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Iran

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Iran: Die inszenierte Wahl

Nach der Entscheidung in Iran entlädt sich die Empörung auf den Straßen: Mahmud Ahmadinedschad bleibt Präsident. Zweifelhaft ist aber, ob die Wahl regelgerecht ablief.

Der Iran im Wechselfieber. Erst lieferte sich die Islamische Republik den härtesten und offensten Wahlkampf ihrer Geschichte, den die ganze Welt am Ende mit atemloser Spannung mitverfolgte. Dann präsentierte das regimetreue Innenministerium am Morgen nach dem Urnengang mit Rekordbeteiligung ein Endergebnis, das zum Himmel stinkt. Bereits eine halbe Stunde vor Schließung der Wahllokale erklärte die staatliche Nachrichtenagentur Irna den "Doktor Ahmadinedschad" zum Sieger. Kurz danach offenbarte der oberste Wahlleiter als ersten Zwischenstand eine Zwei-Drittel-Mehrheit für den Präsidenten. Und dabei blieb es dann Stunde um Stunde bis zum Schluss. Durchaus möglich, dass Amtsinhaber Ahmadinedschad in der ersten Runde tatsächlich die meisten Stimmen hat auf sich vereinigen können. Doch nach der Millionen-Menschenkette der grünen Mussawi-Anhänger in Teheran wollte das Regime offenbar auf keinen Fall eine Stichwahl riskieren. So trat es mit dem märchenhaften Ergebnis für seinen Vormann die Flucht nach vorne an. Und seitdem entlädt sich die Empörung über diesen dreisten Coup bei den betrogenen Wählern in Gewalt und Straßenschlachten, wie sie die Islamische Republik seit über zehn Jahren nicht mehr erlebt hat.

Herausforderer Mussawi hat Recht: Das Ganze war eine durchsichtige Inszenierung - sozusagen eine Billigkopie von Wahlabenden in großen Demokratien mit ihren frühen, präzisen Hochrechnungen. Nur fehlen im Iran für solch komplexe Prognosen alle Voraussetzungen. Es gibt keine repräsentativen Meinungsumfragen, es gibt keine Nachwahlbefragungen und es gibt keine entsprechenden Computerprogramme - geschweige denn das dafür nötige Know-how von Meinungsforschern.

Was es allerdings gab, waren jede Menge Unregelmäßigkeiten: Beobachter der Opposition wurden am Zugang zu den Wahllokalen gehindert. SMS und Internet - die beiden wichtigsten Kommunikationsplattformen der Reformer - funktionierten nicht oder nur schlecht. 13 Millionen mehr Stimmzettel wurden gedruckt, als Wahlberechtigte im Iran. Und von den 45.000 Wahlurnen waren 14.000 "mobil". Eigentlich gedacht für Krankenhäuser und Altersheime - diesmal eingesetzt in hunderten von Kasernen der Revolutionären Garden, der Armee und der Basij-Milizen. 500 gefälschte Wahlzettel in jeder dieser obskuren Wanderurnen - das allein brächte schon sieben Millionen Stimmen.

Das soll nicht in Abrede stellen, dass der Populist Ahmadinedschad tatsächlich einen ansehnlichen Teil der iranischen Wählerschaft hinter sich hat. Vor allem auf dem Land und bei den schwächeren sozialen Schichten hat der Präsident seine treuen Anhänger. Keiner ist so oft in die Provinz gereist, hat sich wie ein Landesvater der Sorgen der Armen angenommen. Die Fernsehbilder von Menschen, die ihm Bittbriefe übergeben und sich später mit Tränen stockender Stimme für das Geld vom Präsidenten bedanken, sind Legion. Und für die meisten auf dem Land ist das regimetreue Staatsfernsehen die einzige Informationsquelle. Satellitenschüsseln sind die Ausnahme, das Internet wenig verbreitet.

Insofern ist diese Wahl auch ein Votum entlang sozialer Schichten. Mussawi spricht eher die städtische Mittelklasse an und junge Menschen mit höherer Bildung. Und er hat seine Wähler bei der Kriegsgeneration der achtziger Jahre, die heute an vielen Schaltstellen des Staates und des Regimes sitzen. Ahmadinedschad ist vor allem beliebt bei den einfachen Leuten: Sie verehren ich als einen Mann, der bescheiden und ehrlich ist, nicht in die eigene Tasche wirtschaftet, sich ihrer Sorgen annimmt und obendrein noch fromm ist. Und sie sehen in ihm einen Mann, der sich nicht den Mund vermieten lässt, sondern dem Westen die Meinung sagt.

Für die internationale Staatengemeinschaft hat das dubiose Ergebnis den Umgang mit dem Iran nicht leichter gemacht. Ob die betrogenen Herausforderer und ihre Anhänger eine Neuwahl erzwingen können, ist unwahrscheinlich. Dann aber sind die moderaten Kräfte auf Jahre zurückgeworfen, die Macht der Hardliner gewinnt weiter an diktatorischen Zügen. Dennoch könnte Ahmadinedschad auf Washington in Zukunft geschmeidiger reagieren - auch weil er weiß, dass Obama wegen seines weltweiten Prestiges in der Lage ist, wirklich schmerzhafte Sanktionen zu organisieren. Das schärfste Instrument hat der UN-Sicherheitsrat bisher gegen Teheran noch nicht eingesetzt - einen Lieferstopp für Benzin. Der viertgrößte Ölexporteur der Welt kann nur zwei Drittel seines Spritbedarfs mit eigenen Raffinerien decken. Den Rest muss er im Ausland zukaufen. Würde dieser Hahn zugedreht, wäre wohl das ganze Volk auf den Barrikaden. 

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