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Militante Fußballfans aus Kairo stürmten einen Komplex mit einem Club für Polizeioffiziere und steckten mehrere Gebäude in Brand.

© AFP

Nach den Urteilen zu Fußballkrawallen: Ultras randalieren in Kairo

Rauchwolken und Hubschrauber über dem Zentrum von Kairo: Nach der Bestätigung des Todesurteils gegen gewalttätige Fußballfans tobt eine aufgebrachte Horde Ultras durch die Stadt. Unterdessen streikt die Polizei in zehn ägyptischen Provinzen.

Stundenlang standen schwarze Rauchwolken über dem Zentrum von Kairo, Hubschrauber kreisten am Himmel, während eine aufgebrachte Horde von Al-Ahly Ultras von ihrem Vereinsgelände in Zamalek über die Nil-Brücke in Richtung Innenministerium zog. Zuvor hatten sie den luxuriösen Club der Polizeioffiziere sowie die Zentrale des ägyptischen Fußballverbands in Brand gesteckt und Vitrinen mit Pokalen geplündert. Der neokoloniale Gebäudekomplex nahe dem Kairo-Tower auf der Insel Gezira brannte lichterloh, während Ahly-Ultras die Feuerwehr mit Molotow-Cocktails am Einsatz hinderten. Zwei Armeehubschrauber gelang es schließlich in zahlreichen Anflügen, das Feuer aus der Luft zu löschen. Vor dem Parlament und dem Innenministerium nahe dem Tahrir-Platz fuhren Panzer auf.

Am Morgen hatte der Vorsitzende Richter Sobhi Abdel-Maguid live im Staatsfernsehen die übrigen Urteile im Prozess um das Massaker im Stadion von Port Said verkündet, bei dem vor einem Jahr 72 Menschen ums Leben gekommen waren. Er bekräftigte erneut die bereits am 26. Januar gefällten Todesurteile und erklärte, die Verurteilen sollten am Galgen sterben. Weitere fünf Angeklagte bekamen lebenslänglich, zehn wurden zu 15 Jahren Haft verurteilt, darunter der Sicherheitschef des Al-Masry-Clubs und zwei hohe Polizeiverantwortliche. Neun erhielten Haftstrafen zwischen zehn und einem Jahr. Gegen alle Urteile ist Revision möglich. Die Ultra-Fans in Kairo brachte vor allem in Rage, dass sieben der neun Polizeioffiziere freigesprochen wurden ebenso wie zwei der drei mitangeklagten Verantwortlichen des Gastgeberclub Al Masry. Mit ihnen kamen auch 19 inhaftierte Fußballfans aus Port Said ohne Strafe davon.

In der Mittelmeerstadt, wo sich die Einfahrt zum Suezkanal befindet, blieb die Lage am Samstag gespannt und unübersichtlich. Unmittelbar nach dem Urteil richtete ein Armeeoffizier auf dem Märtyrerplatz im Zentrum eine kurze Ansprache an die Menge und erklärte, Kampfschiffe der ägyptischen Marine lägen draußen vor Anker. Sollten die Bewohner die Soldaten in der Stadt attackieren, würde die Armee die komplette Kontrolle in Port Said übernehmen. Diese in freundlichem Ton vorgetragene Drohung kühlte die Gemüter offenbar zunächst etwas ab.

Trotzdem machten sich kleinere Trupps von Protestierern auf zum Hafen, um die Fähren über den Suez-Kanal zu blockieren. Andere schnitten die Leinen von Schnellbooten los, mit denen normalerweise die Besatzungen durchfahrende Schiffe mit Waren versorgt werden, damit diese von der Strömung in die Fahrstraße des Kanal getrieben würden. Fünf der sieben Boote wurden von Soldaten wieder eingesammelt und an die Kaimauer zurückgeschleppt. Die Polizei ist seit Freitag komplett aus Port Said abgezogen. Regierungsgebäude, wie der Sitz des Gouverneurs sowie das ausgebrannte Polizei-Hauptquartier am Märtyrerplatz werden seitdem von Soldaten gesichert. Der Zugverkehr nach Port Said wurde am Samstag erneut unterbrochen.

Unterdessen hat sich der Großstreik der Polizei inzwischen auf 10 der 29 Provinzen Ägyptens ausgeweitet. In immer mehr Städten verriegeln die Polizisten ihre Wachen und gehen einfach nach Hause. In Kairos Stadtteil Dokki skandierten Beamte „Nieder mit dem Innenminister, nieder mit den Muslimbrüdern.“ In Mursis Heimatstadt Zagazig im Nildelta weigerten sich die Uniformierten, weiterhin das Privathaus des Präsidenten zu bewachen. Die Beamten fordern modernere Ausrüstung und Waffen, um sich besser gegen Krawallmacher schützen zu können. Zudem werfen sie Innenminister Mohamed Ibrahim vor, der der Muslimbruderschaft nahe steht, die Ordnungskräfte für seine politischen Zwecke zu missbrauchen. Präsident Mohammed Mursi schickte daraufhin den Chef der Bereitschaftspolizei, die zum großen Teil aus Wehrpflichtigen besteht und die Hauptlast der Auseinandersetzungen mit den Demonstranten und Gewalttätern trägt, am Freitag in den Ruhestand.

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