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Serie Bundestagswahlen: 1949: Ruhige Hand siegt gegen klare Kante

Die erste Bundestagswahl: Polemik bestimmte den Wahlkampf, die Favoritin SPD unter Kurt Schumacher verlor - und Konrad Adenauer wurde Kanzler.

14. August 1949: Die erste Bundestagswahl, es war ein Sommerwahlkampf, aber kaum jemand war im Urlaub. Deutschland lag nach dem Krieg am Boden. Wie es wieder nach oben kommen könnte, wie die Wirtschaft gestaltet werden sollte, darum ging es in der emotionalen Auseinandersetzung, der vor allem der SPD-Kanzlerkandidat Kurt Schumacher Schärfe gab. Es war einer der heftigsten Wahlkämpfe in der Geschichte der Bundesrepublik, noch geprägt von der aufgeheizten Atmosphäre der Weimarer Republik, oft polemisch, mit vielen Schmähreden.

Schumacher schlug nicht nur sozialistische Töne an (die SPD hatte ihr Godesberg noch vor sich und plädierte für eine staatlich gelenkte Ökonomie wie die 1945 so erfolgreiche britische Labour Party). Nein, Schumacher gab sich auch betont nationalistisch, der SPD-Mann (der seine Sozialdemokraten schon in der Weimarer Republik gern in der Nachfolge des "Reichseinigers" Bismarck sah) hatte Probleme mit der Weststaatsgründung und der beginnenden Verankerung der neuen Bundesrepublik in einer Gemeinschaft mit den westlichen Siegermächten.

"Lügenauer" und "Rattenfänger"

Aber Schumacher war auch Antikommunist, mit der KPD und der DDR hatte er nichts am Hut. Seine Illusion deutscher Neutralität zwischen Ost und West war aber angesichts des frühen Kalten Kriegs wenig wirklichkeitsnah, und da er auch noch gegen die katholische Kirche hetzte und damit in der christlich geprägten Arbeiterschaft (und die gab es nicht zuletzt im Ruhrgebiet noch), half er mit seinem Verbalradikalismus seinem Gegner vielleicht, die Wahl am Ende zu gewinnen. Das Kontrastprogramm vertrat Konrad Adenauer („Lügenauer“ nannte Schumacher den führenden Christdemokraten, die CDU konterte mit „Rattenfänger“). Die herben Attacken der Sozialdemokraten, auf die viele Beobachter als Sieger gesetzt hatten, fruchteten nicht: Am 14. August 1949 hatte der Kandidat des Kapitals und des Klerus, der Kandidat der Westmächte, die Nase leicht vorn.

Adenauer konnte eine konservativ-liberale Regierung bilden. Wobei die soziale Marktwirtschaft, welche die CDU propagierte, nur noch wenig vom sachten christlichen Sozialismus geprägt war, den die Partei unter dem Einfluss christlicher Gewerkschafter nach 1945 für einige Jahre gepflegt hatte. Verstaatlichungen und Planwirtschaft waren nicht mehr auf ihrer Agenda. Die Union durfte wohl auch regieren, weil der frühere Kölner Oberbürgermeister trotz seines hohen Alters von 73 Jahren (oder vielleicht gerade deswegen) eher für die Sehnsucht nach einem ruhigen Neuanfang stand als der Scharfmacher Schumacher. Etwas zugespitzt: Ruhige Hand siegte gegen klare Kante.

Noch schafften es kleine Parteien in den Bundestag

CDU und CSU kamen am Ende auf 31 Prozent, die SPD landete bei nur 29,2 Prozent, die FDP errang 11,9 Prozent,  wozu auch beitrug, dass sie offenbar viele bürgerliche Wähler im protestantischen Milieu anzog, weil CDU und CSU noch stark im politischen Katholizismus verankert schienen, und auch weil die FDP in ihrer Frühphase immer ein bisschen aus der verbliebenen braunen Soße schöpfte. Die KPD schaffte es, trotz oder wegen des Antikommunismus, den Adenauer und auch Schumacher vertraten, mit 5,7 Prozent in den Bundestag, ebenso die Bayernpartei, das Zentrum, die rechte Deutsche Partei und einige Kleinparteien mehr, ja sogar drei Einzelbewerber.

Im Grunde hatte sich das Parteiensystem der ersten Republik bis 1949 erhalten, weshalb man auch von der letzten Weimarer Wahl spricht. Dass der Bundestag recht bunt war, lag am Wahlrecht: Es genügte schon ein Direktmandat für den Einzug einer Partei, auch wenn die unter der schon geltenden Fünfprozenthürde blieb. Den Direktmandaten gab man noch den Vorrang: Nur 40 Prozent der Sitze wurden über die Parteilisten besetzt, 60 Prozent von den Wahlkreissiegern.

Enttäuschte Sozialdemokraten

Die SPD war enttäuscht und demoralisiert, ihre tragende Rolle in der Weimarer Demokratie und ihre konsequente Gegnerschaft zum Nationalsozialismus wurde nicht belohnt. Viele Wähler verbanden die Partei aber, auch angesichts von Schumachers Rhetorik, mit den Wirren und Zerklüftungen der Weimarer Zeit - es war ausgerechnet der greise Adenauer, der bei nicht wenigen Wählern eher für einen Neubeginn stand. Die große Koalition, die in beiden Parteien viele Anhänger hatte, kam auch nicht: Adenauer und Schumacher konnten sich nicht leiden. Die SPD wanderte in die Opposition – für 17 lange Jahre.

Die weiteren Teile der Serie zu den Bundestagswahlen lesen sie hier.

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