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Unter Beobachtung. Die Arbeit deutscher Sicherheitsbehörden nach den Terroranschlägen des 11. September war ein Untersuchungsgegenstand des Gremiums.

© dpa

Anti-Terror-Gesetze: Sicher ist nur der Streit

Eine Regierungskommission sollte die Anti-Terror-Gesetze überprüfen. Jetzt liegt ihr Bericht vor, aber auf gemeinsame Empfehlungen konnten sich die sechsköpfige Regierungskommission nicht einigen.

Darin zumindest sind sich alle einig: die Anti-Terror-Gesetze, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 verabschiedet wurden, müssen auf ihre Wirksamkeit überprüft werden. Das war in den Gesetzen so angelegt. Im Januar nahm die von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) eingesetzte Regierungskommission ihre Arbeit auf. Nun acht Monate später ist der rund 300 Seiten starke Abschlussbericht fertig und liegt dem Tagesspiegel vor. Offiziell vorgestellt wird der "Dissensbericht" am kommenden Mittwoch.

Eine Handlungsanweisung für den Bundestag ist allerdings nicht daraus geworden. Das war eigentlich auch nicht anders zu erwarten. Denn Friedrich und Leutheusser-Schnarrenberger schickten jeweils drei Experten in die Kommission, die sich genauso uneins waren wie die beiden Minister. Zwar schlägt sich der vom Innenministerium berufene Heinrich Amadeus Wolff von der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) ab und zu auf die Seite der Leutheusser-Schnarrenberger-Fraktion, aber es gibt auch sehr häufig Patt-Situationen zwischen den Lagern oder Einzelvoten. Für das Innenressort saßen noch die ehemalige Generalbundesanwältin Monika Harms sowie Ministerialdirektor Stefan Kaller in der Kommission. Die Justizministerin schickte den FDP-Politiker Burkhard Hirsch, Matthias Bäcker von der Universität Mannheim und den Ex-Ministerialdirektor Volkmar Giesler.

Im Sommer 2011 beschloss das Kabinett die Einsetzung der Kommission. Dass es anderthalb Jahre dauerte, bis sie ihre Arbeit aufgenommen hat, lag vor allem am Bekanntwerden der NSU-Verbrechen, was die Prioritäten verschoben hat. Aber es dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass absehbar kein einheitliches Votum zustande kommen würde.

Besonderen Streit gibt es um die rechtliche Grundlage der Zusammenarbeit von Sicherheitsbehörden und Bundeskriminalamt (BKA). Im Jahr 2004 wurde in Berlin-Treptow das „Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum“ (GTAZ) gegründet, an dem 40 Behörden beteiligt sind. Dort steht die Abwehr islamistischen Terrors im Mittelpunkt. Im Januar 2007 folgte das Gemeinsame Internetzentrum (GIZ). Analog zum GTAZ wurde infolge der Terrorserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) im Dezember 2011 das „Gemeinsame Abwehrzentrum Rechtsextremismus“ (GAR) gegründet, dieses wurde ein Jahr später zum „Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismuszentrum“ (GETZ) ausgebaut und um die Bereiche Linksextremismus, Ausländerextremismus und Spionage/Verbreitung von Massenvernichtungswaffen (Proliferation) erweitert.

Für mehr Informationsaustausch sind alle

In dem Bericht heißt es nun: „Die Notwendigkeit eines verbesserten Informationsaustauschs wird von keinem der Kommissionsmitglieder grundsätzlich infrage gestellt.“ Aber es gibt Differenzen bei der Frage der Rechtsgrundlage der Zentren. „Die Zusammenarbeit habe in den gemeinsamen Zentren eine Verfestigung, ein Ausmaß und eine Bedeutung erlangt, die eine eigenständige gesetzliche Grundlage erforderten“, befinden die Vertreter des Justizministeriums und Professor Wolff in dem Bericht. Die beiden anderen Vertreter des Innenressorts sehen „keine Regelungslücke“.

In Sicherheitskreisen wird ebenfalls argumentiert, dass es bereits Regelungen gebe. „Selbstverständlich haben die Zentren eine Rechtsgrundlage, auf der der Austausch zwischen den beteiligten Behörden basiert“, heißt es. Dort bezieht man sich auf „Übermittlungsvorschriften“, mit denen die Weitergabe von Informationen zwischen den Nachrichtendiensten und anderen Stellen geregelt ist. Diese Vorschriften gelten unabhängig davon, ob sich die Behörden einmal im Monat oder einmal pro Tag miteinander austauschen. Außerdem wird in Sicherheitskreisen darauf verwiesen, dass die Zentren gerade keine Behörde seien, „sondern lediglich organisierte Treffen der bestehenden Sicherheitsbehörden“.

In dem Bericht befürchten einzelne Mitglieder auch einen Verstoß gegen das Trennungsgebot von Polizei und Nachrichtendienst. Sicherheitskreise warnen mit Blick auf die Fehler bei den NSU-Ermittlungen davor, diese Zusammenarbeit aufzugeben. „Dieser Weg muss zur effektiven Bekämpfung der extremistischen und terroristischen Bedrohung konsequent fortgesetzt werden. Die Schranken des informationellen Trennungsprinzips werden dabei natürlich beachtet“, heißt es. Den Datenschutz überwachen viele Kontrollinstanzen, nämlich alle Datenschutzbeauftragten in Bund und Ländern, die jeweils für die 40 beteiligten Behörden zuständig sind.

Parlamentarische Kontrolle für das BKA

Zweites großes Streitthema ist das BKA.Dessen Befugnisse wurden 2009 deutlich erweitert. Einige Kommissionsmitglieder sehen beim BKA auch Präventivbefugnisse, also die Möglichkeit, weit im Vorfeld einer konkreten Gefahr aktiv zu werden, ähnlich wie Geheimdienste. Deshalb fordern sie eine parlamentarische Kontrolle des BKA.. „Das BKA sollte hinsichtlich des Einsatzes nachrichtendienstlicher Mittel bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus der zusätzlichen Kontrolle des Gremiums unterworfen werden“, heißt es in dem Bericht. Die drei Justizvertreter sprechen sich zudem für eine Art Whistleblower-Gesetz aus. Demnach sollten Mitarbeiter der zu kontrollierenden Dienste das Kontrollgremium auch „ohne Einhaltung des Dienstweges“ ansprechen können. Harms und Kaller teilen die Forderungen nicht, die Befugnisse des BKA griffen erst bei einer konkreten Gefahr.

Die drei Justizvertreter und Professor Wolff fordern, die richterliche Kontrolle der Anti-Terror-Ermittlungen des BKA zu verschärfen. Die „ermittlungsrichterliche Anordnung“ für diese Einsätze sollte nicht wie bisher vom Amtsgericht Wiesbaden erlassen werden, sondern vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs. Bei gravierenden Grundrechtseingriffen wie Lauschangriff oder Online-Durchsuchung durch das BKA soll nach Auffassung dieser vier Kommissionsmitglieder die Strafkammer eines Landgerichts eingeschaltet werden. Auch müssten Betroffene über geheime Ermittlungen im Nachhinein häufiger informiert werden. Die Vertreter des Innenressorts warnen vor einer zu hohen richterlichen Hürde. „Bei einer Abwägung muss die Rettung von Menschenleben Vorrang vor strafprozessualen Ermittlungen haben.“

Differenzen gibt es auch über die Zukunft des „Militärischen Abschirmdienstes“. Vier der sechs Mitglieder halten diesen für weitgehend überflüssig.

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