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Wahl-Ergebnis: Neue Regierung soll bis zum 9. November stehen

UPDATE Angela Merkel bleibt Kanzlerin. Bei der Bundestagswahl erringen Union und FDP eine Mehrheit - vor allem wegen der starken Liberalen. Die CDU-Chefin will schon in den nächsten Tagen mit dem neuen Partner über die Regierungsziele verhandeln. Aber die FDP will sich nicht drängen lassen und kündigt harte Koalitionsverhandlungen an.

Deutschland steht vor einem Regierungswechsel: Die Union ging aus der Bundestagswahl am Sonntag als stärkste Kraft hervor, Angela Merkel bleibt Bundeskanzlerin und kann ihre Wunschkoalition mit der FDP bilden. CDU und CSU kamen nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis bundesweit auf 33,8 Prozent der Stimmen, blieben damit aber leicht unter ihrem Ergebnis von 2005. Die CSU rutschte in Bayern dem Bayerischen Rundfunk zufolge sogar auf 41 Prozent ab. Die Freidemokraten mit ihrem Spitzenkandidaten Guido Westerwelle erreichten mit 14,6 Prozent ihr bestes Bundestagswahlergebnis seit 1949. Damit hätte Schwarz-Gelb eine knappe Mehrheit der Mandate.

Durch Überhangmandate kommt Schwarz-Gelb im 17. Bundestag zusammen auf 332 Mandate und liegt damit deutlich vor Rot-Rot-Grün mit 290 Sitzen. Durch den knappen Sieg von CDU und FDP bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein haben Union und FDP auch im Bundesrat eine Mehrheit, was das Regieren erleichtert.

Kanzlerin Merkel freute sich über eine "stabile Mehrheit" in einer neuen Regierung. "Wir haben was Tolles geschafft", sagte Merkel auf der Wahlparty der CDU im Konrad-Adenauer-Haus. Sie ergänzte, dass sie "Bundeskanzlerin aller Deutschen" sein wolle und dafür arbeite, dass es den Menschen gerade in der derzeitigen Krise besser gehe. Es seien "viele Probleme zu lösen in diesem Land." Es bleibe Anspruch der CDU, Volkspartei zu bleiben.

Die FDP will sich Zeit lassen

Auch der wohl neue Koalitionspartner FDP freute sich sichtlich über den Erfolg. FDP-Chef Guido Westerwelle würdigte das Abschneiden seiner Partei als "herausragend". Dieses bedeute aber auch Verantwortung, sagte Westerwelle am Sonntagabend. "Wir wollen jetzt Deutschland mitregieren." 

Die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und FDP sollen nach dem Willen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) spätestens in der nächsten Woche beginnen – bis zum 9. November soll die neue schwarz-gelbe Koalition stehen. "Am 9. November, wenn der 20. Jahrestag des Mauerfalls ist, dann würde ich ganz gerne die vielen europäischen Staats- und Regierungschefs und andere Gäste, die kommen, mit einer neuen Regierung begrüßen", sagte die CDU-Chefin am Montag nach den Sitzungen der Parteigremien in Berlin. "Das wäre kein Fehler."

Die Liberalen wollen sich aber nicht unter Druck setzen lassen. "Solidität geht vor Schnelligkeit", sagte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel. Am Montagvormittag trafen sich Partei- und Fraktionsspitzen im Reichstagsgebäude, um über den Ausgang der Bundestagswahl zu beraten. Union und FDP hatten am Sonntag die Mehrheit erlangt und die SPD zu Linkspartei und Grünen in die Opposition geschickt.

Harte Koalitionsverhandlungen möglich

Bereits am Nachmittag wollten sich Merkel und FDP-Chef Guido Westerwelle im Kanzleramt treffen, um den Fahrplan festzulegen. Nach Auffassung der Kanzlerin soll die Koalitionsbildung möglichst bis Ende Oktober abgeschlossen sein. Die FDP kündigte angesichts ihres starken Abschneidens, mit dem erst Schwarz-Gelb möglich wurde, harte Koalitionsverhandlungen an. CDU/CSU würden schnell lernen, dass die FDP durchsetzungsfähiger und hartnäckiger sei als die Sozialdemokraten, sagte Niedersachsens Wirtschaftsminister Philipp Rösler am Montag im Deutschlandradio Kultur.

Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach warnte die FDP vor übertriebenen Forderungen. "Natürlich werden sie mit breiter Brust an den Verhandlungstisch kommen", sagte Bosbach im Bayerischen Rundfunk. "Aber die FDP weiß selber, dass die Union doch noch deutlich stärker ist als die Liberalen." Bayerns FDP-Chefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wies im Bayerischen Rundfunk auf deutliche Unterschiede zwischen Union und FDP in der Steuer- und Finanzpolitik sowie in der Innen- und Rechtspolitik hin.

