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Der Live-Blog zum Nachlesen: Merkel erreicht Kanzlermehrheit

Der Bundestag hat die Erweiterung des Euro-Rettungsschirms EFSF gebilligt. Demnach soll Deutschland mit 211 Milliarden Euro bürgen - ein Härtetest für die Bundesregierung. Der Live-Blog aus dem Bundestag zum Nachlesen.

13:40: Die Parlamentarier müssen nochmal ran: Weil die Opposition bei der Debatte um befristete Arbeitsverhältnisse gerne die Ministerin von der Leyen im Plenum sehen würde, ließ das Präsidium abstimmen - aber die Mehrheitsverhältnisse sind unklar. Das heißt: Hammelsprung. Alle Sirenen heulen im Bundestag, alle Abgeordnete müssen noch einmal ran. Für die Regierungskoalitionäre heißt das: Weg mit dem Sektglas und ab durch eine der drei Glastüren, Ja, Nein, oder Enthaltung. Wir aber verabschieden uns aus dem Bundestag. Sie, liebe Leser, können am Ende des Blogs gerne weiter diskutieren.

13:19: Nun nochmal im Detail. Bei der Union gab es zehn Nein-Stimmen und eine Enthaltung. Bei der FDP gab es drei Nein-Stimmen und eine Enthaltung. Auch bei der Opposition von SPD und Grünen stimmten nicht alle für eine Erweiterung des EFSF. Bei der SPD gab es eine Gegenstimme und eine Enthaltung. Außerdem waren drei Sozialdemokraten nicht anwesend. Und auch bei den Grünen hat einer dagegen gestimmt: Hans-Christian Ströbele. Bei den Linken stimmten alle 70 Anwesenden dagegen.

13:06: Das Parlament dreht schon die nächste Runde. Im Plenum geht es jetzt um befristete Arbeitsverhältnisse. Trotzdem wird die vorangegangene Debatte um den EFSF den Deutschen Bundestag noch weiter beschäftigen - vor allem die Tatsache, dass die beiden Euro-Rebellen Schäffler und Willsch reden durften. Sie sprachen nämlich als einfache Abgeordnete und nicht etwa, wie normalerweise üblich, im Namen ihrer Fraktion. Dass die Kritiker Gelegenheit bekamen, ihren Standpunkt darzulegen, stößt an sich nicht auf Kritik. Hingegen stören sich Abgeordnete sowohl der Regierungsfraktionen als auch der Opposition daran, dass die Reden nicht auf das Zeitkonto der CDU- beziehungsweise FDP-Fraktionen ging. Denn jeder Fraktion steht nur eine bestimmte Redezeit zur Verfügung. Weil Willsch (CDU) und Schäffler (FDP) zusätzlich sprechen durften, hatten Union und FDP mehr Redezeit als ihnen eigentlich zustand. Auch Peter Altmaier gab zu, dass das wohl noch einmal zu debattieren sein wird. Denn wenn künftig jeder für sich rede, werde eine geordnete Debatte schwierig. Es heißt, das Rederecht für Willsch und Schäffler sei eine einsame Entscheidung von Bundestagspräsident Norbert Lammert gewesen.

12:55: Angela Merkel kann aufatmen. Sie hat nicht nur eine eigene Mehrheit geschafft, sondern auch eine Kanzlermehrheit hinter sich. Peter Altmaier, Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, war besonders erleichtert. Er hat es als erster gewusst und der Kanzlerin die frohe Kunde per SMS überbracht. Nun atmet er tief durch in der Lobby und sagt: "Das ist ein starkes Signal". Er hätte zwar keine Befürchtungen gehabt, aber dass einige aus den eigenen Reihen zuletzt immer wieder die Kanzlermehrheit als Messlatte ins Spiel gebracht hatten, hatte den Fraktionsmanager durchaus verunsichert.

12:40: Es steht fest: Die Kanzlermehrheit ist erreicht. 315 Ja-Stimmen kommen aus der Regierungsfraktion, 311 wären für die Kanzlermehrheit notwendig. Damit ist das Ziel letztlich klar erreicht.

12:32: Einmal abgesehen von der Frage, ob es nun eine Kanzlermehrheit war oder nicht (wofür viel spricht), gibt es eine weitere Frage: Was bedeutet diese Zustimmung inhaltlich? Sie bedeutet, dass der Gewährleistungsrahmen Deutschlands zur Abwendung einer Zahlungsunfähigkeit von Euro-Staaten von 123 Milliarden auf 211,0459 Milliarden Euro erhöht wird.

12:22: Die Kanzlerin ist zufrieden. Sie hat den Bundestag bereits verlassen und ist Richtung Kanzleramt gefahren. Ob sie aber bei dieser Abstimmung eine Kanzlermehrheit bekommen hat, ist noch nicht klar.

