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Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, Kenan Kolat, fordert eine gründsätzliche Debatte über Rassismus.

© dpa

Streit um Hahn-Äußerung: Türkische Gemeinde fordert Rassismus-Debatte

Während die Bundesregierung beschwichtigt und keinen Grund für eine Rassismus-Debatte sieht, fordert die Türkische Gemeinde genau das.

Berlin - In Hessen ist Jörg-Uwe Hahn so etwas wie ein bunter politischer Hund. Immer mal für einen Spruch bekannt, der knapp daneben liegt. Jetzt hat der Chef der hessischen Liberalen wieder zugeschlagen. Unter Rassismusverdacht steht er, weil er in einem Interview sagte: „Bei Philipp Rösler würde ich allerdings gerne wissen, ob unsere Gesellschaft schon so weit ist, einen asiatisch aussehenden Vizekanzler auch noch länger zu akzeptieren.“

Nun hat Rösler sich selbst zu Wort gemeldet und Hahn in Schutz genommen. „Ich verstehe die Aufregung über die vielfach kritisierte Interviewäußerung von Jörg-Uwe Hahn vom Donnerstag nicht“, sagte der FDP-Chef. Der hessische Justiz- und Integrationsminister sei ein persönlicher Freund, der „über jeden Verdacht des Rassismus erhaben“ sei. Hahn selbst hatte sich gegen Kritik zur Wehr gesetzt und erklärt, dass er nur auf den „unterschwelligen Rassismus“ in der Gesellschaft hinweisen wollte. Auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) stellte sich hinter Hahn. Es sei „geradezu absurd“, diesen als Rassisten zu bezeichnen.

SPD-Chef Sigmar Gabriel zeigte sich dagegen empört. „Hahn scheint nicht alle beieinander zu haben“, sagte er in Berlin. Der Satz sei unfassbar. Entweder merke Hahn nicht, welch versteckter Rassismus darin stecke oder er habe es bewusst in Kauf genommen. Er frage sich, was mit der liberalen Partei los sei. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte im ZDF, er rechne mit einem Rücktritt. „Das ist skandalös. Und ich glaube nicht, dass sich Herr Hahn nach diesen Äußerungen über Herrn Rösler halten wird.“

Aber auch in seiner eigenen Partei rümpften sie die Nase über Hahns Wortwahl. FDP-Vorstandsmitglied Wolfgang Kubicki bezeichnete sie in der „Passauer Neuen Presse“ als „zugegebenermaßen missverständlich“. Und der Vorsitzende der Jungen Liberalen (Julis), Lasse Becker, sprach von einer „blöden Wortwahl“. Allerdings verteidigten sie Hahn gegen den Vorwurf des Rassismus. Juli-Chef Becker berichtete im Deutschlandfunk, dass es im Alltag öfter rassistisch motivierte Schmähungen Röslers gebe. An Wahlkampfständen höre er Sätze wie: „Wir würden euch wählen, wenn da nicht der Chinese wäre.“ Er habe gesehen, wie in Leipzig das FDP-Wahlkreisbüro beschmiert wurde mit dem Slogan „Schmeißt den Fidschi raus“, sagte Becker. „Das Problem ist der Alltagsrassismus in Deutschland, und den muss man auch mal ansprechen.“

Während die Türkische Gemeinde in Deutschland eine Rassismus-Debatte forderte, ist die Bundesregierung dagegen. Man sehe dafür keinen Grund, sagte Vizeregierungssprecher Georg Streiter. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) arbeite „ausgezeichnet“ mit Rösler zusammen und schätze ihn sehr. Mahnende Worte gab es aus der Union. Mit Blick auf die von FDP-Politikern losgetretenen Debatten über Sexismus und Rassismus warnte Unionsfraktions-Chef Volker Kauder die Liberalen davor, die Wahlchancen der schwarz-gelben Koalition zu mindern. Christian Tretbar

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