Beide Parteien wiederholen Steuerversprechen

Als Angebot an die Liberalen kündigte CDU-Generalsekretär Pofalla an, die Steuerbelastungen ungeachtet der gewaltigen Neuverschuldung zu senken. "Wir wollen eine Steuerentlastung in zwei Schritten mit einem Gesamtvolumen von 15 Milliarden Euro." Dabei wolle man die sogenannte kalte Progression zurücknehmen und den Eingangssteuersatz um zwei Prozentpunkte senken.

Auch der Koalitionspartner FDP wiederholte seine Steuerversprechen. Parteivize Andreas Pinkwart sagte im WDR, nötig sei "steuerliche Entlastung vor allen Dingen für die Familien mit Kindern". Kinder und Jugendliche sollten im Steuerrecht endlich den Erwachsenen durch den gleich hohen Grundfreibetrag gleichgestellt sein. Internationale Vergleichsstudien zeigten, dass es in den wichtigen Industrieländern "kaum eine so hohe Steuern- und Abgabenbelastung für Familien wie in Deutschland" gebe.

Steinmeier gesteht Niederlage ein

Die SPD, der bisherige Koalitionspartner der Union, musste hingegen erhebliche Verluste hinnehmen und kam nur noch auf 23,0 Prozent: Das ist das schlechteste Ergebnis der Sozialdemokraten bei einer Bundestagswahl (das bislang niedrigste Resultat waren die 28,8 Prozent aus dem Jahr 1953). Die SPD muss nun nach elf Jahren an der Regierung in die Opposition. Die Aufholjagd, die SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier mit Blick auf angeblich besser werdende Daten für die SPD in Umfragen verkündet hatte, erwies sich als Trugschluss.

Steinmeier gestand unmittelbar nach Bekanntgabe der ersten Prognosen seine Niederlage ein. Dieser Tag sei ein "bitterer Tag für die deutsche Sozialdemokratie" und insgesamt für die Partei eine "bittere Niederlage". Steinmeier will nach dem desaströsen Ergebnis der Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl Oppositionsführer werden. "Ich habe diese Verantwortung als Spitzenkandidat gern getragen, und deshalb sage ich gerade an diesem bitteren Abend: Ich werde aus der Verantwortung nicht fliehen".

Die Linkspartei erreichte 11,9 Prozent und konnte damit deutlich zulegen. Auch die Grünen konnten hinzugewinnen, blieben aber unter ihren Erwartungen. Sie hatten als Ziel ausgegeben, drittstärkste Kraft zu werden – mit 10,7 Prozent landeten sie allerdings nur auf dem fünften Platz. Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn sagte: "Schön ist, dass wir zweistellig geworden sind." Insgesamt lagen die zuletzt immer wieder in die Kritik geratenen Umfrageinstitute mit ihren Prognosen des Wahlausgangs relativ nahe am Ergebnis.

Historisch niedrige Wahlbeteiligung

Bei der Wahlbeteiligung deutete sich bis zum Nachmittag ein Rückgang an; um 14 Uhr hatten etwa 36 Prozent der Wahlberechtigten ihr Stimmrecht genutzt, vor vier Jahren waren es zu dem Zeitpunkt mehr als 40 Prozent. Nach der ZDF-Prognose lag sie am Ende bei etwa 72 Prozent. 2005 hatten noch 77,7 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Wahlberechtigt waren etwa 62,2 Millionen Bürger, darunter rund 3,5 Millionen Erstwähler. In den Wahlkreisen und über die Parteilisten bewarben sich 3556 Kandidaten; insgesamt traten 27 Parteien an, zwei mehr als 2005.

Vor vier Jahren, als eine schwarz-gelbe Koalition nach den Umfragen ebenfalls lange in Front lag, kam die Union am Ende auf 35,2 Prozent, knapp vor der SPD mit 34,2 Prozent. Drittstärkste Kraft wurde damals die FDP mit 9,8 Prozent vor den Linken mit 8,7 und den Grünen mit 8,1 Prozent. CDU und CSU erlangten 226 Sitze im Bundestag. Die FDP errang damals 61 Mandate, an die Linkspartei (damals noch PDS) fielen 54, an die Grünen 51 Sitze.

Im Wahlkampf hatte die SPD eine Koalition mit der Linken ausgeschlossen, die FDP wollte keine "Ampel"-Koalition mit SPD und Grünen bilden, und die Grünen lehnten eine "Jamaika"-Koalition mit Union und FDP ab. Damit blieb den Wählern nach den Umfragen nur die Aussicht auf eine schwarz-gelbe Koalition oder die Fortsetzung der Koalition von Union und SPD. Das von SPD und Grünen angestrebte rot-grüne Bündnis lag in den Befragungen stets weit zurück.

Vor dem Wahlsonntag war spekuliert worden, ob Überhangmandate die Wahl entscheiden könnten. Aus der Hochrechnung ergibt sich jedoch, dass das nicht der Fall sein wird.   

(mit Zeit Online, dpa)

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