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Wenn der Schirm nicht reicht. Der Parthenon-Tempel der Akropolis zeugt von glorreichen Zeiten Griechenlands. Lang ist’s her.

© dpa

Schuldenkrise: Angst vor Rezession

Der Internationale Währungsfonds fordert neue Konjunkturprogramme. Es wird befürchtet, die europäische Schuldenkrise könnte eine Rezession auslösen. Die Gestaltungsspielräume der europäischen Staaten sind jedoch überschaubar.

Noch vor wenigen Wochen war überall eitel Sonnenschein. Die Politik schien die Krise einigermaßen im Griff zu haben, die Wirtschaft war auf dem Weg der Erholung – vor allem in Deutschland. Doch nun sorgen sich immer mehr Wirtschaftsexperten um eine nahende Rezession. Selbst in Deutschland sei mit Problemen zu rechnen, befürchtet der Internationale Währungsfonds (IWF).

Dessen neue Chefin Christine Lagarde plädiert daher für Konjunkturprogramme. „Mit Blick auf Europa empfehlen wir, dass die Länder ihren Sparkurs an die veränderte Lage anpassen und wachstumsfördernde Maßnahmen ins Auge fassen“, sagte sie dem „Spiegel“. In Deutschland seien unter Umständen ebenfalls Konjunkturhilfen denkbar. „Wenn der Export, auf dem das deutsche Wirtschaftsmodell beruht, einbricht, dann könnte die Bundesregierung gegensteuern“, sagte die Französin.

Der IWF habe festgestellt, dass sich eine neue Vertrauenskrise entwickele, die die wirtschaftliche Lage weltweit verschlechtere, sagte Lagarde. Diese Vertrauenskrise habe einen Höhepunkt erreicht, als die USA ihre Top-Bonitätsnote verloren hätten. „Deshalb müssen Maßnahmen ergriffen werden, um eine drohende Abwärtsspirale abzuwenden.“ Dazu gehöre, dass die europäischen Banken ihr Eigenkapital aufstockten. Dies sei nötig, damit die Banken gegen die Risiken der Schuldenkrise und des schwachen Wachstums gewappnet seien. Vergangene Woche war sie mit diesem Vorstoß bei Banken und Politikern noch auf Kritik gestoßen.

Allerdings sind die Möglichkeiten der Staaten und Notenbanken für einen Eingriff übersichtlich. Die Zinsen sind in Europa und den USA schon sehr niedrig, die Staaten haben hohe Schulden aufgetürmt. In Deutschland laufe die Gesundung der Finanzen aber bestens, sagte Lagarde. Wenn Deutschland seine Binnennachfrage belebe, sei das gut für die deutsche Wirtschaft und für die der Nachbarländer.

Im zweiten Quartal war der deutsche Aufschwung gestoppt worden, die Wirtschaft wuchs nur noch um 0,1 Prozent. Für das gesamte Jahr erwarten Ökonomen aber eine um drei Prozent gestiegene Wirtschaftsleistung, 2012 sollen es zwei Prozent sein. Allerdings hat gerade die Weltbank gewarnt, die Weltwirtschaft stehe vor einer „gefährlichen Phase“.

Altkanzler Schröder lobt Merkels Krisen-Management. Lesen Sie weiter auf Seite zwei.

Führende Ökonomen sehen anders als der IWF nicht die Staaten, sondern die Europäische Zentralbank (EZB) am Zug – sie soll die Zinsen senken. „Der Sparkurs der Regierungen ist dringend nötig, aber wenn die EZB zulässt, dass er zu einer Rezession führt, dann gefährdet das die Einhaltung der Sparziele“, sagte Julian Callow, Europa-Chefvolkswirt von Barclays Capital, dem „Handelsblatt“. „Die Rezessionsgefahr ist real, und nur die EZB hat derzeit die Möglichkeit, dagegen anzugehen“, urteilte auch Gustav Horn, Chef des gewerkschaftsnahen Wirtschaftsinstituts IMK. Die EZB berät am Donnerstag über ihre Zinspolitik.

Die Gefahr für die Wirtschaft und den Euro sieht auch deren Präsident Jean-Claude Trichet. Er ermahnte Italien daher, an seinen Sparzusagen festzuhalten. Der von Ministerpräsident Silvio Berlusconi angekündigte Ausgleich des Haushalts bis 2013 sei äußerst wichtig, um Italiens Kreditwürdigkeit und Glaubwürdigkeit an den Finanzmärkten zu stärken, sagte er am Wochenende. Vergangenen Freitag war bekannt geworden, dass bereits Griechenland seine Sparziele in diesem Jahr nicht erreichen wird.

Um derartige Probleme in Zukunft zu verhindern, fordert Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) eine umfassende Reform der EU. „Man wird national Souveränitätsverzicht üben müssen“, sagte er dem „Spiegel“. Kompetenzen, die der Bundestag abgebe, müsse dann das Europaparlament bekommen. Merkels Krisenmanagement lobte ihr Vorgänger im Kanzleramt ausdrücklich. Man dürfe nun nicht länger fackeln, sondern müsse Ernst machen mit Kern-Europa. Andernfalls drohe Europa zwischen Asien und einem wiedererstarkten Amerika die Bedeutungslosigkeit.

„Das Europa, das ich mir vorstelle, ist ein stärker integriertes, ergänzt um die Mitgliedschaft der Türkei und eine Assoziierung Russlands“, erklärte er. Kritisch äußerte sich Schröder indes zur Rolle Großbritanniens, das nicht der Euro-Zone angehört. Das Land mache „die größten Probleme“. Obwohl es den Euro nicht eingeführt habe, wolle es trotzdem bei der Gestaltung des Wirtschaftsraums immer mitreden. mit rtr/HB

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