12:15 Der Bundestag stimmt nach kontroverser Debatte der Erweiterung des Euro-Rettungsschirms EFSF zu. Für die Ausweitung des EFSF stimmten 523 Abgeordnete, dagegen votierten 85. Drei enthielten sich.

12:10: In der Lobby des Deutschen Bundestags herrscht Betriebsamkeit. Darunter auch Wolfgang Bosbach. Er hat gegen die Erweiterung des EFSF gestimmt und er ist eine Art christdemokratisches Urgestein. Der ist etwas enttäuscht, dass es Anfeindungen gegen ihn gegeben hat, weil er gegen seine Fraktion stimmt. Jetzt wolle er erstmal in Ruhe drüber nachdenken, wie es für ihn weiter geht. Ein paar Meter weiter steht einer, der sichtlich entspannter ist. Peer Steinbrück. Der Ex-Finanzminister und Anwärter auf die SPD-Kanzlerkandidatur stellt sich gerne allen Fragen und Kameras. Sogar CNBC darf ran, englische Fragen und englische Antworten.

11:58: Das war es schon wieder. Die Abstimmung ist abgeschlossen. Jetzt wird gezählt. Und Wolfgang Thierse muss erstmal für Ordnung sorgen. "Vor allem vor der Regierungsbank herrscht noch eine gewisse Unordnung". Entschließungsanträge stehen zur Abstimmung, nur so recht interessiert es keinen mehr.

11:55: Nachdem nun auch der letzte Schriftführer gefunden wurde, geht es los: Die Abgeordneten werfen ihre Stimmkarten in die Urnen. Es herrscht Gedrängel auf dem Parkett.

11:53: Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) erklärt noch einmal alles. Es wird namentlich abgestimmt. Aber halt, es fehlen noch Schriftführer!

11:51: Jetzt ist auch Norbert Barthle (CDU) fertig und die Abstimmung kann beginnen.

11:44: Anders als Frank Schäffler erhält Hermann-Otto Solms aus den Reihen der Union und der FDP viel Applaus. Vor allem für den Satz "Wir werden zustimmen."

11:35: Frank Schäffler, der vielleicht hartnäckigste Kritiker der schwarz-gelben Euro-Politik, kommt zu Wort. So wie vor ihm Klaus-Peter Willsch, spricht auch er nicht für die FDP-Fraktion, sondern als einfacher Abgeordneter. Und nach einem Schluck Wasser geht er in die Vollen. Als die europäischen Staats- und Regierungschefs die Griechenlandhilfen im Mai 2010 beschlossen, hätten sie sich zum "kollektiven Rechtsbruch" verabredet. Er zitiert sogar die Rede von Papst Benedikt XVI., der sagte: "Nimm' das Recht weg und was ist ein Staat dann mehr als ein Räuberstaat." Schäffler spricht von einer "Knechtschaft", in die sich Deutschland begebe. Am Ende bleibt es still. Nur einer klatscht, leise, zaghaft, irgendwo unter dem Tisch in den Reihen der FDP.

11:28: Wie geht es eigentlich Guido Westerwelle an so einem Tag? Er sitzt zwei Stühle neben Merkel und blickt ins Nichts. Den Kopf auf die Hände gestützt. Kein Blättern in Akten, keine Gespräche mit Rösler. Vielleicht noch Jet-Lag nach der UN-Sitzung in New York Anfang der Woche.

11:25: Die Tribünen sind voll besetzt. Schulklassen, Familien, Rentner. Deutschland schaut zu, wie Schwarz-Gelb um eine große Mehrheit kämpft. Zurzeit kämpft Gerda Hasselfeldt, Landesgruppenchefin der CSU.

11:13: Jetzt sind die Kritiker an der Reihe. Klaus-Peter Willsch von der CDU macht den Anfang. Allerdings spricht er nicht für seine Fraktion, "leider nicht", wie er anfügt, sondern als einfacher Abgeordneter. Man habe das Versprechen abgegeben, den Euro stark und stabil zu halten. Der Euro sei stark und auch noch stabil. "Aber ich befürchte, dass wir diese Stabilität nicht aufrecht halten können, wenn wir diesen Weg weitergehen." Außerdem habe man versprochen, dass kein Land für die Schulden eines anderen haften müsse. "Aber genau das brechen wir mit diesem Beschluss." Einer klatscht - Frank Schäffler, der Euro-Rebell der FDP. Am Ende bedankt sich Willsch beim Bundestagspräsidium, dass er reden durfte, und bei seiner Fraktion, dass sie dies "ertragen" habe.

