zum Hauptinhalt
„Die Persönlichkeit von Sami Khedira und seine Qualitäten sind für uns unverzichtbar“, sagte der Bundestrainer Joachim Löw (links).

© Imago

Der vorläufige WM-Kader der Deutschen: Joachim Löw: Konsequent mit Ausnahme

Bei der ersten Nominierungsrunde sorgt Joachim Löw am Donnerstag für einige Überraschungen. Während der Bundestrainer auf Mario Gomez verzichtet, hält er Sami Khedira einen Platz im WM-Kader für Brasilien frei.

Die Zusammenstellung eines Turnierkaders ist eine komplizierte Angelegenheit. Sämtliche Qualitäten sollten in ihm ausreichend abgebildet sein. Dass jedoch auch handwerkliche Fertigkeiten ein Kriterium für die Nominierung zu einer Fußball-Weltmeisterschaft sind, ist neu. „Miroslav Klose ist ja auch Zimmermann und ein guter Handwerker“, hat Bundestrainer Joachim Löw gesagt, als er gestern in der DFB-Zentrale sein vorläufiges Aufgebot für die WM in Brasilien (12. Juni bis 13. Juli) bekannt gab. Angesichts der jüngsten Bilder von der Baustelle namens deutsches WM-Quartier könne sich Klose ja noch nützlich machen und mal einen Nagel einschlagen, „wenn wir das brauchen sollten“. Generell sind sie in der Führung der Nationalmannschaft aber weiterhin optimistisch, dass die Unterkunft den hohen Ansprüchen genügen wird. Manager Oliver Bierhoff konnte bei seiner jüngsten Inspektionsreise immerhin feststellen, dass der Rasen des Trainingsplatzes nicht mehr braun ist, sondern schon grün. „Es ist noch eine Baustelle“, sagte Bierhoff, „aber wir sind zuversichtlich, dass alles fertig sein wird, wenn wir anreisen.“

Am 2. Juni muss Löw seinen endgültigen 23-Mann-Kader benennen

Der Kader, mit dem Löw das Unternehmen WM angehen will, ist – bildlich gesprochen – auch noch nicht zur Bauabnahme bereit. 30 Spieler hat der Bundestrainer gestern nominiert, 25 oder 26 wird er in zwölf Tagen ins Trainingslager nach Südtirol bitten, ehe er spätestens am 2. Juni seinen endgültigen 23-Mann-Kader benennen muss. „Form und Fitness sind für uns die zentralen Leistungskriterien“, sagte Löw. Vor allem deshalb hat es Mario Gomez nicht einmal ins vorläufige Aufgebot geschafft. Der Stürmer vom AC Florenz ist das prominenteste Opfer der ersten Nominierungsrunde. Dass Max Kruse (Borussia Mönchengladbach) sowie die beiden Hamburger René Adler und Heiko Westermann ebenfalls nicht berücksichtigt wurden, ist weniger überraschend. Dafür nominierte der Bundestrainer insgesamt sechs Spieler ohne Länderspielerfahrung: die beiden Schalker Leon Goretzka und Max Meyer, der mit 18 Jahren der jüngste deutsche WM-Teilnehmer der Geschichte wäre, Erik Durm von Borussia Dortmund, den Hoffenheimer Kevin Volland sowie André Hahn (FC Augsburg) und Shkodran Mustafi (Sampdoria Genua), die beim jüngsten Länderspiel im März gegen Chile immerhin schon mal im Kader standen.

Während diese sechs vor dem ersten Höhepunkt ihrer Karriere stehen, ist für Mario Gomez der Traum von der zweiten WM-Teilnahme vorzeitig beendet. „Die hässlichste Saison meiner Karriere endet mit einem weiteren Rückschlag“, schrieb Gomez auf seiner Facebook-Seite. „Das ärgert mich unendlich!“ Aber Joachim Löw hat gute Argumente, warum er auf den 28-Jährigen mit seiner Erfahrung aus 59 Länderspielen verzichtet. Gomez sei insgesamt sieben Monate verletzt gewesen, habe in dieser Zeit nur 280 Minuten auf dem Platz gewesen, sagte Löw: „Er ist nicht in der Lage, bei diesem Turnier körperlich zu bestehen.“

Für Benedikt Höwedes und Marcell Jansen könnte es eng werden

Der Bundestrainer sprach von einer „Entscheidung für die maximale Leistungsbereitschaft unserer Mannschaft“. Damit folgte er der Linie, die er schon vor Monaten ausgegeben hat: Wer nicht fit ist oder keinen Spielrhythmus hat, wird es schwer haben, nach Brasilien zu kommen. Dass Benedikt Höwedes und Marcell Jansen, die zuletzt wegen körperlicher Malaisen nicht oder nur wenig gespielt haben, sich trotzdem im vorläufigen Aufgebot befinden, ist nicht unbedingt ein Widerspruch: Sie sind die ersten Kandidaten, die an der nächsten Ausscheidungshürde scheitern könnten. Mit Durm, Mustafi und dem Freiburger Matthias Ginter (ein Länderspiel) hat der Bundestrainer mögliche Ersatzleute bereits nominiert.

Eine Ausnahme macht Löw nur für Sami Khedira. Der defensive Mittelfeldspieler von Real Madrid hat zwar fünfeinhalb Monate nach seinem Kreuzbandriss noch kein Spiel bestritten, aber „seine Persönlichkeit und seine Qualitäten sind für uns unverzichtbar“, sagte der Bundestrainer. „Deshalb sind wir dieses kalkulierte Risiko eingegangen.“ Laut Löw hat sich Khedira in den vergangenen Wochen ständig verbessert, in dieser Woche stand der 27-Jährige bei Real immerhin schon wieder im Kader – mit der realistischen Chance, in der Endphase der Saison sogar noch zum Einsatz zu kommen. Möglicherweise sogar im Finale der Champions League. Durch die Sperre von Xabi Alonso besteht bei Real im defensiven Mittelfeld durchaus Bedarf. Löw sagte, er habe bisher wenige Spieler gesehen, die so vehement, konzentriert und zielstrebig in der Reha gearbeitet hätten wie Khedira: „Von seinen körperlichen Voraussetzungen wird er es auf jeden Fall schaffen.“

Zur Startseite