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1996 klebte auf den Olympischen Spielen das Etikett von Coca-Cola - jetzt ist es das Gesicht von Wladimir Putin.

© dpa

Olympische Winterspiele in Sotschi: Zu viel Unheil

Die Olympischen Spiele sind als Idee viel zu gut, um sie einfach so irgendjemandem zu überlassen - und schon gar nicht einem Wladimir Putin. Nicht nur das IOC steht in der Pflicht den einenden Geist der Wettkämpfe zu wahren. Auch wir müssen eine Entscheidung treffen.

Es muss schon eine wintermärchenhafte Eröffnungsfeier werden und auch ein innerlich wärmendes Feuer lodern, um die Welt heute für die Olympischen Spiele zu begeistern. Hat Olympia schon einmal so schlechte Laune gemacht wie in Sotschi?

Diesen Winterspielen ging jedenfalls ein grässliches Aufwärmprogramm voraus: Bürger wurden zwangsumgesiedelt, Arbeiter ausgebeutet, Oppositionelle verfolgt, Natur wurde zerstört. Und das alles dafür, dass ein paar hochbegabte Sportler um die Wette Ski und Schlitten fahren.

Die Winterspiele von Sotschi verlangen jetzt von zwei Seiten eine Entscheidung

Bisher hat der olympische Geist jedoch noch immer versöhnt, ob vor Olympischen Spielen nun chaotische Zustände herrschten wie 2004 in Athen oder Gastgeber China wie 2008 in Tibet wütete. Die Spiele wurden dann mal leichter, mal schwerer, aber es blieben die Olympischen Spiele mit ihrem eigenen Reiz, dass sich die ganze Welt unter den gleichen Regeln zum Wettbewerb trifft. Diesmal ist allerdings zu viel Unheil passiert, um gleich fröhlich ein internationales Bewegungsfest zu feiern.

Die Winterspiele von Sotschi verlangen jetzt von zwei Seiten eine Entscheidung, eine vom Internationalen Olympischen Komitee – und eine von uns.

Das IOC muss sich fragen, ob es seine Spiele wirklich noch einmal so haben möchte, so verschwenderisch und so räuberisch. Oder ob Sotschi nicht der Wendepunkt sein muss in einer missratenen Entwicklung. So schnell wie jetzt klebte allenfalls 1996 ein Etikett auf den Spielen. Damals war es das von Coca-Cola. Jetzt ist es das Gesicht von Wladimir Putin.

Dazu gehören zwei: Putin, der sich die Spiele gegriffen hat – und das IOC, das seine Veranstaltung loslässt, sich nicht mehr um den eigenen Anspruch der Menschlichkeit bemüht. Sich auf einmal klein redet im Verhältnis zu einem politischen Regime, von dem es eben noch umworben wurde. Das Komitee mit seinem Präsidenten Thomas Bach braucht für sein Weltereignis einen neuen sozialen und ökologischen Standard und die Entschlossenheit, diesen Standard auch durchzusetzen.

Die Idee ist viel zu gut

Und wir? Wir müssen uns entscheiden, ob wir überhaupt noch zuschauen wollen. Das ist ähnlich wie bei der Tour de France. Der Dopingverdacht hat auch das olympische Erlebnis schon stark getrübt. Die Gewissheit, dass die Spiele schamlos ausgenutzt werden, macht es nur noch schlimmer. Kann man Sport losgelöst sehen von Politik und Kommerz?

Die Hauptdarsteller der Olympischen Spiele sind immer noch die Athleten. Sie können sich den Austragungsort nicht alleine aussuchen, allenfalls im IOC mitbestimmen. Ihre Leistungen, aber auch ihr Umgang mit dem Sieg oder der Niederlage werden in Sotschi wieder bewegende Geschichten schreiben, manches davon ist sogar Modell für den Alltag.

Die Spiele bleiben das Vielseitigste, was die Welt an Ereignissen zu bieten hat. Das olympische Dorf, in dem alle in ein und derselben Mensa essen, hat nichts von seinem visionären Charme verloren. Noch immer verbinden junge Menschen mit den Spielen eine Hoffnung, ein Ziel, sie sehen darin ein sinnstiftendes Erlebnis. Der Zugang zum Sport ist so offen, dass viele mit Talent, Training und Glück den Traum vom Dabeisein verfolgen können, auch die Kinder aus der Nachbarschaft.

Die Olympischen Spiele sind als Idee viel zu gut, um sie einfach so irgendjemandem zu überlassen. Also weder einem kleinen Kreis von marktorientierten Sportfunktionären noch einem politischen Regime. Und schon gar nicht einem Wladimir Putin.

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