11:02: Zwischenfragen wollte Rösler nicht, dafür gibt es jetzt sogenannte Kurzinterventionen. Als erstes vom SPD-Abgeordneten Hubertus Heil. Der will wissen, warum Rösler den anti-europäischen Populismus vor der Berlin-Wahl befeuert habe. Antwort Rösler: Gegenfrage, wo war ihre pro-europäische Haltung, als die Stabilitätskriterien aufgeweicht wurden von Rot-Grün?

10:58: Rösler betont die Erfolge von Schwarz-Gelb. Zwischenfragen lässt er nicht zu - nicht einmal die Frage von Bundestagspräsident Norbert Lammert danach.

10:56: Jetzt redet der Vizekanzler, und seine Chefin hat es gerade so zurück in den Plenarsaal geschafft. Philipp Rösler spricht vom Vertrauensverlust der Bürger. Großes Gelächter.

Wie sich Wolfgang Schäuble verteidigt, erfahren Sie auf der nächsten Seite.

10:46: Kleiner Wechsel bei der FDP. Eigentlich sollte Hermann-Otto Solms als übernächster reden. Jetzt soll der Chef, Philipp Rösler, selbst ran. Doch nun ist erstmal Carsten Schneider, haushaltspolitischer Sprecher der SPD, an der Reihe. Er kanzelt Brüderles Einlassungen erstmal als "Büttenrede" ab.

10:33: Schäuble redet ruhig. Er will keine unnötige Aufregung. Er betont, dass heute nur über eine Aufstockung des EFSF abgestimmt werde.

10:31: "Es wird nichts verheimlicht oder verschwiegen", versichert der Finanzminister.

10:30: "Keinem fällt die Entscheidung hier leicht", sagt Schäuble.

10:28: Es wird ganz still. Finanzminister Wolfgang Schäuble beginnt seine Rede.

10:20: Was machen die Abweichler? Einer sitzt ganz außen in Reihen der FDP und heißt Frank Schäffler. Immer wieder rollt er mit seinem Stuhl vor und zurück, vor und zurück, die Arme verschränkt und ein Lächeln auf dem Gesicht. Seine Entscheidung steht. Aber was ist mit denen, die noch wackeln?

10:16: Trittin ist an der Reihe, und auch Angela Merkel ist zurück auf der Regierungsbank. Erst einmal teilt Trittin in Richtung Linksfraktion aus. Als "national" bezeichnet er das angekündigte Nein der Linken zum EFSF. Das bringt ihm sogar Applaus aus den Reihen der Regierungsfraktionen.

10:00: Jetzt wird es einsam um Guido Westerwelle, Außenminister, und Philipp Rösler, Wirtschaftsminister und FDP-Chef. Denn kaum, dass sich Gregor Gysi zum Rednerpult bewegt hat, sind Merkel und die Hälfte ihres Kabinetts aufgestanden, um sich eine Pause zu gönnen. Nur Westerwelle und Rösler bleiben sitzen und schweigen sich an.

Staatsmann Steinbrück und Büttenredner Brüderle? Erfahren Sie mehr auf der nächsten Seite.

9:57: Merkel lehnt sich das erste Mal entspannt zurück, schlägt die Beine übereinander und rollt in ihrem Stuhl zurück. Dass ausgerechnet Rainer Brüderle mal für Entspannung bei ihr sorgen könnte, hätte sie wohl auch nicht gedacht. Aber er war so etwas wie der Einpeitscher, mit voller Verve hat er sich in Debatte gestürzt, so sehr, dass die Stimme sich fast überschlagen hat.

9:51: Brüderle läuft sich warm. Es wird beinahe weinselig. Trittin ruft mal wieder dazwischen. Und der FDP-Fraktionschef nutzt die Vorlage. "Sie haben Deutschland das Dosenpfand beschert, jetzt wollen sie bald Finanzminister werden. Aber wir werden dafür sorgen, dass Europa keine Blechwährung bekommt."

9:47: FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle macht sich nun ans Werk. Und erstmal verteidigt er den Bundesfinanzminister Schäuble. Ihm zu unterstellen, er würde täuschen, sei unredlich. Und er spricht sich gegen eine Hebelwirkung, sprich eine weitere Erweiterung des EFSF, aus. Schließlich geht bei der FDP die Angst um, dass es bei dem heute zu beschließenden Volumen nicht bleibt.

9:39: Am Ende holt Steinbrück die große Keule raus. Eigentlich müsste die Linke doch jetzt laut klatschen. Darf sie natürlich nicht. Gilt Steinbrück doch als Rechter in der SPD. Steinbrück schimpft über den "Finanzmarktkapitalismus", darüber, wie dieser zu "sozialer Entfremdung" führe und wie die Politik nur noch Getriebene und nicht Handelnde sei. Schwarz-Gelb fehle das Vertrauen. Und Steinbrück blickt zum Schluss auf den chinesischen Kalender. Dort sei derzeit das Jahr des Hasen. "Und genau diesen Eindruck vermittelt die Regierung."

