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Hell erleuchtet: Horst Seehofer entdeckt die Demokratie 2.0.

© dpa

Ortstermin: Strauß + Facebook = Seehofer

Die CSU sucht den Anschluss an die Netzkultur, will aber gleichzeitig bayerisch-traditionell bleiben. Unsere Autorin beobachtet Seehofer bei einem eleganten Spagat.

Von Anna Sauerbrey

Tradition und Moderne verbinden, in Bayern heißt das, Franz Josef Strauß und Facebook verbinden. Geht nicht? Geht doch. Jedenfalls wenn man, wie der bayerische Ministerpräsident, ein Meister der politischen Dialektik ist. Am Donnerstagabend sprach Horst Seehofer in der bayerischen Vertretung darüber, wie viel digitale Beteiligung Deutschland brauche. Dabei machte er kurzerhand seinen Vor-vor-vor-Vorgänger zum Basisdemokraten. Es ist schwül-warm an diesem Abend, in der fünften Reihe fächelt sich ein junger Mann in Anzug und Krawatte mit einem Fächer Luft zu, doch das mit Strauß ist nicht die Folge eines Hitzedeliriums, sondern gut durchdacht.

Seit die Piraten eine politische Rolle spielen, ist unter den etablierten Parteien ein regelrechter Wettstreit um den Titel der bürgernächsten Partei ausgebrochen, in den mit etwas Verzögerung nun auch die CSU eingetreten ist. Seehofer gibt zu, Strauß sei nicht ganz lupenrein in Beteiligungsfragen gewesen. Doch er erinnere sich, wie der „Urvater des modernen Bayern“ einmal streikende Lkw-Fahrer am Brennerpass besucht habe. Seehofer wuchert außerdem mit der starken Tradition der Bürgerentscheide in seinem Land. Er fordert „eine Kultur der Volksentscheide auch auf Bundesebene“, besonders in EU-Fragen. „Es gibt eine kollektive Intelligenz“, sagt er, die gelte es zu nutzen. Außerdem hätten Volksentscheidungen eine befriedende Wirkung.

Bayerische Tradition und Internet, das verbinde sich doch am besten in Seehofer selbst, finden wohl die CSU-Strategen. Jedenfalls wird der Ministerpräsident auf Web 2.0 getrimmt. Seit 2009 hat er ein Facebook-Profil. Vor einigen Wochen ließ er in München eine Facebook-Party veranstalten. „Herr Ministerpräsident, Sie sind bekannt als Mr. Facebook unserer Nation“, behauptet Emilia Müller, Hausherrin in der Landesvertretung.

Politiker und das Netz: Wer kennt sich aus, wer sorgt für Spott?

Auf dem Podium kann Anke Domscheit-Berg, Netzaktivistin und Neu-Piratin, dazu nur frostig lächeln. Frank Schirrmacher, Herausgeber der „FAZ“, sagt säuerlich, da müssten doch die Alarmglocken schrillen, wenn der bayerische Ministerpräsident zum Vorreiter der Demokratie 2.0 werde.

Tatsächlich wandte Seehofer zuletzt in Sachen Bürgerbeteiligung eine nicht minder eigentümliche Dialektik an. Im Juni haben die Bürger von München in einer Volksabstimmung gegen den Bau einer dritten Startbahn am Flughafen der Stadt gestimmt. Seehofer kündigte allerdings an, am Bau festzuhalten. Das Nein binde nur den Stadtrat.

Auf Facebook hatte Seehofer auf die Diskussion hingewiesen. 58 Personen antworteten. Einer schrieb: „Mehr Hirn würde schon reichen.“ Ein anderer wünschte Seehofer, der gerade 63 geworden ist, „Gesundheit, Glück und Zufriedenheit“. Ob er sich denn in dem Alter noch auf das ganze moderne Zeugs einlassen könne, fragte prompt am Abend ein Zuhörer. Natürlich, sagte Seehofer, er packe Veränderungen immer an den Hörnern. „Das ist a ganz a g’sunde Einstellung.“

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