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Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama.

© AFP

Präsident und Kanzlerin: Obamas Botschaft: Lob und Preis

US-Präsident Barack Obama lobt die Kanzlerin in den höchsten Tönen. Was für ein Kontrast zu Merkels Bild in Deutschland! Wie eng sind sie wirklich miteinander? Da werden sich die Beobachter wohl nie einig.

Lob ist bisweilen schwerer zu ertragen als Kritik. Lob hört jeder gerne. Aber Lob ist keine folgenlose Nettigkeit. Wer lobt, möchte damit etwas bewirken. Und wer Lob annimmt, sieht sich bald der Erwartung gegenüber, dass er auch entsprechend handelt.

Barack Obama hat Deutschland und die Kanzlerin im Interview mit dem Tagesspiegel mit Lob überschüttet. Deutschland ist eine globale Führungsmacht. Es bildet das Zentrum Europas und ist der Schlüssel zu allem, was die USA weltweit erreichen wollen. Da werden manche abwehren: Sooo wichtig wollen wir doch gar nicht sein.

Er hat Angela Merkel als „gute Freundin und eine meiner engsten Partnerinnen in der Welt“ gepriesen. Sie telefonieren regelmäßig, er berät sich bei jeder wichtigen Frage auf seiner internationalen Agenda mit ihr. Er bewundert ihren Lebensweg, sie verkörpert das Versprechen der Freiheit und ist eine Inspiration für Menschen rund um die Erde. Was für ein Kontrast zu Merkels Bild in Deutschland! Deshalb werden viele auch dies als Schmeichelei abtun oder raffinierte Strategie, um Zugeständnisse zu erreichen.

Was aber wäre, wenn die Deutschen sich offen und unvoreingenommen anhören, wie der mächtigste Mann der Erde sie und ihre Kanzlerin sieht? Obama hat nicht übertrieben. Die Bundesrepublik ist das mächtigste Land Europas und die viertgrößte Wirtschaftsmacht der Erde. Sie hat weltweite Interessen und weltweiten Einfluss. Versteckt euch nicht hinter eurer Geschichte, sagt der Präsident. Handelt, bitte, so, wie es eurem Gewicht entspricht. Wer im Ausland lebt oder oft reist, wird wissen, wie groß die Erwartungen sind: in Asien, in Arabien, in Afrika. Die Welt hat heute keine Angst vor einem auftrumpfenden Deutschland. Sie ist eher enttäuscht, wenn die Bundesrepublik sich zu sehr zurückhält.

Angela Merkel ist die unangefochtene Nummer eins in Europa. Wer denn sonst? Frankreichs Sarkozy eckt mit seinem hyperaktiven, egozentrischen Auftreten an. Italiens Berlusconi ist schon lange nicht mehr ernst zu nehmen. Der Brite David Cameron hat bei Obamas jüngstem Besuch in London eine gute persönliche Beziehung aufgebaut. Doch die tiefe Krise Großbritanniens zwingt ihn, sich auf die Innenpolitik zu konzentrieren und selbst in dem Bereich zurückzustecken, in dem sein Land einen Vorsprung in der Kooperation mit den USA hat, bei gemeinsamen Militäreinsätzen. Die Briten sind zudem nicht Teil der Eurozone. Auch diese Fäden laufen bei Merkel zusammen.

Deutschland hat die Folgen der Finanzkrise besser als andere westliche Industrienationen gemeistert. Das stärkt Merkel zusätzlich. Gewiss, sie erntet auch die Früchte der Reformen ihrer Vorgänger. Doch im Ausland schauen die Menschen nicht auf ihr Parteibuch und die Popularitätswerte der Koalition. Sie sehen ein starkes, erfolgreiches Deutschland unter einer international einflussreichen Kanzlerin. Nur im eigenen Land gilt der Prophet bekanntlich nichts. Da geht es dem Präsidenten und der Kanzlerin ähnlich. Beide genießen höheres Ansehen bei ihren wichtigsten Partnern im Ausland als bei den Bürgern daheim. Eine „Wunder Woman“ nennt „Newsweek“ sie.

Wie eng sind sie wirklich miteinander? Da werden sich die Beobachter wohl nie einig. Sie fallen sich nicht in die Arme. Sie nennen sich nicht ständig bei ihren Vornamen, um Nähe zu suggerieren, sondern sprechen sich öffentlich mit „Präsident“ und „Kanzlerin“ an. Die einen halten das für einen Beleg einer inneren Distanz. Andere sehen darin den nüchtern- respektvollen Stil, der beiden gemeinsam ist – weshalb sie sich besonders gut verstehen. Er könne ihr vertrauen, wenn sie eine Zusage gibt, betont Obama. Das ist das wertvollste Kapital unter Verbündeten. Man darf fragen, ob er das auch über Putin oder Sarkozy sagen würde.

Natürlich will Obama mit dem Lob etwas bewirken – aber nichts Ehrenrühriges: die Übernahme von mehr deutscher Verantwortung generell und derzeit speziell in Arabien und Libyen. Als Nato-Mitglied sind die Deutschen ohnehin indirekt dabei. Es geht, wie 1989, um mehr Freiheit. Obama vertraut den Deutschen. Das ist kein Grund, sich zu erschrecken.

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