9:35: Ein "bisschen Krisenmanagement" reiche nicht aus, sagt Steinbrück. Er fordert einen Schuldenschnitt für Griechenland.

9:30: Die Bundeskanzlerin versucht den Herrn am Pult zu ignorieren. Sie schlendert zu ihrem Verkehrsminister, Peter Ramsauer, spricht mit Rösler und, klar, sie schreibt SMS.

9:25: "Diesen Hintergrund haben Sie, Frau Merkel, nicht ausreichend beleuchtet", wirft Steinbrück Merkel vor. Unruhe in der Union, Zwischenrufe. Steinbrück: "Sind Sie so nervös?"

9:22: Steinbrück fordert eine "Neuerzählung Europas". Er spricht von Fehlern, die gemacht wurden. Etwas staatsmännisch gibt sich Steinbrück. Verweist auf Gedenktafel von Kriegsgefallenen, auf ein "Europa der Freiheit und Freizügigkeit".

9:19: Es könnte noch etwas hitziger werden: Peer Steinbrück betritt das Pult. Als Ex-Finanzminister, SPD-Bundestagsabgeordneter. Und auch als zukünftiger Kanzlerkandidat?

Warum es schon erste Verletzungen bei Schwarz-Gelb gibt, erfahren Sie auf der nächsten Seite.

9:17: Kauder spricht schonmal von einer "breiten Mehrheit" der Koalition. Das lässt vieles offen: Kanzlermehrheit? Einfache Mehrheit? Der Applaus in Reihen der Regierungsfraktionen ist eher zurückhaltend, unsicher. Man weiß nicht so genau.

9:15: Es wird langsam etwas hitziger: Jürgen Trittin wagt den ersten Zwischenruf. Und Treffer: Volker Kauder geht drauf ein. "Unerhört".

9:10: Angela Merkel trifft noch letzte Absprachen mit ihrem Kanzleramtschef Ronald Pofalla. Auch mit ihrem Sitznachbar Rösler wird noch getuschelt.

9:08: Jetzt hat es auch Bundesumweltminister Norbert Röttgen geschafft.

9:07: Unions-Fraktionschef Volker Kauder eröffnet die Debatte. Er spricht von einem "Europa der Parlamente" und von einem "Paradigmenwechsel". Er verteidigt das Gesetzgebungsverfahren. "Jeder konnte sich beteiligen."

9:05: Aber Merkel ist nicht allein. Auch Renate Künast kommt später - ohne orangefarbene Tasche.

9:03: Angela Merkel ist zu spät. Dafür hat sie ihren Auftritt. Die Kameras klicken. Vor allem die orangefarbene Tasche sticht hervor. Auch ihren Vizekanzler Philipp Rösler begrüßt sie. Sitzt ja immerhin noch neben ihr.

9:02 Der Gong ertönt. Stille. Norbert Lammert kommt herein und eröffnet die Sitzung.

8:47 Die Grünen stecken die Köpfe zusammen. Die Schalfarbe von Parteichefin Claudia Roth: gelb-orange.

8:46: Der Plenarsaal füllt sich. Auch die Staatssekretäre haben Platz genommen - hinter der Regierungsbank. Dort hat sich Sabine Leutheusser-Schnarrenberger als erstes blicken lassen.

8:45: Peter Gauweiler, CSU-Politiker und das, was man einen Euro-Rebell nennt, trägt erste Verletzungen davon: Sein linker Daumen ist dick verbunden. Spuren eines Abwehrkampfes?

8:33 Kurz vor der Abstimmung ist sich Unions-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier (CDU) der Kanzlermehrheit nicht sicher. Im ARD-Morgenmagazin sagte er: "Die Kanzlermehrheit ist nicht das Entscheidende. Ich weiß auch wirklich gar nicht, ob es darauf ankommt, ob die mit einer Stimme erreicht wird oder nicht erreicht wird." Er gehe davon aus, dass es "ein gutes Ergebnis" für die schwarz- gelbe Koalition geben werde. Altmaier weiter: "Wenn es für die Kanzlermehrheit reicht, umso besser. Aber entscheidend ist, dass wir eine eigene Mehrheit zustande bringen."

Altmaier wurde von der britischen BBC bereits als Angela Merkels "Chief Whip" vorgestellt, ihr Chefeinpeitscher also. Doch ein Peitschenschwinger ist der Saarländer nun wirklich nicht.

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