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Hessens Regierungschef Volker Bouffier (CDU).

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NPD-Verbotsverfahren: Volker Bouffier: „Ein großes Risiko“

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) über die inhaltliche Enthaltung seines Landes beim NPD-Verbotsverfahren und die Frage, warum die Geschlossenheit der Demokraten trotzdem wichtig ist.

Von Frank Jansen

Herr Bouffier, warum hat Hessen den Widerstand gegen ein NPD-Verbotsverfahren aufgegeben?

Wir haben keinen Widerstand aufgegeben. Es muss klar sein, dass die flächendeckende Bekämpfung der NPD eine Aufgabe von hoher Priorität für alle Demokraten ist. Wir verdeutlichen damit gegenüber dem Bürger, dass die Ministerpräsidenten geschlossen sind. Und wir zeigen der NPD: Ihr könnt uns nicht auseinanderdividieren. Aber ein Parteiverbot ist kein Ersatz für die Bekämpfung des Rechtsextremismus, es ist ein zusätzliches Element. Ein solches Verbotsverfahren sollte jedoch nur beantragt werden, wenn die Risiken eines erneuten Scheiterns deutlich hinter den Erfolgschancen zurücktreten. Daran haben wir erhebliche Zweifel.

Haben andere Länder oder Parteien, die ein NPD-Verbot befürworten, Druck auf die hessische Regierung ausgeübt?

Wir lassen uns nicht unter Druck setzen. In Hessen hat die Regierungskoalition entschieden, ohne sich beeinflussen zu lassen.

In der Protokollnotiz Hessens zum Beschluss der Innenministerkonferenz heißt es nur, das Land werde sich einem Antrag zu einem Verfahren „nicht entgegenstellen“. Das klingt eher nach Enthaltung als nach Zustimmung.

Wir werden uns der Gemeinsamkeit nicht entgegenstellen, weil die Geschlossenheit der Demokraten wichtiger erscheint als juristische und politische Bedenken. Inhaltlich kann man das als Enthaltung werten. Das verdeutlichen wir auch mit einer Erklärung zum Protokoll zur Ministerpräsidentenkonferenz.

Welche Risiken sehen Sie, sollte es zu einem Verfahren am Bundesverfassungsgericht kommen?

Ich sehe vor allem ein großes Risiko in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dessen Kriterien beim Verbot einer Partei lassen nicht erkennen, dass die NPD sie erfüllt. Der Gerichtshof sagt beispielsweise, eine Partei kann verboten werden, wenn sie den Terrorismus unterstützt. Da gibt es in puncto NPD sachlich erhebliche Zweifel. Außerdem hält der Gerichtshof ein Verbot erst für notwendig, wenn eine extremistische Partei so stark wird, dass eine Übernahme staatlicher Strukturen zu befürchten ist. Das ist glücklicherweise bei der NPD nicht der Fall.

Bei der Landtagswahl 2009 in Hessen erhielt die NPD nur 0,9 Prozent. Ist sie trotzdem für Hessen gefährlich, auch mit Blick auf rechtsextreme Gewalt?

In Hessen spielt die NPD gar keine Rolle. Wir haben auch, gemessen an der Zahl der Einwohner, die niedrigste Quote bei rechtsextremen Gewalttaten. Denn wir nehmen die Bekämpfung des Rechtsextremismus sehr ernst. Aber die Notwendigkeit eines Verbots kann man nur bundeseinheitlich bewerten. Und da sage ich: Das Grundproblem des Rechtsextremismus ist nicht weg, wenn die NPD verboten ist. Die Rechtsextremisten werden sich anderweitig organisieren. Das sind alles Risiken, die wir auch schon beim ersten Verbotsverfahren gesehen haben. Da hat sich unsere Haltung nicht geändert.

Halten Sie es für notwendig, dass sich Bundesregierung und Bundestag mit Verbotsanträgen dem Bundesrat anschließen?

Die Verfassungslage ist so, dass der Bundesrat alleine einen Antrag stellen kann. Der ist nicht weniger wert, wenn der Bundesrat dann alleine nach Karlsruhe geht.

Volker Bouffier (60) ist seit August 2010 Ministerpräsident in Hessen. Im selben Jahr wurde er auch zum stellvertretenden CDU-Bundeschef gewählt. Er gehört zum rechten Parteiflügel. Das Interview führte Frank Jansen.

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