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Deja-vu. Manche Plakate haben die Anmutung früherer Zeiten. Auch manche Parole klingt vertraut. Eine wichtige Funktion ist der Wiedererkennungseffekt.

© Reuters

Wahlplakate zur Bundestagswahl 2013: Deutschland-Fahne wird dezenter platziert

Kaum hängen die Wahlplakate, gibt es Kritik. Von anklagendem Stillleben über glückliche Alltagsaufnahmen bis hin zur Facebook-Ästhetik - alles ist dabei. Nur die mutigen Zukunftsbilder fehlen den Werbeprofis.

Die Bundestagskandidaten, die seit dem Wochenende ernst von den Laternenmasten starren, erinnern manchen von der Anmutung her an die frühen Jahre der bundesdeutschen Demokratie. Für die anderen sind die Plakat-Parolen die ewige Wiederkehr derselben plebiszitären Rituale. Dabei greifen die Parteien längst auf professionelle Helfer bei der Inszenierung ihrer politischen Spitzen zurück. Und die überlassen nichts dem Zufall.

Weniger Blau, mehr Orange für die Christdemokraten

Für die Wiedererkennbarkeit der CDU und ihrer Kandidaten auf den Plakaten sorgt die Berliner Agentur „Blumberry“. Sie inszeniert die „Corporate Identity“ der Christdemokraten in einem „moderneren Stil“, weniger Blau, mehr Orange und mit einem Foto-Shooting im Konrad-Adenauer-Haus für alle christdemokratischen Direktkandidaten. Mehr als die Hälfte soll sich an den dort aufgebauten Schreibtisch gesetzt haben, vor den holzartig braun gemaserten Hintergrund. „Freundlicher und natürlicher als ein blauer Hintergrund“ sei das, sagt Kampagnenmanagerin Frederike Thurm.

Auf die Krawatte durften Männer gerne verzichten, Frauen „leger im Hosenanzug" auftreten. Anders als auf früheren Plakaten sollten die Hände mit ins Bild. „Mit Zeitung, Stift, iPad oder was auch immer“, so Thurm, das habe man den Kandidaten überlassen. Klaus-Dieter Gröhler aus Charlottenburg-Wilmersdorf griff nach dem Bezirkswappen – nun ja. Im Vergleich zu 2009 sei auch die Deutschland-Fahne „dezenter“ platziert und das CDU-Orange kräftiger und mit einem Hell-dunkel-Verlauf versehen. Passbilder mit Fotomaton-Optik seien nahezu verbannt. Modern eben, so Thurm.

Politische Debatte fehlt in der Kampagne

Freude kommt dennoch nicht bei allen Werbestrategen auf. „Anklagende Stillleben“ bei der SPD, „glückliche Alltagsaufnahmen“ bei der CDU und „Facebook-Ästhetik“ bei den Grünen – „Stereotypen“ der Parteien reproduzieren die Berliner Wahlplakate, sagt Sophia Goerner von Publicis. Die Werbeagentur hatte vor gut zehn Jahren selbst Plakate für eine Berlin-Wahl entworfen. Bei den Kampagnen heute fehlt Goerner die politische Debatte. Statt „mutige Zukunftsbilder“ zu zeichnen, präge eine „sauertöpfisch anklagende“ Haltung die Kampagne der Sozialdemokraten. Die CDU inszeniere Deutschland als „heile Melitta-Welt“, statt Lösungen etwa für soziale Probleme anzubieten. „Werblichkeit“ statt programmatischer Kommunikation präge die Plakate, bedauert die Expertin.

Wiedererkennbarkeit ist wichtig um eigene Leute zu mobilisieren

Parteienforscher Oskar Niedermayer dagegen sagt, die „Mobilisierung der eigenen Leute“ vor der Wahl sei „die Hauptfunktion“ der Wahlplakate – und deshalb sei vor allem „Wiedererkennbarkeit“ wichtig. Ob dazu Personen oder Inhalte in den Vordergrund rücken, hänge letztlich von der Partei ab. Dass die SPD mit Inhalten einstieg, möge von einigen so gewertet worden sein, dass die Partei ihren Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück „versteckt“. Das treffe es aber nicht. Die Sozialdemokraten verstünden sich traditionell als Partei der sozialen Gerechtigkeit und stellten deshalb öfter das Thema in den Mittelpunkt des Wahlkampfes. Der Kandidat folge bei der zweiten Plakatierungswelle. „Gefährlich“ für die SPD nennt Niedermayer aber, dass die Sozialdemokraten Merkel plakatierten. Auch wenn dies zur Ironisierung von deren Person dienen soll, sei niemals sicher, „ob das so verstanden wird“.

Die Linke wiederhole denselben Fehler wie bei der vergangenen Wahl. Zu viel Programm und zu viel Botschaft presse sie auf die Plakate. „Das lässt sich nicht in wenigen Sekunden erfassen“, so Niedermayer – die meisten Passanten blickten aber eben nur einen kurzen Augenblick auf die Plakate. Die Piraten schließlich wiederholten das, was ihnen im Berliner Wahlkampf viele Stimmen einbrachte: mit originellen Plakaten wollen sie punkten. Ein Déjà-vu gleichsam.

Das ist aus Sicht des Parteienforschers aber keineswegs unbedingt falsch und auch nicht ungewöhnlich: „Dadurch ist der Wiedererkennungswert hoch, und Kontinuität ist auch was wert“, sagt Niedermayer. Und wenn der Direktkandidat der CDU im blütenweißen Hemd am Tisch sitzt und staatstragend in die Kamera blickt? „Das mag traditionell und altbacken wirken“, sagt Niedermayer. Die Haltung versuche aber auch, Seriosität zu vermitteln – „und darauf spricht die bürgerliche Wählerschaft durchaus an“.

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