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Die Parteivorsitzenden nach dem großen Gipfel.

© dpa

Schwarz-gelber Koalitionsgipfel: Macht als Selbstzweck

Die kleinteiligen Kompromisse des Koalitionsgipfels können nicht verdecken, dass in der Bundesregierung jeder auf eigene Rechnung spielt. CDU, CSU und FDP versuchen gar nicht mehr, eine gemeinsame bürgerliche Politik zu formulieren. Die Macht ist für sie zum Selbstzweck geworden.

Der schwarz-gelbe Koalitionsgipfel endete am frühen Montagmorgen ohne Überraschungen. Das Betreuungsgeld kommt, die Praxisgebühr geht. Es gibt viel neues Geld für Autobahnen und die Renten von Geringverdienern werden aufgestockt, zumindest ein kleinwenig. Nach monatelangem Streit und einer langen Verhandlungsnacht konnte jeder Koalitionspartner einen kleinen Sieg davontragen. Zudem wollen CDU, CSU und FDP mit einem politischen Rechentrick dem Wahlvolk bereits im Jahr 2014 einen ausgeglichenen Haushalt präsentieren. So funktioniert Politik, business as usal im Kanzleramt.

Dass die Kompromisse des Krisengipfels nur kleinteilig ausfielen, ist wenig überraschend. Nur pflichtschuldig spricht die Opposition jetzt von einem Kuhhandel und von Wahlgeschenken. Große Würfe fordern vor allem Journalisten gerne von der Politik, im politischen Alltag sind sie eher die Ausnahme. Auch vermieden es die Koalitionäre nach dem Streit der letzten Wochen und Monate, einen Neustart zu verkünden, aus nachvollziehbaren Gründen: Schließlich haben CDU, CSU und FDP einen solchen in den vergangenen drei Jahren schon so häufig ausgerufen, dass die Wähler wohl in schallendes Gelächter ausgebrochen wären.

Die entscheidende Frage nach dem Koalitionsgipfel vom Sonntag lautet vielmehr: Ist Schwarz-Gelb noch regierungsfähig? Hat die Bundesregierung noch die Kraft, die letzten elf Monate der Legislaturperiode durchzustehen? Reichen die verabredeten Kompromisse aus, um die bürgerliche Koalition wieder zu stabilisieren und im Wahlkampf des kommenden Jahres selbstbewusst für eine Neuauflage des Regierungsbündnisses zu werben?

Zweifel sind angebracht. Denn an den Auseinandersetzungen der letzten Wochen und Monate erschien ja nicht bemerkenswert, dass CDU, CSU und FDP unterschiedliche Klientelinteressen formulierten. Bemerkenswert war vielmehr, wie wenig die Streithähne an eine gemeinsame Zukunft glauben, wie groß die Bereitschaft ist, ohne Rücksicht auf die Regierungspartner politisch auf eigene Rechnung zu spielen und wie groß die Lust, die politischen Partner zu demütigen.

Die CSU glaubt in Bayern wieder an die alte Stärke und die absolute Mehrheit. Die kann sie nur erringen, wenn die FDP bei der Landtagswahl im Herbst kommenden Jahres an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert. Das Wohl der CSU hängt also vom Weh der FDP ab.

Die CDU rüstet sich für einen Gerechtigkeitswahlkampf gegen die SPD, rückt dafür sozialpolitisch nach links und darf deshalb auf liberale Klientelinteressen nicht mehr soviel Rücksicht nehmen. Insgeheim gehen viele Christdemokraten längst davon aus, dass sie ab dem kommenden Herbst in einer Großen Koalition mit der SPD regieren werden. Da gilt es auf die eigene Stärke zu bauen, die Zukunft der FDP hingegen scheint den Christdemokraten egal zu sein.  

Die FDP kämpft seit drei Jahren ums politische Überleben. Sie muss sich als durchsetzungsstark präsentieren, Populismus ist da wichtiger als Prinzipientreue. Philipp Rösler braucht sogar schnelle Erfolge, koste es was es wolle, sonst ist er nach der niedersächsischen Landtagswahl im Januar die längste Zeit FDP-Vorsitzender gewesen.

Betrachtet man die Ergebnisse des Koalitionsgipfels aus diesem Blickwinkel, dann machen die Kompromisse wenig Hoffnung. Ihnen fehlt der politische Kern, ihnen fehlt eine gemeinsame Botschaft. Nirgendwo formulieren CDU, CSU und FDP, was bürgerliche Politik jenseits von Haushaltskonsolidierung und Eurokrisenmanagement sein könnte. Die CSU bekommt ihr Betreuungsgeld, die CDU eine Lebensleistungsrente. Die FDP darf sich über die Abschaffung der Praxisgebühr freuen und hat der christsozialen Herdprämie mit dem Bildungssparen ein liberales Mäntelchen übergestülpt. Der Rest ist schwarz-gelbes Schweigen. Gemeinsame Ideen für ein bürgerliches politisches Projekt gibt es keine und seien sie noch so symbolisch.

CDU, CSU und FDP machen sich nicht einmal mehr die Mühe, dem Eindruck zu widersprechen, dass Macht für sie zum Selbstzweck geworden ist. Doch wenn demnächst im Bundestag ein neues Griechenland-Rettungspaket verhandelt wird oder wenn die Energiewende die Koalition vor neue Herausforderungen stellt, dann wird sich zeigen, wie stark die Zentrifugalkräfte in der schwarz-gelben Koalition bereits sind. Für die Regierungsparteien wäre es deshalb schon ein Erfolg, wenn sie noch bis zur Bundestagswahl im September kommenden Jahres durchhalten. Lust auf mehr haben CDU, CSU und FDP am Sonntag bei ihren Anhängern nicht geweckt.

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