereit. Die KAL näherte sich sogar der Schwelle zum Terrorismus. Zwei Anhänger der Kameradschaft waren am 1. Mai 2010 mit selbstgebastelten Sprengsätzen nach Berlin gefahren. Die Minibomben, mit Glasscherben gespickt, sollten am Rande eines Aufmarsches von Rechtsextremisten auf Gegendemonstranten und Polizisten geworfen werden. Der Anschlag wurde durch eine Polizeikontrolle verhindert.

Besonders aggressives Spektrum der "Autonomen Nationalisten".

Die 2002 aus einem NPD-Kreisverband hervorgegangene KAL feierte zudem die Morde der Bande „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“. Kurz nachdem die Verbrechen der Terrorgruppe bekannt geworden waren, zeigte die KAL auf ihrer Homepage die Parole „Zwickau rulez“ und die Trickfilmfigur Paulchen Panther. Das NSU-Trio hatte sich jahrelang in Zwickau versteckt und vermutlich dort auch ein Video produziert, in dem Paulchen Panther mehrere Morde der Bande präsentiert.

Mitglieder der KAL fielen auch durch gewalttätige Aktionen gegen Linke auf, außerdem wurde ein ehemaliger Rechtsextremist, der die Szene verlassen hatte, drangsaliert.

Die eng verbündeten Kameradschaften aus Dortmund und Hamm werden vom Verfassungsschutz dem besonders aggressiven Spektrum der „Autonomen Nationalisten“ zugerechnet. Die Dortmunder Gruppierung veranstaltete mehrere Jahre im September eine als „Antikriegstag“ betitelte Demonstration, an der sich auch Neonazis aus Hamm beteiligten.

Bildergalerie: Unser Reporter Frank Jansen berichtet von seiner Arbeit

Ein führender Aktivist aus Dortmund glorifizierte anlässlich des Aufmarschs 2011 das NS-Regime. Der Neonazi verkündete, „jeder Mensch in Dortmund weiß, dass der Nationalsozialismus garantiert nicht mit dem Ende des Deutschen Reiches 1945 untergegangen ist, sondern dass eine Idee nicht zerstörbar ist, eine Idee, die so untrennbar mit dem Deutschen Volk verbunden ist“.

Anhänger der beiden Kameradschaften waren auch am 1. Mai 2009 in Dortmund beim Angriff auf eine Demonstration von Gewerkschaftern dabei. Die Polizei konnte die Randale erst stoppen, als mehr als 300 Neonazis eingekesselt waren.

Mit den Verboten führt Innenminister Jäger seinen harten Kurs gegen Rechtsextremisten fort. Im Mai löste Jäger die Kölner „Kameradschaft Walter Spangenberg“ auf, die nach einem ehemaligen SA-Mann benannt war und in Kontakt zur jetzt verbotenen Kameradschaft Aachener Land stand. Im März hatte sich Nordrhein-Westfalen an einer Razzia dreier Länder gegen die rechtsextreme Gruppierung „Aktionsbüro Mittelrhein“ beteiligt.

Gegen 26 mutmaßliche Mitglieder des "Aktionsbüros" begann am Montag ein Prozess am Landgericht Koblenz. Die Staatsanwaltschaft wirft den meisten Angeklagten die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vor. (mit dapd)

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